Kapitel 22

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 Ich schaffe es gerade noch, mich über die Toilette zu beugen, bevor ich mich übergeben muss. „Lass es raus, mein Schatz. Schhh. Lass alles raus", sagt Michi und streichelt mir beruhigend den Rücken. Nachdem ich fertig bin, lehne ich mich an ihn. Er reißt ein Stück Klopapier ab und wischt mir damit den Mund sauber. „Oje, anscheinend hast du das Zäpfchen nicht vertragen" Jetzt zu lügen, würde keinen Sinn ergeben – er würde es sowieso herausfinden. „Ich habe eine Tablette genommen." „Ich hab' mir schon gedacht, dass du immer noch Schmerzen hast, aber da du meintest, dir tut nichts weh, wollte ich dir ein bisschen Freiraum geben. Warum hast du denn nichts gesagt?" „Ich will kein Zäpfchen und dachte, dass es vielleicht durchs Schlafen besser wird." „Naja, dass das so nicht funktioniert, hätte ich dir auch sagen können. Gut, dass du Tabletten noch immer nicht schlucken kannst und dass der Saft nicht wirkt, wissen wir somit. Komm, ich bring dich zurück ins Bett und gebe dir ein Zäpfchen." „Nein!" „Du weißt, dass dein Vater im Haus ist, oder? Ich hätte nichts dagegen, wenn er was mitbekommt, aber ich nehme an du schon. Was würdest du denn vorschlagen?" „Der schläft unten und hört das sowieso nicht. Ich will den anderen Saft ausprobieren.", sage ich trotzdem wesentlich leiser. „Jackie, du brauchst deinen Schlaf. Falls der andere Saft jetzt auch nicht wirkt, wachst du vermutlich heute Nacht nochmal mit Schmerzen auf. Willst du das?" „Nein, aber was, wenn er wirkt?" „Wir probieren den morgen untertags und ich gebe dir jetzt ein Zäpfchen" „Ich will einfach, dass die Schmerzen aufhören", sage ich weinerlich. „Ja, das will ich auch und deshalb werde ich dir jetzt ein Zäpfchen verabreichen – es geht auch ganz schnell und dann kannst du bald wieder schlafen." Mich durchzuckt erneut ein heftiger Schmerz, der mich dazu bringt, aufzuschreien. „Was ist?", fragt Michi besorgt. „Es tut so weh." „Das reicht, ich gebe dir JETZT ein Zäpfchen. Ich will nicht, dass du solche Schmerzen hast" Er hebt mich hoch und trägt mich ins Bett. „Ich geh kurz die Toilette spülen, hole alles und bin gleich wieder da. Mach dich bitte inzwischen schon untenrum frei und leg dich auf die Seite." Trotzig schüttle ich den Kopf. „Du bist nicht die einzige, die müde ist und wieder schlafen will. Du machst dich entweder jetzt selber frei, oder ich erledige das nachher.", sagt er in einem strengen Ton. Ok, ich glaube, ich sollte jetzt besser tun, was er gesagt hat.

Ein paar Minuten später kommt er mit allen Utensilien wieder. „Super, du hast ja tatsächlich mal gemacht, was man dir aufgetragen hat." Ich lächle leicht, aber ich denke, ich lasse das nur mit mir machen, weil ich gerade einfach zu müde bin, um lange rumzudiskutieren. „Ok, ich ziehe dir jetzt die Decke runter, ok?", höre ich Michi flüstern. Ich nicke leicht und lasse ihn einfach machen. „Du zitterst ja. Keine Angst – ich bin sehr vorsichtig." Ich spüre, wie er meine Pobacke leicht nach oben zieht und krampfe, ohne, dass ich es möchte, zusammen. „Ganz locker liegen bleiben. Ich tu' dir nicht weh." Da ich ihm da glaube und inzwischen wirklich müde bin, drücke ich, wie beim letzten Mal, etwas dagegen. „Super, da hast du ja schon was gelernt. Ich bin so stolz auf dich, mein Schatz", sagt er und drückt mir gleichzeitig zügig, aber sehr vorsichtig, das Zäpfchen in den Po. „So, ich lass den Finger wieder ein bisschen drinnen – im Prinzip hast du es aber schon geschafft", ermutigt er mich. „So, schon vorbei – das hast du wirklich ganz super gemacht. War's schlimm?" „Eigentlich nicht so", gebe ich zu. „Siehst du, man gewöhnt sich dran." „Morgen probieren wir aber trotzdem noch den zweiten Saft aus, ja?" „Na gut, weil du grade so brav warst."

Es sind einige Wochen seit meinem Unfall vergangen. Das Tanzen ist leider immer noch nicht möglich, aber ich kann zumindest wieder gehen. Michi und mein Vater haben sich sehr gut um mich gekümmert, was die Zeit viel einfacher gemacht hat. Zum Glück hat der zweite Saft gut gewirkt, weshalb ich keine Zäpfchen mehr bekommen habe. Michi hat außerdem Sophie und ihren Freund Julian kennengelernt, was auch total gut verlief – sie verstehen sich echt gut. Sophie hat Michi ja schon mal kurz gesehen, aber das war ja kein richtiges Kennenlernen, weshalb ich froh war, dass sie sich richtig gut verstehen. Auch ich habe Michis zwei besten Freunde David und James kennengelernt. Anscheinend hat Michi ihnen vorher gesagt, dass sie nichts Medizinisches ansprechen sollen, denn obwohl David Kinderarzt und James HNO-Arzt ist, wurde bei den Treffen kein einziges Mal über ihren Beruf gesprochen. In einer Woche ist Weihnachten, was heißt, dass ich, wie immer, schon voll im Kaufrausch bin. Es fällt mir eigentlich relativ einfach, was für Michi zu finden, da er gestern seine AirPods verloren hatte. Das heißt, ich werde ihm neue kaufen. Es ist unser erstes Weihnachten zusammen, was heißt, dass es bestimmt ganz besonders wird. Wir werden zusammen mit meinem Vater bei mir zuhause feiern, da Michi ja leider keine Familie hat, mit der er die Festtage verbringen kann.

„Was wollt ihr denn übermorgen eigentlich machen?", fragt mein Vater beim Abendessen am 22ten. „Ja genau, das wollten wir sowieso noch mit dir besprechen. Also, wir haben uns gedacht, wir könnten den ganzen Vormittag zuhause entspannen, Weihnachtsfilme schauen und zum Mittag eine Kleinigkeit kochen. Dann könnten wir am Nachmittag spazieren gehen und uns einen kleinen Kaffee holen und am Abend kochen wir das Festessen und es gibt Geschenke. Wie fändest du diese Idee?", schlägt ihm Michi unsere Idee vor. „Ja, das klingt sehr gemütlich – ich bin dafür. Morgen hab' ich Nachtdienst, das heißt, dass ihr den Abend für euch habt und zu zweit genießen könnt. Am 24ten sind wir zu dritt und am 25ten und 26ten würden wir dann zu Jackies Großeltern fahren, wenn das ok ist." „Ja, das würde mich sehr freuen, die endlich mal kennenzulernen" Ich finde es so schön, einen Mann wie Michi abbekommen zu haben, den ich gerne meinen Großeltern vorstellen und auf den ich einfach super stolz sein kann. Leider sind die Eltern von meiner Mutter schon vor ein paar Jahren gestorben, aber ich bin mir sicher, sie hätten ihn auch gemocht und in ihr Herz geschlossen.


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So, hier noch ein kleines Weihnachtskapitel. Ich wünsche allen, die Weihnachten feiern, ein schönes Fest und allen, die es nicht feiern, schöne Feiertage. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr die Zeit mit eueren Liebsten genießen könnt, auch wenn dieses Jahr alles ein bisschen anders sein wird. Da ich die Zeit auch in Ruhe mit meiner Familie verbringen möchte, werden die nächsten Tage vermutlich keine neunen Kapitel kommen. Im neuen Jahr geht's dann weiter. Ich hoffe, ihr seid/bleibt alle gesund und genießt die Zeit. :)

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt