Heute bin ich endlich mal wieder im Studio. Seit dem Legen der Spirale ist mittlerweile etwas Zeit vergangen, in der ich leider wieder nicht tanzen durfte – zum Glück war es aber nicht so lange, wie das letzte Mal. Da ich heute wieder alleine hier bin, kann ich mich nur auf mich konzentrieren und dem Flow der Musik folgen. „Hallo?", höre ich plötzlich eine kindliche Stimme rufen. Ich drehe die Musik ab und gehe zur Eingangstür. Da so ziemlich das ganze Studio aus Glas ist, sehe ich sofort, dass ein kleines Mädchen vor der Türe steht und verzweifelt schaut. „Hallo, was ist denn los?", frage ich sie, als ich die Türe öffne. „Ich habe meine Tanzsachen gestern hier vergessen. Darf ich sie holen?" „Natürlich", sage ich und lasse sie rein. „Was machst du eigentlich hier?" „Ich hatte vor ein paar Monaten einen Unfall und darf jetzt ab und zu mal das Studio für mich haben, damit ich mich in meinem eigenen Tempo wieder ans Tanzen gewöhnen kann." „Du bist die, die beim Vortanzen gestürzt ist?" „Jap, hat wohl jeder mitbekommen, hm?" „Naja, Ms. Porter hat oft erwähnt, wie verzweifelt sie ist, dass ihre beste Tänzerin sich verletzt hat." Wow, es hat mich ja schon gewundert, dass sie mir gesagt hat, dass ich anscheinend ihre beste Tänzerin sei, aber, dass sie das anderen Leuten auch sagt, finde ich echt überwältigend. „Bist du wirklich so gut?" „Vielleicht war ich das mal." „Ich bin mir sicher, du bist es immer noch, wenn sogar Ms.Porter das sagt." „Da wär ich mir nicht so sicher." „Kannst du mir vielleicht was beibringen?" „Ich weiß nicht..." „Bitte, bitte, bitte!" „Na gut, Tanzsachen hast du ja schon hier.", sage ich und zwinkere ihr zu.
Als ich dem kleinen Mädchen ein paar Tanzschritte zeige, fällt mir wieder auf, wie viel Spaß Tanzen machen kann. Die letzten paar Monate hatte ich nicht wirklich viele Momente, in denen ich mich beim Tanzen frei gefühlt habe, aber jetzt gerade macht es mir unendlich viel Spaß, diesem Mädchen was von meinem Wissen weiterzugeben. Als ich gerade dabei bin, der kleinen eine Choreo beizubringen, höre ich, wie die Eingangstür sich öffnet. Wer ist das? „Hast du das auch gehört, Jackie?" „Ja, bleib hier. Ich schaue kurz nach." Auf dem Weg zur Tür frage ich mich, wie die Person es geschafft hat, reinzukommen und vor allem wer sie ist? Panik durchströmt meinen Körper und ich bereite mich schon mal darauf vor, mich verteidigen zu müssen. „Hallo", höre ich plötzlich die Stimme von Ms. Porter. Wow, wie konnte ich nicht darauf kommen, dass sie es ist? „Meine Güte, Sie haben mich total erschreckt.", sage ich, als sie mir entgegenkommt. „Oh, das tut mir aber leid – ich wollte mal nach dir sehen. Wollte sichergehen, dass es dir gut geht und wissen, wie du dir mit dem Tanzen tust. Oh, was macht Sonny hier?", fragt sie, als sie sie im Saal erblickt. „Eigentlich hatte ich vor, heute eine neue Choreo zu lernen, aber dann hat ein kleines Mädchen angeklopft, dass seine Tanzsachen hier vergessen hat. Sie hat herausgefunden, dass ich die bin, die sich bei einer Audition verletzt hat und wollte, dass ich ihr was zeige. Da ich mich noch an die Choreo von A Whole New World erinnern kann, die ich gelernt habe, als ich etwa so alt war wie sie, dachte ich mir, ich bringe sie ihr bei." „Oh, dann lass dich nicht stören. Darf ich vielleicht zusehen?" „Ja, natürlich. Kommen Sie, sobald Sie fertig sind – Sie stören nie", lächle ich sie an und gehe wieder zurück zu Sonny.
„Genau, das linke Bein ein bisschen weiter anwinkeln, ja, so ist es sehr gut – toll machst du das." Ich hätte mir nie denken können, dass mir unterrichten so viel Spaß macht. Am liebsten würde ich gar nicht mehr aufhören, ihr was beizubringen, aber es wird schon langsam dunkel. Sonnys Mutter hat Ms. Porter vorher schon angerufen. Zum Glück ist sie gekommen, sonst hätte ihre Mutter sich totale Sorgen gemacht. Wie konnte ich nicht daran denken? „Und das war der letzte Schritt – das hast du echt sehr gut gemacht.", lobe ich sie und schlage mit ihr ein. „Danke Jackie und bitte sag nie wieder, dass du nicht mehr gut bist. Du bist der Hammer." „Wo sie recht hat...", mischt sich auch Ms. Porter ein. Ich lächle die beiden an und werde ein wenig rot. „Oh, mein Handy läutet. Darf ich rangehen?" „Natürlich", sagt Ms. Porter. „Ja, ok. Dann ziehe ich mich jetzt um und komme dann raus. Ja, vergesse ich nicht. Bis gleich, hab dich lieb.", redet sie ins Handy. „Meine Mama steht vor der Türe. Danke Jackie, dass ich heute so viel von dir lernen durfte – es hat echt viel Spaß gemacht." „Sonny, ich habe auch viel von dir gelernt. Mach weiter so – du hast echt Potential." Sie lächelt mir mit einem riesigen Lächeln zu und verschwindet in der Umkleide. „Hast du vielleicht mal daran gedacht, Tanzlehrerin zu werden? Nicht, dass du nicht auch die geborene professionelle Tänzerin wärst, aber du bist beim Unterrichten gerade total aufgeblüht – so habe ich dich fast noch nie gesehen." „Danke, Ms. Porter. Ich dachte mir bis jetzt auch nicht, dass es mir so viel Spaß machen würde, aber ich weiß nicht, ob ich es beruflich machen wollen würde." „Musst du ja auch noch nicht. Überlege es dir – du hast noch genug Zeit. Du hättest aber auf jeden Fall richtig Potential."
„Und dann hat sie gesagt, ich hätte Potential.", erzähle ich Michi und Sophie beim gemeinsamen Abendessen die ganze Geschichte. Sophies Freund ist in der Klinik, aber sie kam spontan zum Essen zu uns – also eigentlich Michi. Ich bin so oft beim ihm, dass ich inzwischen eigentlich fast schon bei ihm wohne. „Könntest du es dir denn vorstellen?", fragt Sophie. „Ich weiß nicht. Ich habe mich im Bezug zum Tanzen schon lange nicht mehr so gut gefühlt, aber ich weiß nicht, ob ich gut mit Kindern kann, oder ob Sonny einfach nur ein tolles Kind ist." „Jackie, du bist empathisch, geduldig und super nett. Natürlich kannst du gut mit Kindern umgehen.", beteiligt sich Michi an der Diskussion. „Ich weiß nicht... aber wie Ms. Porter heute schon gesagt hat, ich habe ja noch genug Zeit, um darüber nachzudenken."
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Mal wieder ein Kapitel ohne medizinischen Inhalt, dass aber wichtig für den weiteren Verlauf der Gesichte sein wird. Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen. :)
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Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)
RomanceDie Profitänzerin Jackie lernt bei einem Konzert den attraktiven Michi kennen und entwickelt schnell Gefühle für ihn. Alles wäre perfekt, wäre da nicht diese eine Sache - er ist Arzt. Wird Jackie es schaffen, ihre Angst für ihn zu überwinden?