Am nächsten Vormittag sterbe ich schier vor Aufregung und Nervosität. Um kurz vor halb eins geht’s ins Stadion und Stephan gibt die Aufstellung bekannt. Ich spiele heute vorne auf dem linken Flügel. Das liegt daran, dass wir leichten offensiv Mangel haben: Frido und Ewa haben sich beide in der Länderspiel Pause einen Muskelfaserriss zugezogen und Lara (Dickenmann) kann aufgrund von Muskulären Problemen nicht spielen. So springe ich halt Mal vorne ein. Ich kann ja sowohl links Außen in der Abwehr als auch vorne auf dem linken Flügel spielen.
Im Karli sehen wir dann auch die Spielerinnen von Turbine Potsdam. Wir betreten quasi gleichzeitig den Platz zum Aufwärmen, so dass ich ein paar Worte mit Lia und Jojo wechsle. Nach dem Spiel wollen wir dann nochmal bisschen länger reden. Dann geht es an Aufwärmen. Und schon ist es viertel vor zwei. Wir gehen zurück in die Kabine und Stephan hält noch seine übliche Motivationsansprache. Ich bin so nervös wie noch nie in meinem Leben. Nach der Ansprache von Stephan geht es dann raus aus der Kabine zum Einkauf auf den Platz. Ich laufe neben Svenni, die genauso nervös wirkt wie ich. ,,Wir schaffen das“, raune ich ihr zu. Svenni nickt nur stumm und deutet auf Lia, die gerade aus der entgegengesetzten Richtung kommt. Ich kann von hier aus sehen wie nervös sie ist. Aber jetzt ist keine Zeit mehr um mit ihr zu reden. Wir werden das schaffen. Es sind nur 90 Minuten, die wir gegeneinander spielen müssen.
Wir laufen raus auf den Platz und alles läuft ab wie immer. Die Kapitäninnen, Lena (Goeßling) und Lia tauschen die Wimpel aus und die Münze zur Hälften Auswahl wird geworfen. Mir ist es ziemlich egal in welche Richtung wir zuerst spielen. Letztendlich spielen wir sowieso auch noch in die jeweils andere Richtung. Jetzt spielen wir aber zuerst von links nach rechts.
Wir machen noch das übliche Foto der Startelf und begeben uns dann auf unsere Positionen. Das Spiel wird angepfiffen. Meine Nervosität ist wie weggeblasen. Jetzt gilt nur noch gewinnen! Wir kommen gut ins Spiel und können uns die ein oder andere Torchance gut herausarbeiten. Aber auch Turbine ist echt stark und wir haben auch in der Abwehr einiges zu tun. Nach einer Viertelstunde bekomme ich einen schönen Pass von Lena (Goeßling). Ich dribble an Jojo vorbei und komme so zum flanken. Meine Flanke findet Pia, die den Ball mit dem Kopf ins Tor bringt, 1:0 für uns.
Man merkt, wie Turbine unter Druck steht. Ein frühes Gegentor will man immer vermeiden. Für uns ist es natürlich gut. Mit einem frühen Tor hat meistens Rückenwind und die Bestätigung, dass man gut ins Spiel gekommen ist. Das gibt Sicherheit. Aber ausruhen können wie uns darauf nicht, vor allem nicht bei einer Mannschaft wie Turbine Potsdam. Ich kenne die Spielerinnen und weiß, dass sie bis zum Schluss alles geben und sich nicht aufgeben.
Und das merkt man im weitern Spielverlauf. Turbine will den Ausgleich und es ergeben sich mehr Chancen für sie. Auch jetzt wieder, eine Ecke vom linken Pfosten. Ich stehe an der Strafraumgrenze, um auf einen möglichen Konter zu lauern. Und der Konter kommt. Dominique gewinnt das Kopfballduell gegen Jojo und der Ball landet direkt vor meinen Füßen. Ich stürme, wie von einer Hummel gestochen, nach vorne. Hinter mir höre ich wie eine Spielerin von Potsdam mir hinterher rennt. Ich kann sie nicht identifizieren, aber sie kommt auf jeden Fall immer näher. Ich schaue rüber nach rechts und sehe, dass Pi ebenfalls mit gelaufen ist. Sie ruft mir zu, dass ich ihr den Ball rüber passen soll und das habe ich auch vor. Schließlich soll unser Konter ja mit einem Tor und nicht mit einem Ballverlust enden. Ich will gerade den Ball abspielen, da werde ich zu Fall gebracht. Mein linkes Knie verdreht sich dabei und sofort schießt ein stechender Schmerz in mein Knie, der bestehen bleibt.
Es gibt diesen Schmerz, der einmal kurz reinfährt und dann wieder weg ist und es gibt den Schmerz, der reinfährt und da bleibt. Der Schmerz in meinem Knie fällt in die zweite Kategorie und es ist nicht aushaltbar. Ich versuche nicht Mal aufzustehen, sondern bleibe einfach liegen, mein linkes Knie umklammert. Ich kann den Schmerz nicht beschreiben, er ist einfach zu stark. ,,Feli? Alles okay?“, ruft Svenni, die direkt zu mir gerannt ist. ,,Nein“, sage ich leise. Svenni winkt den Mannschaftsarzt und einen Betreuer, die zwischen den Trainerbänken stehen, herbei. ,,Komm setzt dich auf, dann können sie dich einfacher behandeln“, meint sie und hilft mir mich hinzusetzen. Dabei lasse ich mein Knie nicht los, es tut einfach höllisch weh und wenn ich das sage, meine ich es auch so. Die Betreuer erreichen uns. ,,Linkes Knie?“, fragen sie und ich nicke. ,,Kannst du es bewegen?“ ,,Weiß ich nicht“, antworte ich. Die Betreuer strecken und beugen mein Knie als Bewegungstest. Durch den dabei noch stärker werdende Schmerz kann ich meine Atmung nicht mehr richtig kontrollieren und es treibt mir Tränen in die Augen. ,,Ganz ruhig Feli. Ich weiß, dass es sehr weh tut, aber versuch ruhig zu bleiben“, sagt Pia, die auch bei mir steht. ,,Komm, steh auf. Wir behandeln dich draußen weiter“, meint der Betreuer. Er greift mich an der rechten Hand, der andere Sanitäter an der linken. Pia und auch Jojo, die ebenfalls zu mir rüber gelaufen ist, stützten mich von hinten. Als ich stehe, versuche ich mein linkes Knie zu belasten. Kaum ist nur ein Fünkchen Gewicht darauf, zucke ich vor Schmerz zusammen. ,,Kannst du laufen?“, fragt mich unser Mannschaftsarzt. Ich schüttele den Kopf. Also werde ich von dem Betreuer und Jojo vom Spielfeld getragen.
Dort setzten sie mich auf den Boden und Jojo sprintet zurück auf den Platz. Die Betreuer bandaschieren mein Knie und tragen mich dann rüber zur Trainerbank. Dort wird gerade Joelle für mich eingewechselt. ,,Feli, alles okay?“, fragt Stephan besorgt. Wieder schüttele ich mir den Kopf. ,,Wir bringen sie am besten direkt ins Krankenhaus. Man soll ja eigentlich keine Ferndiagnosen stellen, aber das sieht für mich sehr nach Kreuzbandriss aus“, meint der Mannschaftsarzt. ,,Shit“, meint Stephan. ,,Wir hoffen Mal, dass das nicht ganz so schlimm ist. Du schaffst Feli!“
Der Betreuer hat derweil den Krankenwagen verständig und wenige Minuten später liege ich auf einer Trage auf dem Weg in ein Krankenhaus hier in Potsdam. In meinem Kopf schwirren die Gedanken nur so umher. Was wenn es wirklich ein Kreuzbandriss ist? Ich will ehrlich gesagt gar nicht daran denken. Aber auch, wenn es mir gerade absolut nicht gut geht, weiß ich, dass ich die besten Freundinnen auf Erden habe, die sich direkt um mich gekümmert haben. Nur eine war nicht bei mir, um sich zu erkundigen, was passiert ist: Lia.
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No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch Ff
FanfictionDer Wechsel zum VfL Wolfsburg öffnet Felicitas Rauch, neue Möglichkeiten, vor allem die in der Champions League zu spielen. Das ging in Potsdam nicht. Doch die Euphorie darüber bleibt nicht lange erhalten, denn ein besonderes Spiel hat nicht sonderl...