Kapitel 28

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Als Michi vor dem Haus meiner Großeltern einparkt, sieht man ihm die Nervosität schon deutlich an. Nach dem Aussteigen gehe ich zu ihm und flüstere ihm ins Ohr: „Hey, meine Großeltern werden dich lieben – keine Sorge." Er lächelt mich dankbar an, aber ich merke, dass sein Puls wohl so schnell nicht sinken wird. Er folgt meinem Vater und mir zur Tür und wartet aufgeregt darauf, dass sie jemand öffnet. Als meine Oma die Tür aufmacht, nehme ich seine Hand und drücke sie leicht, um ihm zu signalisieren, dass alles gut wird. „Hey Oma, das ist mein Freund Michi, Michi das ist meine Oma", stelle ich die beiden einander vor. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen", sagt Michi etwas schüchtern. „Bitte nenn' mich doch Anne", sagt sie und zieht in sofort in eine herzliche Umarmung. Als sie sich voneinander lösen, merke ich, dass Michi schon etwas beruhigter ist. Danach umarme ich sie auch noch und wir gehen hinein. „Hey Opa", sage ich und umarme ihn ebenfalls. „Das ist Michi, mein Freund." „Freut mich sehr, dich kennenzulernen Michi. Ich bin Frank", sagt er und schüttelt ihm freundlich die Hand. „Hey Dad", sagt mein Vater, sichtlich glücklich ihn zu sehen, und nimmt ihn auch in die Arme. „So, kommt mit ins Esszimmer – das Essen ist schon fertig.", scheucht uns meine Oma durchs Wohnzimmer, wo der wunderschön dekorierte Weihnachtsbaum steht.

„Wow, das Essen ist wirklich sehr gut", lobt Michi meinen Opa, der immer das Kochen übernimmt. „Oh ja", stimme ich zu – auch mein Vater nickt begeistert, weil er vor lauter Essen im Mund nichts sagen kann. „Freut mich, dass es euch schmeckt. Michi erzähl doch mal was über dich. Was machst du beruflich?" „Ich mache gerade meinen Facharzt in der Gynäkologie." „Oh, sehr interessant", sagt mein Opa und sieht mich mit einem fragenden Blick an. „Ja, es wäre mir eh recht, wenn er sich einen anderen Beruf ausgesucht hätte." In meiner Familie wissen alle von meiner Medizinphobie Bescheid. „Aber ich finde, dass wir das mit deiner Angst schon relativ gut im Griff haben. Es wird besser, finde ich." Ich nicke zögerlich. „Wo habt ihr euch denn kennengelernt?", fragt nun meine Oma. „Bei einem Konzert von Jackies Lieblingssängerin. Ich hab' mich sofort in ihre Augen verliebt, die immer so süß strahlen, wenn sie lacht." Meine Oma lächelt entzückt und schaut zu meinem Opa, der auch ziemlich zufrieden aussieht. Meine Großeltern mögen nicht jede Person, also ist es ein ziemliches Kompliment an Michi, dass sie ihn anscheinend gut leiden können. Wir unterhalten uns noch ein bisschen weiter über unsere Beziehung und wechseln dann das Thema zum Seniorentreff. Es ist echt herzerwärmend meinen Großeltern beim Erzählen zuzusehen und zu beobachten, wie sehr sie sich nach all den Jahren immer noch lieben. Für wann hättet ihr denn den Berg geplant?", fragt mein Vater nach einer Weile. „Vielleicht gleich heute Nachmittag?" „Klingt gut", sagt mein Vater, als es an der Tür klingelt. Alle am Tisch schmunzeln sich zu. Hä? Was ist hier los? „Magst du nicht vielleicht aufmachen gehen, Schätzchen?", fragt mich meine Oma. Etwas perplex stehe ich auf und gehe zur Tür. Als ich sie öffne, kann ich meinen Augen nicht trauen.

„Hallo Schwesterherz" Ich falle meinem Bruder sofort in die Arme und bin total überrascht, weil ich fest damit gerechnet habe, ihn dieses Jahr nicht mehr zu sehen. Mir steigen die Tränen auf. „Ich hoffe, das sind Freudentränen", sagt er scherzhaft. „Du bist so ein Idiot", gebe ich zurück, umarme ihn nochmal und lasse ihn rein. „Wusstet ihr, dass er kommen wird?" Unschuldige Blicke spiegeln sich auf allen Gesichtern wider, aber ich weiß natürlich, dass sie es wussten. Selbstverständlich bin ich ihnen aber nicht böse, sondern einfach nur sehr froh, dass es mein Bruder doch noch geschafft hat zu kommen. „Felix, das ist mein Freund Michi, Michi das ist mein Bruder Felix", stelle ich die beiden einander vor. „Irgendwie kommst du mir bekannt vor", sagt mein Bruder leicht verwirrt. „Ja, du mir auch. Warst du vielleicht mal bei einem Kongress? Ich bin auch Arzt." „Welche Fachrichtung?" „Gynäkologie – Jackie hat mir erzählt, dass du Urologe bist – kann schon sein, dass wir mal gemeinsam auf einem Kongress waren." „Ja, ist gut möglich... Auf welcher Uni hast du studiert? In Wien?" „Ja, genau. Warte, hattest du mal blonde Haare?" „Ja, tatsächlich." „Natürlich... wir hatten Anatomie zusammen im ersten Studienjahr." „Warte... Du bist DER Michi? Du schaust ja ganz anders aus. Warst wohl im Fitnessstudio, hm?" „Haha ja, stimmt. Früher war ich ein ziemlicher Lauch." „Klein ist die Welt, hm?" „Du hast dann gewechselt, oder?" „Ja, ich bin nach dem einen Jahr nach Amerika gezogen und habe das Studium dort beendet." „Macht Sinn, dass ich dich nach dem Jahr nicht mehr gesehen hab." „Ja haha, Jackie, ich glaube dein Freund und ich werden uns sehr gut verstehen." „Ja, echt cool, dass ihr euch schon kennt." „Schätzchen, es ist noch was vom Essen übrig. Magst du was, bevor es kalt wird?", bietet meine Oma Felix an. „Zu Opas Essen könnte ich doch nie Nein sagen." Jetzt ist meine Familie komplett – ich hätte mir keine besseren Feiertage wünschen können.

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt