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3 Jahre später...

„AVA?", jemand schüttelte an ihrer Schulter. Langsam und blinzelnd öffnete sie die Augen und sah sich um. Sanft fiel das Licht der untergehenden Sonne in ihr Zimmer. Die Vorhänge waren geöffnet und ließen den Blick auf die verschneite Landschaft vor Anderson fallen.

Nur ein Traum. Einatmen - Ausatmen.

An ihrem Bett saß Lizzy und schaute sie erschrocken an. Ihre braunen Haare umrahmten das runde Gesicht. Sie musste gerade erst nach Hause gekommen sein, denn sie trug noch ihre Kleidung aus der kleinen Bar, in der sie nachmittags aushalf.

„ Wie spät ist es", Avas Stimme klang genauso, wie sich fühlte... scheisse... ein besseres Wort fiel ihr nicht ein, um den Zustand zu beschreiben in dem sie sich gerade befand.

„ Es ist 15 Uhr Ava... wie kann man nur so lange schlafen...?", Lizzy schüttelte den Kopf und marschierte aus dem Zimmer.
Na toll... wahrscheinlich war sie sauer, weil Ava mal wieder ihre Schicht im Diner verpasst hatte. Lizzy hatte lange mit ihrem Chef reden müssen ,um ihr diesen Job zu besorgen und nun vermasselte sie alles. Mal wieder.

„ FUCK", wütend stand Ava auf und starrte aus dem Fenster. Es war kurz nach Neujahr und sie hatte sich bis heute nicht an die Zeiten in diesem fernen Land gewöhnen können.

Alaska

Sie wollte schon als Kind immer gerne hierher kommen. Wilde Wälder, Natur, Freiheit...
nichts davon war wahr... na gut. Die Wälder gab es, aber frei war sie trotzdem nicht. Würde sie wohl nie sein.

Seufzend strich sie sich die zerwühlten Haare aus dem Gesicht und ging zu ihrem Kleiderschrank. Sie zog eine zerschlissene Jeans und einen schwarzen Strickpullover aus dem Schrank. Unterwäsche, dicke Wollsocken, BH... Gott wie sie diese Klamotten hasste.

Es war kurz vor Vollmond und ihre innere Natur stand kurz davor zu zerbersten. In dieser Zeit fiel es ihr steht's am schwersten ihre Tarnung aufrecht zu erhalten. Aber sie durfte einfach nicht riskieren, dass sich der Vorfall in Deutschland wiederholte und setzte alles daran einfach nur ein Mensch zu sein.

Von draußen drang der Duft nach frisch aufgesetzten Kaffee zu ihr. Selbst wenn sie sauer war, konnte Lizzy einfach nicht aufhören sie zu bemuttern. Ava verstand zwar nicht wieso, aber sie hatte auch nicht groß Interesse daran, etwas daran zu ändern. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hatte sie so etwas wie ein zu Hause und eine Freundin. Anschluss an die Welt. Sie genoss es in vollen Zügen. Lächelnd verließ sie ihr Zimmer mit der Kleidung im Arm und ging den schmalen Flur hinunter zum Bad.

Ihrem Zimmer gegenüber lag Lizzys Reich und am Kopf des Flurs das riesige und gemütliche Bad. Sie trat ein und schloss die Tür. Unter der Daschräge in der Ecke stand die freistehende Badewanne. 1 Jahr hatten sie und ihre Freundin gespart um sich diesen Luxus zu gönnen. Die Wanne stand genau unter dem Dachfenster, sodass man beim Baden einen atemberaubenden Blick auf die Baumwipfel und den Himmel hatte. Manchmal hatten sie sogar das Glück von hier aus die Nordlichter beobachten zu können.

Jetzt schien der fast volle Mond durch das Fenster und erhellte den Raum in einem milchig blauen Licht. Ava seufzte und schloss die Augen. In ihr erzitterte es... sie schüttelte den Kopf und entschied sich für eine kalte Dusche. Sie musste ihre Gedanken frei bekommen.
Auf dem Hocker neben der Badewanne fand sie Platz für ihre Kleidung. Sie zog sich aus und stieg in die bodentiefe verglaste Dusche. Als sie das Wasser anstellte trieb es ihr jeglichen Atem aus der Brust. Eine kalte Dusche ist definitiv NICHTS, was sie gerne tat.

Sie legte die Stirn an die Glaswand und bewegte sich nicht bis ihr Gliedmaßen vor Kälte schmerzten.
Dann endlich stellte sie die Dusche wärmer und shampoonierte sich die Haare. Aus den Augenwinkeln konnte sie im sich langsam beschlagenden Spiegel gegenüber ihren Körper erkennen.

Ihre Haare reichten ihr bis zur Hüfte. Sie war schlank, hatte hier und da die richtigen Kurven. Kleine Brüste zierten ihren Körper. Die meisten Menschen empfanden sie wohl als schön, wenn sie sich die Reaktion von einigen durch den Kopf gehen ließ. Sie selbst sah sich völlig neutral. Nur eines an sich empfand sie als perfekt. Auf ihrem rechten Oberschenkel tattöwiert war eine schwarz weiße Wölfen zu sehen. Es schien als würde sie jeden misstrauisch beäugen. Dieses Kunstwerk, war wohl die riskanteste Aktion ihres Lebens gewesen, aber sie wollte dies so sehr. Eine kleine Erinnerung nur für sich alleine, dass sie dem Drang schließlich nachgab als sie gerade 21 Jahre alt geworden war. 1 Jahr später hatten sie sie gefunden und nun lebte sie hier am Ende der Welt.

Jetzt war sie 25 Jahre alt und dennoch bereute sie es nicht.

Sie stellte das Wasser ab und trat in das vernebelte Badezimmer. Schnell trocknete sie sich ab, zog sich an und föhnte ihre Haare. Mit einem Zopfgummi band sie sich einen losen Dutt und putze sich die Zähne.
Danach lief sie runter ins Erdgeschoss zu Lizzy und musste unwillkürlich grinsen.
Auf dem Tisch standen neben Rührei und Bacon, ihr heiß geliebter Kaffee, Brötchen und Lachs.
Lizzy war nirgends zu sehen. Ava trat näher an den Tisch und sah, dass auf ihrem Teller ein Zettel lag.

Wehe du isst nicht auf. Ich bin immer noch sauer. Lizzy

Sie musste auflachen. Lizzy hatte eine merkwürdige Art ihrer Wut freien Lauf zu lassen, aber es tat seine Wirkung. Das schlechte Gewissen nagte an Ava, während sie ihr Frühstück verschlang und ihren Kaffee genoss.

Sie sollte in den Laden gehen und schauen, ob sie sich irgendwie bei ihrem Chef wieder gut stellen konnte.
Seufzend räumte sie den Tisch ab und wusch das Geschirr. Danach legte sie Lizzy einen Zettel auf den Tisch.

Bin im Jonnyˋs. Bis später.

Vom Mond geküsstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt