No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch Ff

37 | Überraschung

Mühsam stehe ich auf und werfe noch einen kurzen Blick in den Spiegel. Naja, dann sieht der Postbote mich halt so mit verheulten Augen und dazu passenden Augenringen. Den sehe ich ja eh nie im Leben nochmal. Es kann nur der Postbote sein, der gerade geklingelt hat. Die Mädels von Wolfsburg sind alle auf dem Weg nach London und meine Mom kommt ganz sicher nicht plötzlich vorbei. Ich öffne die Tür.

Da steht Lia. ,,Was machst du denn hier?“ ,,Was ist passiert?“ fragen wir gleichzeitig. Während Lia lachen muss, schaffe ich es nur zu einem halblebigen Grinsen. ,,Ich habe gedacht…ich komme einfach vorbei, um dich äh zu überraschen, aber ähm wenn es gerade nicht so gut passt, dann…geh ich wieder, du…“, stottert Lia. ,,Nein, alles gut, bitte geh nicht. Komm rein“, unterbreche ich sie.

Lia betritt die Wohnung und nimmt mich erstmal in den Arm. Das treibt mir schon wieder Tränen in die Augen, aber ich kann sie noch zurückhalten. Ich will nicht schon wieder weinen. Warum bin ich heute überhaupt so emotional? Als wir uns voneinander lösen, gebe ich Lia einen Kuss. ,,Was ist passiert?“, wiederholt Lia ihre Frage. Da bricht es wieder über mich hinein. Meine Beine klappen unter mir weg und ich sinke weinend zu Boden. ,,Hey Feli, alles ist gut. Ich bin da“, meint Lia und zieht mich hoch.

Meine Beine zittern wie sonst was und mit Mühe schaffe ich es zum Sofa zu laufen. Ich lasse mich aufs Sofa sinken und Lia setzt sich neben mich. ,,Beruhig dich erstmal und dann kannst du erzählen“, sagt Lia ruhig und kuschelt sich an mich.
So sitzen wir erstmal eine Weile auf dem Sofa. Irgendwie schaffe ich es mich zu beruhigen. Lia ist echt ein Wundermittel.

,,Willst du erzählen, was passiert ist?“, fragt Lia. ,,Ich hatte ja den Termin im Krankenhaus für das MRT, um zu schauen, ob das Kreuzband vollkommen angewachsen ist. Das ist halt nicht so. Ich hatte so gehofft, ich schaffe es doch noch diese Saison ein paar Minuten zu spielen. Aber das ist jetzt wahrscheinlich durch“, erzähle ich stockend. Nur dass das nicht der einzige Grund für meinen emotionalen Ausbruch ist. Aber ich kann Lia nicht erzählen, dass ich wegen ihr auch geheult habe.  ,,Oh Feli, das tut mir mega Leid für dich“, meint Lia leise und kuschelt sich noch mehr an mich. ,,Aber da ist doch bestimmt noch etwas oder nicht?“, hakt sie nach. ,,Ähm ja, also ich.... es wird mir gerade einfach irgendwie alles zu viel. Und mich machen verschiedene Dinge einfach fertig gerade“, sage ich. ,,Das wird schon wieder. Was ist denn sonst noch so los. Wir haben schon gefühlt ewig nichts mehr voneinander gehört“, meint Lia. ,,Das ist es ja. Ich weiß auch nicht, aber ich kann gar nicht beschreiben, was ich fühle. Du fehlst mir einfach.“ ,,Du fehlst mir auch unglaublich. Ich weiß genau, was du meinst“, erwidert Lia. Ich schmiege mich an sie. Lia strahlt einfach eine Ruhe aus. Sie gibt mir die nötige Geborgenheit. Aber die spüre ich eben nur, wenn sie da ist. Und das ist viel zu selten.

,,Warum bist du eigentlich hier?“, frage ich nach einigen Minuten der Stille. ,,Ich ähm wollte dich überraschen. Wir haben heute einen freien Tag und ich dachte, ich fahr Mal her und besuche dich“, meint Lia. Wie süß ist das denn? ,,Hast du deswegen gesagt, dass du heute nicht telefonieren kannst?“ Lia nickt. ,,Mach das nicht nochmal ja? Also einfach ohne Grund absagen. Dafür bin ich mental nicht stark genug“, sage ich. ,,Ach was, natürlich bist du auch mental stark“, widerspricht mir Lia. ,,Ja klar, das hat man ja gerade sehr gut gesehen“, erwidere ich sarkastisch. ,,Ach Feli, das hat jeder Mal. Du machst momentan mit deinem Knie keine einfache Zeit durch. Es ist normal solche Zusammenbrüche zu haben. Ich kenne das“, meint sie. Wie schafft sie es, immer im richtigen Moment die richtigen Worte zu finden?

,,Was würde ich ohne dich machen?“, frage ich. ,,Wahrscheinlich immer noch irgendwo sitzen und weinen“, vermutet Lia. ,,Ich glaube, damit könntest du richtig liegen“, sage ich und muss grinsen. Ich bin so froh, dass Lia gekommen ist. Auch wenn sie mich durch ihre Telefonabsage etwas fertig gemacht hat, Lia hier zu haben ist definitiv besser, als nur über’s Telefon mit ihr zu reden. ,,Wie sieht’s aus? Wollen wir noch irgendwas was machen oder sollen wir den Rest des Nachmittags weiterhin faul hier rum liegen?“, fragt Lia. ,,Ich wär für hier liegen bleiben, aber Cinni muss heute irgendwann nochmal raus“, antworte ich. ,,Dann lass uns doch noch eine Runde spazieren gehen und danach Pizza bestellen und einen Film schauen“, schlägt Lia vor.

Gesagt, getan. Zusammen laufen wir rüber zum nahegelegenen Waldstück und spazieren dort ein bisschen Kreuz und quer durch die Gegend. ,,Ich wusste gar nicht, dass Wolfsburg so schöne Ecken hat“, meint Lia. ,,Das wusste ich bis letzten Sommer auch nicht. An Potsdam kommt es natürlich nicht ran, aber trotzdem Wolfsburg ist echt schöner als ich dachte“, erwidere ich. ,,Ja das stimmt allerdings“, gibt mir Lia Recht.

Zurück in der WG bestellen wir uns Pizza und schauen dann Die Schöne und das Biest in der neusten Verfilmung mit Emma Watson.

Viel zu schnell sind die paar Stunden mit Lia vorbei. ,,Wenn ich irgendwann wieder im Mannschaftstraining bin, können wir bestimmt wieder öfter telefonieren und uns vielleicht sogar öfter sehen. Normal liegen die freien Tagen ja relativ gleich“, sage ich zum Abschied. Ich habe durch mein Einzeltraining einen leicht anderen Trainingsplan mit fast keinen freien Tagen, die ja definitiv mit Grund für unser weniges Sehen sind. ,,Das dauert bestimmt nicht mehr lange“, meint Lia und zieht sich ihre Jacke an. ,,Ich hoffe es. Zwei Wochen sind es ja auf jeden Fall“, erwidere ich. ,,Und danach darfst du zurück ins Mannschaftstraining und wer weiß, wenn ihr es ins Champions League Finale schafft, dann solltest du noch meiner Rechnung da wieder dabei sein können“, sagt Lia super optimistisch. ,,Mal schauen. Wahrscheinlich eher nicht“, lache ich. ,,Naja, ich muss dann wohl los“, meint Lia und wirkt etwas traurig. Ich ziehe sie in eine Umarmung und ich gebe ihr einen Kuss. ,,Danke, dass du da warst“, sage ich leise.