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"Weißt du, wenn ich nicht wüsste, dass Wölfe für ihre Gefährtinnen sterben würden, hätte ich gerade echt Angst, dass du ein Massenmörder sein könntest!", zitternd rieb Ava sich die eiskalten Hände und schaute sich um. Die Sonne war schon längst untergegangen und mit jeder Sekunde sanken die Temperaturen. 

Nachdem Ethan sie am Tisch gebeten hatte mit ihm zu kommen, hatte sie sich zwar auf seinen Rat hin wärmer angezogen und war von Liza mit einem dicken Wollmantel und Handschuhen versehen worden, aber nach der Stunde, die sie ihm nun schon durch den dichten Wald folgte, war sie völlig durchgefroren. Sie spürte durch das Band zu ihm, wie aufgeregt er war. Es war beinahe als wäre er ein kleiner Junge, der sich am Weihnachtsmorgen kaum noch halten konnte vor Enthusiasmus. Sie wollte ihm diese Freude nicht nehmen und das war der einzige Grund warum sie nicht laut jammernd hinter ihm her stapfte. 

"Wer sagt denn, dass es nicht auch Wölfe gibt, die nicht alles für ihre Gefährten tun würden?", fragte er sie lachend. Die Dunkelheit im Wald war trotz des Vollmonds erdrückend und so sah Ava nicht, dass ihr Vordermann stehen geblieben war, um sie zu mustern. Erst als sie ungebremst mit dem Gesicht in seiner Brust kollidierte, bemerkte sie seine Pause. Fluchend rieb sie sich die Nase und schaute zu ihm hoch, aber selbst aus dieser kleinen Entfernung konnte sie sein Gesicht nicht erkennen und dabei hatte sie verglichen mit Menschen sehr gute Augen und konnte sich auch nachts noch gut zurecht finden. Dieser Wald allerdings war so dicht, dass sie kaum noch ihre eigene Hand erkennen konnte.

"Alles okay?", sie spürte seine warme Hand auf einmal an ihrem Arm und als sie seinen warmen Atem an ihrer Wange spürte, bemerkte sie, dass er sich zu ihr hinunter gebeugt hatte. "Ich kann kaum noch was sehen Ethan. Sind wir bald da?", antwortete sie ihm und zuckte mit den Achseln. Sie hörte ihn für einen Moment verdächtig fluchen. "Steig auf meinen Rücken. Es dauert zwar nicht mehr lange, aber dir traue ich zu, dass du dir auf dem Weg noch was brichst."

Entrüstet schlug sie ihm auf das, was sie für seinen Arm hielt, nahm aber sein Angebot an und tastete sich an ihm entlang, um auf seinen Rücken zu klettern. Sie spürte, dass er in die Hocke gegangen war, um ihr zu helfen und schaffte es schließlich trotz der Dunkelheit. 

"Bereit?", fragte Ethan sie und drückte ihre Beiner fester um seine Taille. "Bereit.", sagte Ava entschlossen und klammerte sich etwas enger an ihn, als er loslief. Er schien mit der Dunkelheit überhaupt keine Probleme zu haben und raste zwischen den Bäumen und dichten Wurzeln durch den Wald. Ihr wurde schwindelig von der Geschwindigkeit und sie presste ihr Gesicht in seinen Nacken, um sich vor dem Wind zu schützen. Der Wolf unter ihr knurrte scheinbar zufrieden auf und bog schließlich auf eine Lichtung. Erleichtert atmete sie auf, als sie endlich wieder sehen konnte und hielt sofort wieder den Atem an. Ethan hatte sie auf eine wunderschöne Lichtung geführt. Die eine Seite wurde durch einen träge fließenden Fluss begrenzt, während die andere durch hohe Steinwände des dahinter liegenden Berges geschützt wurde. Der Mond erleuchtete alles um sie herum in einem magischen Schimmer. Sie hatte noch nie einen so wunderschönen Ort gesehen. Während sie von Ethan herunterkletterte, sog sie den Anblick in sich ein. "Ethan, das ist unglaublich!", flüsterte sie und drehte sich strahlend zu ihm um. 

Er antwortete nicht sondern sah sie nur lange an, bevor er ihr wieder seine Hand hinhielt. Sie nahm sie ohne zu zögern und ließ sich von ihm über diesen magischen Ort führen. Erst jetzt bemerkte Ava, dass an der Mauer eine Blockhütte stand und erkannte, dass jemand schon hier gewesen war. Vor ihnen wurden aus 4 Wolfsspuren die Fußabdrücke eines Menschen, die direkt zu der Hütte führten, in der das warme Licht eines Kamins leuchtete. Auf der kleinen Veranda angekommen, öffnete Ethan ihr die Tür ins Innere und führte sie hinein. Heimelige Wärme umfing sie direkt und vertrieb nach und nach die Kälte der Nacht aus ihren Knochen. Die Inneneinrichtung bestand aus handgefertigten Eichenmöbeln. Das Erdgeschoss bildete einen riesigen Raum mit dem Wohnzimmer, einer offenen Küche und einem Flur, der förmlich ins Innere des Berges zu führen schien, vor dem die Hütte erbaut worden war. Erstaunt entdeckte Ava beim Nähertreten, dass es tatsächlich so war. Die Wände verschmolzen nahtlos mit der Steinmauer. Nur der Holzboden führte weiter in den Berg hinein. 

Sie entledigte sich mit Ethans Hilfe ihrer Jacke und sah sich weiter um. An einer Wand konnte sie handgemalte Ölgemälde ausmachen. Darunter stand ein riesiger Fernseher und davor eine lederne Couch mit Eichengestell. 

"Unglaublich...", sagte Ava wieder und schaute zu dem Wolf hinter sich. Er lächelte sie tief an, während sie sich umsah. Seine Augen fixierten jede ihrer Bewegungen und sie merkte, wie sie förmlich heiße Spuren auf ihrem Körper hinterließen. Ihre Wangen begannen zu brennen und sie sah schnell weg. Ihr Blick fiel auf den steinernen Kamin. Auf seinem Sims standen einige kleine Bilder und neugierig ging sie hinüber. Eines der Bilder zeigte die schwarz, weiße Fotografie einer 5 köpfigen Familie. Die beiden Eltern waren hochgewachsene Menschen. Der Mann war das reinste Klischee eines Cowboys. Stiefel, Leinenhose und ein Cowboy Hut in der einen Hand, während die andere auf der Schulter des Kunden vor ihm lag. Die Frau hingegen trug ein elegantes Kleid und ein Halstuch. Ihre Haare fielen ihr offen und lockig über den Rücken. Auf ihrer Hüfte trug sie ein schwarzhaariges Mädchen, dass eine ihrer Haarsträhnen in der Hand hielt und sie anlächelte. Die Jungen waren um die 10 Jahre alt. Beide recht groß gewachsen mit kurzen Hosen und einem breiten Lächeln im Gesicht. Ava nahm das Bild in die Hand und drehte sich zu Ethan um. 

"Bist das etwa du?", fragte sie ihn erstaunt mit einem Blick auf das Datum, dass jemand in wunderschöner Handschrift auf den Holzbilderrahmen geschrieben hatte - 1859.

Bedächtig nahm der Wolf ihr das Bild aus der Hand und stellte es zurück an seinen Platz auf dem Kaminsims. Fast als hätte er den größten Schatz der Menschheit in der Hand. "Ja das ist meine Familie. Samantha ist da gerade erst 3 Jahre alt. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie nervig sie damals war.", er lachte bei der Erinnerung auf und fuhr sich durch die eigenen schwarzen Haare. 

"Aber, das heißt ja, dass du fast 200 Jahre alt bist!", sie sah ihn geschockt an. Sie wusste, das Werwölfe eine enorme Lebenserwartung hatten und dass die ersten ihre Art an die tausend Jahre alt geworden waren, aber mit der Zeit verdünnte sich ihr Blut immer mehr und ihres Wissens nach, gab es kaum noch Wölfe die über 200 Jahre alt werden konnten. 

"171 Jahre um genau zu sein.", er wirkte beinahe stolz auf sein Alter und grinste sie an. 

"Naja. Du scheinst dich recht gut gehalten zu haben. Zumindest erklärt das, warum du so langsam warst im Wald!", lachte Ava auf. Sie hielt sich den Bauch als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Ein entrüsteter Werwolf war einsam zu amüsant für sie.

"Langsam? Ich musste ja fast kriechen damit du auf deinen kleinen Opiekun Beinen hinterher kommen konntest!", langsam kam er auf sie zu und gab damit den Startschuss für ein Wettrennen um die Couch. Ava stoppte die kurze Seite des Möbelstücks zwischen sich und ihm. 

"Halb Opiekun, wenn ich bitten darf, HUND!", herausfordernd grinste sie an und spiegelte all seine Bewegungen. Er knurrte sie an und machte plötzlich einen Satz quer über die Couch auf sie zu. Bevor sie reagieren konnte, hatte er sie geschnappt und sich über die Schulter geworfen. "Ich werde dir noch zeigen, wer hier ein Hund ist.", gespielt sauer schleppte er sie in die tiefen des Berges, während sie nur immer weiter über ihn lachen konnte. 

"Wau, wau!"

Vom Mond geküsstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt