14 | Viele Gedanken & eine Diagnose

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Am nächsten Vormittag wird dann das MRT gemacht. Um ehrlich zu sein habe ich Angst davor. Was wenn es ein Kreuzbandriss ist? Das wär eine Ausfallzeit von neun Monaten. Und wenn am Innenband auch noch etwas ist, dann wahrscheinlich noch länger. Ich würde so lange ausfallen. Ich würde dem Verein so lange fehlen. Und ich könnte mein Ziel, endlich Champions League zu spielen nicht erreichen. Zumindest nicht diese Saison. Selbst wenn wir ins Finale kommen würde, würde ich das verpassen. Obwohl ich gerade gar nicht genau weiß, wann das ist. Aber eigentlich ja schon ziemlich früh, weil ja Anfang August die Olympischen Spiele sind.

,,Frau Rauch, es ist dann soweit“, eine Krankenschwester kommt in mein Zimmer, um mich fürs MRT abzuholen. Ich lege mein Handy auf den Nachttisch. Tabbi und Lia sind gestern bevor sie zu mir gekommen sind, noch bei dem Hotel vorbei gefahren, in dem wir waren. Sie haben die Mannschaft sogar noch erwischt, so dass Svenni ihnen meine Tasche noch mitgeben konnte.

Im MRT Raum angekommen werden noch alle Dinge abgecheckt und dann geht es für mich in die Röhre. 

In diesen zwanzig Minuten kreisen meine Gedanken um die verschiedensten Dinge: von Wolfsburg über Kreuzbandrisse bis hin zu Lia. Lia, sie war gestern so fertig. Ich glaube sie ist davon ausgegangen, dass ich gemerkt habe, dass sie mich zu Fall gebracht hat. Nur dass ich das eben nicht mitbekommen habe. Ich war so auf den Konter fixiert, dass ich mir nicht Mal Gedanken darüber gemacht habe, wer da jetzt hinter mir her ist. Im Prinzip hätte es ja jede Spielerin von Turbine sein können. An Lia hätte wahrscheinlich am wenigsten gedacht. Aber wahrscheinlich ist sie deswegen nicht zu mir rüber gekommen und sich zu erkundigen, was passiert ist, wie es viele andere gemacht haben, weil sie einfach nicht konnte. Ich kann das total verstehen. Mir wäre es wahrscheinlich ähnlich ergangen. Und ich habe ja gesehen, was sie sich für Vorwürfe gemacht hat. Dabei war das absolut nicht nötig. Es ist einfach passiert und wenn es nicht Lia gewesen wäre, dann wäre es eine andere Spielerin gewesen und ich würde trotzdem hier liegen. Und als sie dann gestern zu mir ins Krankenhaus gekommen sind und sie gar nicht mitkommen wollte, weil sie sich solche Vorwürfe gemacht hat und es ihr so Leid tat. So im Nachhinein geht mir das echt Nahe. Ich glaube, das ist ein Moment, den ich nie wieder vergessen werde. Ich weiß nicht warum, es war ja nicht Mal schön, aber für mich unglaublich berührend. Und trotz dessen, dass ihre Augen komplett verweint waren, sah sie so hübsch aus mit ihrem unordentlichen Dutt, der schwarzen Jogginghose und dem hellrosanen Sweatshirt. So fertig und verletzlich und dennoch so wunderschön.

Durch das Herausfahren aus der Röhre würde ich in meinen Gedanken unterbrochen. Jetzt wird es ernst. Jetzt ist klar, was es ist. Habe ich Glück und es ist doch kein Kreuzbandriss? Oder ist es doch schlimmer als gedacht und es ist Kreuzbandriss und weiß nicht was noch dazu? Ich will es ehrlich gesagt gar nicht wissen.

Ich werde in ein andres Behandlungszimmer gebracht und wenige Minuten später kommt Dr. Wolf dazu. Sein Blick sieht nicht gerade positiv aus, aber vielleicht täuscht das ja nur oder er schaut immer so. Er setzt sich an den Schreibtisch und fährt den Computer hoch. Dann dreht er den Bildschirm so rüber, dass auch ich ihn sehen kann. ,,Hier sieht man Ihr Kreuzband und Ihr Innenband“, beginnt er. Ich nicke langsam. Ich muss kein Facharzt, um zu erkennen, dass das Kreuzbandriss durchgerissen ist. ,,Ihr Kreuzband ist, wie ich es schon vermutet habe, gerissen und Ihr Innenband ist angerissen“, erklärt Dr. Wolf. Es war so klar. Und trotzdem bricht eine Welt in mir zusammen. Kreuzbandriss, ein Wort mit drei Silben und dreizehn Buchstaben. Dreizehn, meine und Lias Trikotnummer! Jetzt ist es offiziell, mein Kreuzband ist gerissen und ich bin offiziell raus für bestimmt neun Monate. ,,Jetzt stellt sich noch die Frage, ob wir Sie operieren oder eine konservative Behandlung durchführen. Ich persönlich würde zu einer Operation raten. Schließlich ist Ihr Kreuzband ganz durchgerissen“, meint er. ,,Ich kann das jetzt nicht alleine entscheiden. Ich muss da erstmal mit meinem Trainer und meinem Physiotherapeut reden. Die müssen das entscheiden“, sage ich. ,,Schaffen Sie es das bis heute Nachmittag zu klären?“ ,,Ja, klar“, antworte ich und frage mich gleichzeitig, warum ich das jetzt klären muss.

Einige Telefonate später steht fest, dass ich operiert werde. Aufgrund dessen, dass mein Kreuzband durchgerissen ist, ist eine Operation der sinnvollste Weg. Die Operation wird auch hier in Potsdam gemacht und erst danach geht es für mich zurück nach Wolfsburg. Ich habe auch dafür gesorgt, dass Dr. Wolf in Kontakt mit Stephan und dem Physiotherapeuten treten kann. So muss nicht alles über mich laufen. Dafür habe ich absolut keinen Nerv mehr.

Am frühen Nachmittag kommt bei mir Langeweile auf. Ich liege, bzw. sitze hier, kann mich nicht bewegen und habe noch nicht Mal Zeug von der Uni dabei. Das einzige was ich tun kann, ist mir Gedanken über das alles hier zu machen.

No 13 - Move the Ball with Joy // Feli Rauch FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt