Kapitel 20

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Michis P.O.V.:

Während wir friedlich, kuschelnd auf der Couch liegen, überlege ich mir einen Plan. Da ich Jackie weitere Zäpfchen, so gut wie möglich, ersparen will, muss ich mir da was ausdenken. Man merkt, dass die Prozedur vorhin sehr anstrengend für sie war, da sie schon in den ersten fünf Minuten der Serie eingeschlafen ist, was für mich jedoch einen Vorteil darstellt, weil ich mir in Ruhe was überlegen kann. Ich schreibe einen guten Freund und Kollegen von mir aus der Pädiatrie an und frage, ob er heute zufällig in der Klinik ist. „Ja, ich bin da. Wieso?", antwortet er auf meine Nachricht. „Ich bräuchte deine Hilfe. Hättest du vielleicht heute Zeit?" „Ich könnte in einer halben Stunde Pause machen. Treffen wir uns in der Kantine?" „Perfekt. Danke Mann, bis gleich" Ich positioniere Jackie ganz vorsichtig auf eine andere Stelle, damit sie nicht aufwacht. Dann stehe ich leise auf und lege ihr einen Zettel auf den Küchentisch, auf dem steht: „Ich bin einkaufen. Ich liebe dich, bis später." und mache mich auf den Weg.

„Also, was brauchst du?", fragt mich David, als er mir den Kaffee gibt, den er gerade am Automaten für uns gekauft hat. „Danke, dass du hergekommen bist. Also, ich hab' dir ja schon von Jackie erzählt und was ihr beim Tanzen passiert ist, richtig?" „Ja?" „Genau, sie muss jetzt Schmerztabletten nehmen, kann sie aber nicht schlucken, da sie sich dabei übergeben muss. Ich hab' ihr also vorher ein Zäpfchen verabreichen müssen, was ihr jedoch gar nicht gefallen hat. Deshalb wollte ich fragen, ob es einen Saft gibt, der bei ihr wirken könnte." „Ich hoffe mal, dass sie kein Kind mehr ist" „Sehr lustig", sage ich leicht genervt. „Naja, bei Erwachsenen wirken die Säfte meistens nicht mehr. Ich könnte dir zwei verschreiben, die ihr probiert. Aber es könnte, wie gesagt, sein, dass die nicht wirken." „Danke David, du bist mein Retter." „Aber Michi, dir muss bewusst sein, dass sie, auch wenn der Saft jetzt wirkt, trotzdem bestimmt irgendwann mal Zäpfchen braucht." „Ja, aber ich möchte ihr das wenigstens dieses Mal ersparen – sie hat's eh schon so schwer, weil sie nicht mehr tanzen darf." „Das verstehe ich ja auch, aber es ist normal, dass Zäpfchen einem nicht gefallen. Wie viele Kinder, glaubst du, wollen keine verabreicht bekommen? Da ist es dann aber trotzdem wichtig, dass man ein bisschen strenger wird und den PatientInnen zeigt, dass das jetzt sein muss." „Ich kann da aber nicht so hart durchgreifen wie du." „Wenn es dir ums Wohl deiner Freundin geht, musst du das aber lernen. Sie weiß nicht, was medizinisch notwendig ist und was nicht, daher musst du ihr das zeigen. Wenn sie mal merkt, dass man das mit dir machen kann, wird sie immer so ein riesen Theater machen. Ich will ja nicht sagen, dass du sie übers Knie legen und ihr super grob das Zäpfchen reinschieben sollst, aber du weißt selber, dass ein bisschen Dominanz manchmal wichtig ist." „Wie schaffst du nur diese Balance aus dem netten Kinderarzt und dem dominanten Arzt?" „Du weißt, wie ich arbeite. Ich bin super einfühlsam und lieb, aber manchmal muss man sowie kleinen, als auch großen PatientInnen zeigen, dass bestimme Behandlungen sein müssen. Da bringt es leider oft nichts, sanft auf die Person einzureden. Wichtig ist: Nett beginnen und wenn nötig, etwas dominant werden, aber immer vorsichtig bleiben. Egal wie streng der Tonfall ist, die Behandlung muss trotzdem sanft sein." „Ich verstehe. Kannst du mir für dieses Mal trotzdem den Saft verschreiben?" „Ja klar, das zu üben, braucht ja auch seine Zeit. Warte hier – ich bin gleich wieder da."

Etwa zehn Minuten später kommt er mit einem Rezept zurück. „Hier hast du. Falls du mal wen brauchst, der ihr zeigt, wo's langgeht, ruf mich einfach an." „Danke Mann. Entspannten Dienst dir noch", sage ich zum Abschied und umarme ihn. Während des Heimwegs fahre ich schnell zum Supermarkt und stelle Jackie ein kleines Verwöhnpaket aus Snacks und Blumen zusammen. Danach mache ich noch einen Abstecher bei unserem Lieblingsitaliener und bei der Apotheke, bevor ich nach Hause fahre.

Als ich zuhause ankomme, schläft Jackie immer noch. Jedoch wacht sie auf, als ich das Essen auf dem Tisch abstelle. „Hey mein Schatz. Ich dachte mir, ich hol' uns noch was vom Italiener." „Aww, das ist ja super lieb von dir." „Nicht versuchen aufzustehen, ich bereite alles vor." „Das hätte ich mich nach heute Morgen sowieso nicht mehr getraut.", sagt sie halb zum Spaß, halb ernst. Ich gebe die Pizzas auf einen Teller und schenke uns was zum Trinken ein. Anschließen bringe ich alles, inklusive dem Verwöhnpaket, zur Couch. „Da du heute so tapfer warst und mir einfach insgesamt leidtust, dachte ich mir, ich muss dich noch ein bisschen verwöhnen.", sage ich und reiche ihr die Tüte. „Awww Schatz, du bist so süß. Danke", bedankt sie sich und gibt mir einen Kuss. Ich setze mich zu ihr und wir beginnen, unsere Pizza zu verschlingen. „Mhhm, das ist echt lecker. Du bist der beste Mann auf der Welt, danke!" „Alles für meine wunderschöne Prinzessin." „Ich seh' aus, als würde ich seit Tagen nur auf dem Sofa liegen." „Ich liebe es, wenn du so aussiehst – dann bist du immer so süß" Sie lächelt und wird leicht rot. Kurz vergesse ich auf meine Pizza, weil ich ihr wunderschönes Gesicht betrachten muss – ich habe einfach so ein Glück.

Nach dem Essen räume ich auf und lasse sie einfach entspannen. „Hey Schatz, ich habe noch eine Überraschung für dich", sage ich, als ich mit allem fertig bin. „Noch was? Na, da bin ich ja gespannt." Ich setze mich zu ihr auf die Couch, aber als sie die Tüte aus der Apotheke sieht, wird sie leicht nervös. „Hey, kein Grund Angst zu haben, ok? Ich habe angenommen, dass du nicht willst, dass dein Vater von der Aktion heute Früh erfährt, deshalb hab' ich mit einem Freund gesprochen, der mir daraufhin zwei Säfte verschrieben hat. Da du kein Kind mehr bist, werden sie vielleicht nicht wirken, aber ich dachte mir: Warum nicht zumindest probieren?" Sie atmet erleichtert aus und sagt: „Danke, mein Schatz. Das bedeutet mir echt viel. Ich möcht's auf jeden Fall probieren – hoffentlich wirkt einer der beiden Säfte. Und ja, bitte erzähl' meinem Vater nichts davon – er würde ausrasten" „Mach ich nicht, das ist unser kleines Geheimnis, ja?" Sie nickt und ich sehe ihr die Erleichterung deutlich an. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun werde, falls die Säfte nicht wirken.  

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt