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Der nächste Morgen begann bereits zu grauen, als Ava gedankenverloren einen Kaffee trank. Die ganze Nacht hatte sie den beiden Heilern geholfen. Sie hatte Wunden gesäubert, Schnitte genäht, gebrochene Knochen gerichtet. Einmal musste sie Ben sogar helfen den Arm eines jungen Wolfs, Ava schätzte ihn auf gerade einmal 18 bis 19 Jahre, erneut zu brechen. Die Wundheilung der Wölfe war enorm und so war sein Arm falsch zusammen gewachsen. 

Sie schaute auf die kleine, rotleuchtende Uhr am Ofen: 8.55 Uhr. Sie trank noch einen Schluck Kaffee und legte die Stirn auf die kalte Tischplatte. Die Müdigkeit in ihren Knochen wollte einfach nicht vergehen, aber sie wollte erst ruhen, wenn alle aus dem Rudel versorgt waren. Nur eine Sekunde schloss sie die Augen, eine kleine Auszeit...

"Ach Ava....", sanft strich jemand eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und sie schoss wie vom Blitz getroffen hoch. Die Sonne schien bereits hell am Himmel und ihr Kaffee stand vergessen und kalt neben ihr. Blinzelnd sah sie sich um und bemerkte Ethan, der neben ihrem Stuhl kniete und sie müde ansah. 

"Wie spät ist es?", ihre Stimme klang in ihren Ohren kratzig und rau. Als hätte sie die Nacht feiernd in einem Club verbracht und wäre jetzt völlig verkatert aufgewacht. Aber sie hatte nicht gefeiert, schoss es ihr durch den Kopf. Wieder sah sie die blutigen Körper, die rotblühenden Augen, hörte die Schüsse, sah wie Liza fiel. 

Ihr Körper begann zu beben. Sie merkte nicht, wie Tränen in Sturzbächen ihre Wangen hinunter liefen und langsam zu Boden tropften. Völlig verwirrt starrte sie auf die feuchten Flecken und sah Rat suchend zu Ethan. 

Er nahm sie ohne ein Wort zu sagen in den Arm und sandte ihr beruhigende Gedanken und Gefühle. Er versuchte ihr die schwere Last der Schuld zu nehmen und sie wieder ins Hier und Jetzt zurück zu bringen. 

"Komm kleines Kätzchen, wir sollten nach Hause gehen...", auch er war seit dem Angriff nicht zur Ruhe gekommen, das spürte sie genau. Die Trauer lag in seinem schwerem Blick. Er wirkte angespannt und ruhelos. Dennoch sprach aus ihm all die Kraft, die Ava sich von sich selbst jetzt wünschte. Während sie stumm weinte und zusammenbrach, stand er noch mit seiner Kraft vor ihr. Während sie einschlief und kraftlos auf dem Tisch lag, stand er stolz hier. Sie schämte sich beinahe neben ihn zu treten. 

Wütend runzelte der Wolf die Stirn und knurrte sie an. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie dieses Knurren vermisst hatte und schmunzelte kurz auf. Wie schnell sich die Dinge doch in den wenigen Tagen geändert hatten. Vor einer Woche noch war sie ein unscheinbares Ding irgendwo in Alaska und arbeitete in einem Diner, nun stand sie hier und... sie stockte. 

Ja, tatsächlich und sie liebte einen Werwolf, einen Lykaner, einen wie ihr eigener Vater gewesen war. 

Ava stand auf und bevor Ethan sie zurecht weisen konnte, wegen ihrer Gedanken presste sie ihre Lippen auf seine. Er zögerte nicht eine Sekunde und schloss sie fest in seine Arme. Hielt sie einfach nur fest und genoss den Moment.

"Ich hatte solche Angst dich zu verlieren, dass ich dich nie wieder sehe!", immer mehr Tränen sammelten sich bei ihren Vorgängen und rannten kleine, nasse Wettrennen an ihren Wangen entlang. Ihr Wolf strich sie sanft weg und hielt ihren Kopf ins seinen Händen, legte die Stirn an ihre und sah ihr tief in die Augen. In seinem Blick sah sie alles, was er bisher nicht ausgesprochen hatte, um sie nicht zu überfordern. Sie erkannte die tiefe Verbindung, die sie mit ihm als seine von der Mondgöttin auserkorene Gefährtin teilte. Sie konnte sich Nicos Schmerz nicht mal im Ansatz vorstellen, während sie hier stand und beim bloßen Gedanken, dass Ethan auch an Lizas Stelle hätte sterben können, panisch an ihr Herz griff, weil es drohte zu zerspringen. 

Ethan hatte es geschafft all ihre Mauern niederzureißen und sich in ihr Herz zu stehlen und mit einem Mal wurde ihr zum ersten Mal wirklich bewusst, was das hieß. 

"Ich liebe dich, Ethan...", ihre Worte kamen so leise und ängstlich über ihre Lippen, dass sie sie beinahe selbst nicht hören konnte. Er starrte sie nur weiter an und sagte kein Wort. Ängstlich leckte sie sich über die Lippen und senkte den Blick. Hatte sie sich etwa geirrt? 

Er griff nach ihrem Kinn und zwang sie sanft wieder nach oben zu schauen. In seinem dunklen Augen leuchteten die haselnussbraunen Sprenkel. Sie fühlte, wie er durch das Band, das sie mit ihm verband, griff und sie in seine Erinnerungen zog. 

Sah wie er sich vorm Jonny's verwundert umsah, als ihr Duft an seine Nase drang. Spürte die Wut in ihm, als er bemerkte, was der Gast mit ihr tat. Sie hörte die Gespräche mit seinen engsten Vertrauten, als er ihnen berichtete wer sie für ihn war... Alle Momente, die sie miteinander verbanden fühlte sie nach. Am Ende stand sie keuchend und außer Atem in seine Arme gelehnt und begann wieder bitterlich zu weinen. Seine Gefühle für sie waren beinahe zu viel. 

"Du bist mein Leben, Ava. Ich liebe dich mit jeder Faser in mir. Ich liebe alles an dir. Deinen Stolz und deine Sturheit und wie deine Augen zu glühen beginnen, wenn du die Fassung verlierst. Und hätte ich dich nicht schon vorher geliebt, hätte ich es getan, als du dich um mein Rudel gekümmert hast. Du hast meine Familie geheilt und getröstet als ich nicht da war, Ava. Das bedeutet mir unendlich viel.", seine Worte glitten seidig und warm durch sie hindurch und Ava konnte nicht anders, als ihn wieder zu sich zu ziehen. Von alleine fanden ihre Lippen ihren Weg zu seinen. Für einige Momente standen sie nur da, hielten einander im Arm und waren glücklich, den anderen bei sich zu haben. 

Ich bin endlich zu Hause.....

Vom Mond geküsstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt