Kapitel 30

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Hat er etwa einen Ersatzschlüssel? Ich wische mich schnell ab und ziehe meine Hose hoch. Zwei Sekunden später steht Felix auch schon vor mir und schaut mich wütend an. „Also, was ist los?!" „Das werde ich dir sicher nicht sagen.", antworte ich trotzig, worauf er beginnt, sich mir zu nähern. Jedoch bin ich schneller und schaffe es tatsächlich, an ihm vorbeizulaufen. Ich habe keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, aber es bleibt keine Zeit, um darüber nachzudenken. Wie eine Marathonläuferin sprinte ich zu meinem Zimmer und halte die Tür zu. Leider habe ich keinen Schlüssel, weshalb ich mich alleine auf meine Kraft verlassen muss, doch die reicht leider nicht aus...

Michis P.O.V.:

Ich bin ca. bei der Hälfte meines Buches, als Jackie zur Tür hereinstürmt und sich mit all ihrer Kraft dagegenstemmt. Was zur Hölle ist da los? „Schatz?" „Jetzt nicht, Michi." Plötzlich geht die Tür auf, was Jackie zu verhindern versucht. Jedoch scheitert sie und Sekunden später steht ein total wütender Felix im Raum. „Hä, was ist denn los?", frage ich komplett verwirrt. „Madame war gerade 15 Minuten lang auf der Toilette – ich bin mir sicher, dass bei ihr was nicht stimmt, aber sie will mir nicht sagen was. Raus mit der Sprache!", befiehlt er ziemlich laut. „Lass mich doch einfach in Ruhe.", bettelt sie. „Nicht bevor du mir gesagt hast, was lost ist und ich mich darum gekümmert habe." „Vielleicht hab' ich ja gar nichts." „Jackie, glaubst du, dass ich dumm bin?" Ich beobachte die Diskussion der beiden, weil ich nicht weiß, was ich anderes tun sollte. „Ich gehe nicht, solange ich nicht weiß, was mit dir los ist. Wir können hier den ganzen Abend stehen und irgendwann bekommt es auch noch Papa mit. Dann sind hier in dem Haus drei Ärzte, die dich untersuchen wollen – für mich kein Problem.", droht er an. Wow, sogar ich spüre seine Dominanz bis hierher. Ich bin mir sicher, einige PatientInnen hätten ihm schon vor langem gebeichtet, was los ist. „Nein, du würdest das Papa jetzt nicht wirklich sagen, oder?" „Jackie, schön langsam wird mir der Kindergarten hier zu blöd. Entweder du sagst mir jetzt auf der Stelle, was mit dir los ist, oder ich ruf Papa auch noch dazu." Sie tut mir inzwischen echt ein bisschen leid, aber ich möchte ja auch wissen, was ihr fehlt.

„Komm Schatz, ich glaube, du solltest es uns jetzt echt sagen. Wir sind beim Untersuchen auch ganz vorsichtig.", versuche ich sie nochmal auf die sanfte Tour zu überreden. „Misch du dich da jetzt nicht auch noch ein." Leicht schockiert schauen wir sie beide an. „Hey, Michi versucht nur, dir zu helfen. Ich weiß, du fühlst dich gerade in dieser Situation alles andere als wohl, aber wenn ich an seiner Stelle wäre, dann würde ich hier nicht so lieb zu dir sein. Wenn du also weiterhin willst, dass er so einfühlsam ist, dann würde ich ihn nicht so angehen." Oh wow, das hat gesessen. Ich hätte ihr das Kommentar nicht böse genommen, da ich weiß, dass sie in solchen Stresssituationen oft mal was sagt, was sie im Nachhinein bereut, aber es ist nett von ihm, dass er was gesagt hat. Jackie schaut mich schuldbewusst an und beginnt zu weinen. „Hey, schh", versuche ich sie zu trösten und nehme sie in den Arm. „Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe – ich hab's nicht so gemeint." „Das weiß ich doch – alles gut." Als sie sich etwas beruhigt hat, schaue ich ihr tief in die Augen und sage: „Also, was ist los? Du kannst es uns sagen." „Naja..." beginnt sie und sieht uns beide total ängstlich an. Es ist so merkwürdig, dass sie, sobald es um etwas Medizinisches geht, eine totale Angst vor jedem bekommt. Bei ihrem Bruder muss ich zugeben, dass ich das auch ein bisschen verstehe, da er wirklich total dominant ist. Ich kenne ihn ja schon ein bisschen und war vorhin total überrascht davon, wie dominant er plötzlich im Arztmodus war – er ist, was das angeht, sogar noch strenger als ihr Vater. Ich bin mir aber sicher, dass er es nicht böse meint, sondern nur ihr Bestes will und sie durch die dominante Art bestimmt auch oft schneller dazu bekommen hat, zu tun was er möchte. Trotzdem bin ich der Meinung, dass etwas mehr Einfühlungsvermögen bei ängstlichen PatientInnen angebracht ist, aber da gehen die Meinungen ja total auseinander.

„Sag's einfach, damit wir dir helfen können. Wir wollen beide nur, dass es dir gut geht. Du brauchst keine Angst zu haben.", sagt Felix nun auch etwas sanfter – ich bin direkt überrascht. „Ich sage euch, was los ist, aber nur, wenn ihr mich nachher nicht untersucht." Zum Glück übernimmt Felix heute die Rolle des bad cops, so, dass ich mich nicht bei ihr unbeliebt machen muss. „Das ist ein schlechter Scherz. So, du sagst uns jetzt sofort was los ist, oder ich erzähle es Papa, der dich ins nächste Spital schleppt und dich dort von Ärzten untersuchen lässt, die mit Sicherheit nicht so vorsichtig sein werden wie wir." „Nein, bitte nicht!" „Dann sag uns jetzt auf der Stelle, was dir weh tut." „Es brennt.", flüstert sie so, dass wir es gerade noch hören können. „Wo brennt es genau?" „Muss das wirklich sein?" „Ja, Schwesterherz. Wenn wir nicht wissen, was los ist, können wir dir leider auch nicht helfen." Ich merke, wie sie mit sich hadert und nicht weiß, ob sie uns jetzt sagen soll, wo es ihr weh tut oder nicht. „Hey, kein Grund sich zu schämen.", sage ich und gehe etwas auf sie zu, um ihren Rücken unterstützend und beruhigend zu streicheln. „Brennt es, wenn du urinierst?", frage ich, da ich weiß, dass sowohl Felix, als auch ich bereits eine Vermutung haben und ihr die Situation hier gerader etwas leichter machen möchte. Wie erwartet nickt sie leicht. Plötzlich kommt es mir. „Felix, könntest du vielleicht für einen Augenblick das Zimmer verlassen?", frage ich, da ich mir denken kann, dass ihr die nächste Frage vor ihrem Bruder sehr peinlich sein würde. Er sieht mich verwirrt an, verlässt aber trotzdem kurz den Raum.

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Was glaubt ihr, möchte Michi sie fragen? Wird sie sich von den beiden untersuchen lassen? 

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt