Kapitel 31

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„Jackie, kann es sein, dass du nach dem Sex nicht, so wie ich es dir empfohlen habe, auf der Toilette warst? Und jetzt mach es uns bitte leichter und sag mir von Anfang an die Wahrheit." „Na gut, nein war ich nicht. Ich dachte mir, dass schon nichts passieren wird." „Wie unvernünftig kann man bitte sein? Wenn es um medizinische Dinge geht, solltest du echt beginnen, auf meinen Rat zu hören und nicht immer das zu tun, was du für richtig hältst – ich habe schließlich Medizin studiert und nicht du." Sie sagt nichts und schaut nur weiterhin auf den Boden. „Das muss jetzt auf jeden Fall behandelt werden. Ich hole Felix wieder rein, ja?" „Nein, bitte! Kannst du das nicht behandeln?", fleht sie mich praktisch an. „Schatz, Felix ist hier der Fachmann und ich hätte das gerne von ihm abgeklärt. Es tut mir leid, aber das muss jetzt sein."

Ich verlasse den Raum und hole Felix, der inzwischen in seinem Zimmer gewartet hat und erkläre ihm auf dem Weg zu Jackie kurz, dass sie ziemlich sicher eine Blasenentzündung hat, lasse jedoch dabei aus, dass es vermutlich durch den Sex dazu gekommen ist – alles muss er nun auch nicht wissen. Als wir zurückkommen, sitzt sie komplett verängstigt auf ihrem Bett. „Ok, weil du mir echt leidtust, gebe ich dir die Chance, in einen Becher zu pinkeln. Sollte das nicht klappen, muss ich dir einen Katheter legen und dir so die Urinprobe entnehmen und da gibt es dann auch keine Diskussion", sagt er, während er den Becher aus seiner Tasche holt, die er beim Rübergehen mitgenommen hat. Überraschend folgsam nimmt sie den Becher und verschwindet im Bad. „Hast du immer das ganze Zubehör mit?" „Ich bin gerne vorbereitet." „Verstehe. Deine Schwester ist echt stur, wenn es ums Medizinisches geht." „Das stimmt, aber ich kann's ihr auch nicht verübeln. Sie war als Kind ziemlich krank und lange im Krankenhaus, wo sie echt sehr viel über sich ergehen lassen musste. Dadurch hat sie jetzt vor allem Angst, was mit Ärzten und Krankenhäusern zu tun hat. Ich musste sie schon das ein oder andere Mal untersuchen und habe anfangs immer versucht, so verständnisvoll und lieb wie möglich mit ihr umzugehen, hab aber schnell bemerkt, dass man bei ihr streng sein muss, um durchzukommen – zumindest ist sie bei mir so. Ich bin aber generell eher die strengere Art von Arzt. Vor allem wenn die PatientInnen nicht kooperieren. Da muss man ihnen dann halt durch einen strengeren Tonfall zeigen, dass die Behandlung notwendig ist." „Ich muss zugeben, dass ich das nicht so gut kann, aber bei mir klappt's eigentlich meistens auch mit der sanften Art." „Bei Menschen die ich nicht kenne, funktioniert das bei mir eigentlich auch ganz gut. Jedoch werde ich bei PatientInnen, die mir wichtig sind, schnell mal beschützerisch und dadurch auch dominant." „Das kann ich gut verstehen – ich muss mich auch immer zusammenreißen." „Wahrscheinlich funktioniert das bei dir, weil du Gynäkologe bist. Ihr habt meist einen anderen Charakter, als wir aus den anderen Fachrichtungen." „Das mag stimmen", sage ich und muss etwas lachen.

Nach etwa einer viertel Stunde ist Jackie immer noch auf der Toilette, was mir langsam echt Sorgen bereitet. „Soll ich mal nach ihr schauen gehen?" „Ja, das wäre wohl eine gute Idee. Nicht, dass sie schon ohnmächtig geworden ist oder sowas." Also mache ich mich auf den Weg zum Bad und höre erstmal nur an der Tür – keine Geräusche sind wahrzunehmen. Auch als ich klopfe, kommt nichts zurück, worauf ich ein bisschen nervös werde. „Jackie? Alles ok?" Keine Antwort. Besorgt laufe ich zurück in ihr Zimmer und informiere Felix. Gemeinsam mit ihm und einem Ersatzschlüssel mache ich mich auf den Weg zum Bad. Mich wundert es echt, dass ihre Großeltern und Vater von dem bis jetzt noch nichts mitbekommen haben, aber die sind wahrscheinlich unten mit ihrer österreichischen Telenovela beschäftigt. Als Felix die Tür aufschließt, sehe ich Jackie schon am Boden liegen – ich messe sofort ihren Puls. Wir bringen sie in ihr Zimmer und legen sie aufs Bett. Als Felix gerade das Blutdruckmessgerät holt, wird sie wach. „Hey, na? Du bist in Ohnmacht gefallen. War dir die Situation wohl zu viel, hm?", sage ich sanft und streichle ihre Wange. Völlig verwirrt schaut sie sich im Raum um. „Was ist passiert?" „Du, meine Liebe, hast uns eine Blasenentzündung verschwiegen und ich werde dir jetzt einen Katheter legen, da das mit der Urinprobe ja nicht ganz so gut geklappt hat.", antwortet Felix bestimmt. „Nein, bitte nicht!" „Keine Diskussion. Hose runter und Beine auseinanderfallen lassen." Sie schaut Felix und mich ängstlich an. Als ich ihr helfen möchte, ihre Hose auszuziehen, schlägt sie meine Hände weg. „Na komm, Schatz. Das muss jetzt leider sein. Aber ich bin hier an deiner Seite und passe gut auf dich auf, einverstanden?" „Nein, Michi. Ich möchte das nicht." „Tja, darüber hättest du früher nachdenken müssen und jetzt Hose aus!", sagt Felix jetzt schon ziemlich dominant. „Aber..." „Hose aus!", sagt er nun gefährlich leise. Ihr rinnt eine Träne die Wange runter und sie sieht mich hilfesuchend an. Ich würde ihr das so gerne abnehmen, aber die Urinprobe ist nun mal wichtig, deshalb schenke ich ihr ein sanftes Lächeln und einen Blick, der sagt: Ich kann da jetzt leider auch nichts dagegen machen. „Na, wird's bald?", drängt Felix. Anscheinend hat sie inzwischen echt Angst vor ihm, da sie sich die Hose langsam auszieht.

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt