12 | Lia's Sichtweise - Das Spiel

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Sicht Lia:

Ich bin nervös. Nein das ist eine Untertreibung. Ich bin mehr als nervös. Ich würde schon fast soweit gehen und sagen, dass ich Angst habe.

Und das Spiel beginnt nicht ganz rosig für uns: frühes Gegentor nach einer perfekten Flanke von Feli. Und es wird nicht besser. Nach einer Ecke für uns kommt es zum Konter von Wolfsburg durch Feli. Ich sprinte ihr hinterher und versuche sie aufzuhalten. Ein weiteres Gegentor sollten wir unbedingt vermeiden. Ich weiß, es ist riskant den Ball während dem Sprinten rauszuspielen, aber es ist meine einzige Chance, den Konter zu stoppen. Ich muss es einfach machen. Es wird schon gut gehen, vor allem in dem Sinn, dass sich niemand von uns beiden verletzt.

Es geht schief. Ich erwische den Ball nicht richtig und bringe dadurch Feli zu Fall. Ihr Knie verdreht sich und sie bleibt liegen. Ich hab's verkackt.

Anstatt zu ihr zu laufen und mich zu erkundigen, ob alles okay ist, wende ich mich in die entgegengesetzte Richtung ab. Ich hab genau gesehen was passiert ist und bin mir relativ sicher, dass es eine schwerwiegende Verletzung sein wird. Ich selbst habe erst vor knapp einem Jahr ähnliches erlebt. Bei mir ist dabei das Außenband gerissen, aber bei Feli sah es gerade noch schlimmer ab als bei mir. Und ich bin Schuld daran! Ich wusste genau, dass dieses Manöver riskant ist und ich habe es trotzdem gemacht. Ich habe Feli zu Fall gebracht, ich war es. Ich laufe ein paar Schritte von ihr weg, drehe mich dann aber doch zu ihr um. Mittlerweile sind die Betreuer bei ihr und untersuchen ihr Knie. Ich sehe ihre hektische Atmung und glaube sogar Tränen in ihren Augen zu sehen. Weiß sie, dass ich Schuld daran bin? Weiß sie das ich es war? Wahrscheinlich schon. Dass jemand ihr auf den Fersen ist, wusste sie. Sonst hätte sie nicht den Ball zu Pi rüber spielen wollen. Und so wie ich Feli einschätze, weiß sie, dass ich es war. Ich kann jetzt nicht zu ihr gehen. Ich kann es einfach nicht ertragen, Feli so zu sehen, mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen.

Ich knie mich ihn und vergrabe das Gesicht in meinen Händen. Ich weiß, dass ich zu ihr gehen sollte, bei ihr sein sollte, aber ich kann es nicht. Ich tue schon wieder das Falsche.

,,Lia? Alles gut bei dir?", fragt Tabbi, die zu mir gekommen ist. ,,Ich bin Schuld", flüsterte ich und schaue zu Tabbi auf. ,,Red dir keinen Mist ein. Du brauchst gar nicht zu protestieren. Wir reden nach dem Spiel. Aber jetzt komm. Es geht gleich weiter und wir haben hier dennoch ein Spiel zu gewinnen", meint Tabbi energisch. Und sie hat Recht. Klar, sie ist von Felis Verletzung auch geschockt, aber im Gegensatz zu mir war sie nicht daran beteiligt und kann somit normal Denken.

Ich stehe auf und begebe ich auf meine Position. Mein Blick fällt natürlich auf Feli, die jetzt abseits vom Spielfeld sitzt, ihr Knie umklammert. Aber ich kann nicht weiter daran denken, denn das Spiel geht weiter. Die nächsten paar Minuten geht im Spielverlauf erstmal gar nichts. Ich versuche mich Mal wieder durch die Abwehrkette durchzuspielen, aber es gelingt nicht und ich gehe wieder in die Rückwärtsbewegung. Während ich an der Trainerbank von Wolfsburg vorbei laufe, reden da gerade die Betreuer mit dem Trainer und Feli steht auch dabei, bzw stützt sich auf die beiden Betreuer. Es fällt das Wort Kreuzbandriss. Genau das was ich auch vermutet habe, sagt jetzt einer der Betreuer. Es natürlich nur eine Ferndiagnose, aber wenn schon zwei Leute das vermuten, ist es wohl nicht unbedingt komplett unrealistisch.

,,Lia!", brüllt mein Trainer. ,,Konzentrier dich!" Ich drehe mich um und sehe Wolfsburg auf unser Tor zu stürmen. Blitzschnell reagiere ich und sprinte in unsere Abwehrkette. Der Angriff kann gestoppt werden. Wenige Minuten später ist Halbzeit Pause.

Ich rede kein Wort mit niemandem. Nur der Trainer meint, dass er versteht, wie es mir geht, aber ich mich dennoch zusammenreißen soll.

Und in der zweiten Hälfte wird es nicht besser. Ich bin immer noch total unkonzentriert, spiele dumme Fehlpässe und verliere den Ball oft viel zu einfach. Schließlich gibt es eine Ecke für Wolfsburg. Ich stehe mitten im Getümmel im Strafraum. Der Ball ist sehr gefährlich und dementsprechend hektisch geht es zu. Plötzlich landet der Ball vor meinen Füßen. Ich will ihn klären und somit die Gefahr erstmal beenden, aber ich treffe den Ball nicht richtig und er rollt, unhaltbar für unsre Torfrau, ins Tor. Ich dachte in der Halbzeit Pause noch, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, aber es geht. Ich schließe in diesem eh schon beschissenen Spiel ein Eigentor. Wie dumm muss man sein.

Bei mir geht absolut nichts mehr.
Das merkt auch der Trainer und wechselt mich nur zwei Minuten nach dem Eigentor aus. Er klatscht mich wortlos ab und ich gehe rüber zur Bank. Ein Teammitglied gibt mir meine Trainingshose und meine Jacke. Dann lasse ich mich auf den freien Platz fallen neben Tabbi fallen. Tränen sammeln sich in meinen Augen. Ich versuche sie zurückzuhalten. Ich will jetzt hier nicht anfangen zu heulen. Es gelingt mir nicht und schon laufen die ersten Tränen meine Wange runter. Tabbi, die bereits direkt zu Beginn der zweiten Hälfte ausgewechselt wurde, nimmt mich in den Arm. ,,Alles wird gut!" Ich hasse diese Aussage. Woher will man das wissen? ,,Nichts wird gut", schluchze ich. Tabbi streichelt über meinen Rücken und drückt mich fest an sich.

Nach dem Spiel will ich mich direkt auf dem Weg in die Kabine machen, als mich ein Typ vom DFB oder so aufhält und nach einem Interview fragt. Ich lehne ab. Ich kann jetzt in diesem Zustand kein Interview geben. In der Kabine setze ich mich auf meinen Platz. Ich nehme mein Handy und bin schon in Felis Chat, da halte ich inne. Ich kann ihr nicht schreiben. Ich kann nicht. Ich habe es verbockt.

Nach und nach trudeln auch die anderen in die Kabine ein. Jojo nimmt mich kurz in den Arm. Der Trainer sagt noch etwas, was ich aber nicht wirklich mitbekomme. Ich will einfach weg von hier. Tabbi bemerkt das auch. ,,Sollen wir direkt fahren?", fragt sie und ich nicke.

Zurück in der WG springe ich schnell unter die Dusche und verkrieche mich dann weinend in meinem Bett.

No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt