29 | Co-Kommentatorin

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Zwei Monate später sieht die Welt schon wieder etwas anders aus, aber im positiven Sinne natürlich. Meine Reha läuft nach wie vor hervorragend. Mittlerweile darf ich schon wieder auf dem Laufband laufen und allgemein steigt die Dauer und die Anzahl der Wiederholung von jeglichen Übungen.

Und auch die Fernbeziehung mit Lia klappt gut. Klar, es ist schon hart, dass wir uns nicht sehr häufig sehen können, aber wir versuchen es so oft es möglich ist. Meisten schaffen wir es uns einmal in zwei Wochen zu sehen. Viel zu wenig, aber besser als nichts. Die Öffentlichkeit weiß nach wie vor nichts von unserer Beziehung und ich bin froh darüber. Allgemein wissen es nur wenige Freunde, aber nicht viele. Ich finde es gut, dass wir es quasi geheim halten. Ich will nicht diesen Fokus der Öffentlichkeit auf mir liegen haben und vor allem graut es mir vor den Reaktionen, die wir bekommen würden. Ich bin mir sicher, dass da nicht nur positive dabei sein werden. Wobei ich die schlimmste Reaktion sowieso schon bekommen habe und das war die von meinen Eltern. Seit ich ihnen das erzählt habe, haben wir kaum noch Kontakt. Nur einmal haben wir kurz telefoniert, aber sobald Lias Name gefallen ist, musste Mom plötzlich auflegen.

Mittlerweile ist es Anfang März. Ich bin gerade auf dem Weg zum Kraftraum. ,,Feli, gut das ich dich sehe“, werde ich plötzlich aufgehalten. Barbara, die den YouTube Kanal vom VfL leitet, lehnt sich aus ihrer Bürotür. ,,Hallo“ begrüße ich sie. ,,Am Sonntag ist ja das DFB-Pokal Viertelfinale gegen Potsdam. Wir übertragen das wie immer auf Wölfe TV und ich wollte fragen, ob du Lust hast dabei Co-kommentatorin zu sein“, fragt Barbara. ,,Ja, das klingt gut. Ich bin dabei“, antworte ich sofort. Ich fand es immer cool, dass Wölfe TV sich Co-kommentatoren für solche Übertragungen sucht und dabei vor allem Spielerinnen, die warum auch immer beim Spiel selbst dabei sein können. Jetzt die Möglichkeit zu haben, es selber zu tun, ist natürlich mega. Das lasse ich mir nicht entgehen.

Der einzige Haken ist der Gegner von Wolfsburg in diesem Spiel, denn das ist Turbine Potsdam. Heißt, ich sehe Lia spielen und muss gleichzeitig kompetente Kommentare abgegeben. Wie das dann funktionieren soll, weiß ich noch nicht, aber ich habe ja noch ein paar Tage Zeit, das herauszufinden. Heute ist erst Dienstag und das Spiel ist ja am Sonntag.

Und der kommt viel zu schnell. Es ist echt krass, wie schnell die Zeit manchmal vergeht. Lia und die anderen Potsdamerinnen sind schon am Samstag angereist, so dass Lia und ich den Abend zusammen verbringen konnten.

Der Sonntag verläuft eigentlich wie immer. Ich drehe meine morgendliche Runde mit Cinni und danach gibt es Frühstück mit Pia, die sich dann auf den Weg zur Mannschaft macht. Für mich geht es dann um halb zwei ins AOK Stadion in Wolfsburg.

Um zwei beginnt das Spiel und davor bekomme ich noch ein paar Infos, wie das alles abläuft. Und schon geht es los. ,,An meiner Seite heute ist die aktuell leider verletzte Felicitas Rauch“, stellt Roman, der Kommentator, mich vor. Anfangs ist es noch etwas ungewohnt so ein Spiel zu kommentieren. Klar, wenn ich Fußball schaue, kommentiere ich auch immer alles, aber hier muss ich aufpassen, was ich sage.

,,Du bist ja von Potsdam hier her gewechselt. Hast du noch Kontakt zu den Spielerinnen von Turbine?“, fragt Roman irgendwann. ,,Ja, natürlich habe ich noch Kontakt nach Potsdam. So lange bin ich ja noch nicht weg“, antworte ich. ,,Wie ist es jetzt für dich das Spiel zu sehen?“ ,,Ganz normal. Klar, ich war Mal bei Turbine, aber jetzt bin ich hier in Wolfsburg. Natürlich sollen die Wölfinnen das Spiel gewinnen. Das stelle ich nicht in Frage“, sage ich. Warum sollte ich denn für Potsdam sein, wenn ich bei Wolfsburg spielt?

Ich konzentriere mich wieder auf den Spielverlauf und zum Glück wird es langsam etwas spannender, so dass Roman erstmal keine Fragen mehr stellt. ,,Schöner Pass von Pia“, kommentiere ich, die aktuelle Szene. Und aus dem schönen Pass entsteht das erste Tor für Wolfsburg. Während die Wölfinnen sich freuen, steht Lia etwas geknickt da. Sie sah bei dem Tor nicht wirklich gut aus. Am liebsten würde ich zu ihr runter gehen und sie umarmen. Aber das Spiel ist sowieso noch lang. Das kann sich alles noch drehen und wenden.

In der zweiten Hälfte des Spiels geht es dann schon mehr zur Sache. Potsdam will den Ausgleich, während Wolfsburg den zweiten Treffer anstrebt. Dementsprechend zweikampflastig ist das Spiel. Nach einer Ecke rasseln Pia und Lia mit den Köpfen zusammen. Beide gehen direkt zu Boden. Wäre ich jetzt zu Hause oder besser gesagt, wäre ich nicht die Co-kommentatorin, hätte ich wahrscheinlich aufgeschrien. Das sah nicht wirklich gut aus. Hoffentlich täuscht die Perspektive. Roman redet sich erstmal Kopf und Kragen, ob man die beiden auswechselt oder nicht. Letztendlich wird Pia ausgewechselt, aber Lia kann weiter spielen. Es scheint alles okay zu sein, aber trotzdem bin ich etwas beunruhigt.

In den nächsten Minuten versuche ich Lia unauffällig zu beobachten. ,,Du beobachtest Lia Wälti aber gerade ziemlich genau. Sehe ich das richtig?“, fragt Roman. So viel zum Thema unauffällig. ,,Äh. Die Gesundheit der Spielerinnen geht schon vor. Ich weiß nicht, wie gut es ist, dass sie weiter spielt, denn der Zusammenprall sah schon heftig aus. Ich wollte nur Mal schauen, ob es nicht doch besser wäre, sie auszuwechseln. Obwohl ich dazu natürlich keine Macht habe“, versuche ich mich rauszureden. Stimmt ja eigentlich auch. Warum ich jetzt so besorgt bin, hat ihn ja nicht zu interessieren. ,,Ihr seht euch schon noch ziemlich oft, auch wenn ihr jetzt bei verschiedenen Vereinen spielt“, bemerkt Roman. Der Typ wird mir gerade irgendwie unsympathisch. Was geht ihn das an? Das kann ihm doch egal sein, mit wem ich mich treffe! ,,Wenn man zusammen in einem Verein spielt, entsteht oft eine gute Freundschaft. Diese hält natürlich auch über die Vereinsgrenzen hinaus“, verteidige ich mich.

Das restliche Spiel kommentieren wir wieder normal weiter. Dann ist Schluss. Wolfsburg hat gewonnen und zieht so ins Halbfinale vom DFB-Pokal ein. Ich werde noch von dem Headset befreit und verabschiede mich dann von Roman und dem restlichen Technikteam. ,,War schön. Kannst gerne nochmal co-kommentieren“, meint Roman. ,,Ich bin dabei“, antworte ich. Allerdings nur, wenn es einen anderen Kommentator gibt. Das sage ich aber nicht laut. ,,Dann tschüss“, sage ich. ,,Tschau. Sieh zu, dass du Lia noch siehst, bevor sie wegfahren“, erwidert Roman augenzwinkernd. Ist das jetzt sein Ernst? Habe ich Lia doch so krass auffällig beobachtet? Ich dachte ich habe mich einigermaßen zusammenreißen können. Egal, soll der Typ denken, was er will. Er hat ja keine Bestätigung zu irgendwas. Kopfschüttelnd mache ich mich auf den Weg zum Stadioneingang, um dort auf Lia zu warten.

No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt