Kapitel 14

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Ein paar Minuten später klopft es wieder, aber bevor ich mir Hoffnungen mache, erwarte ich einfach einen Pfleger. Jedoch kommt tatsächlich Michi zur Tür herein. „Oh, hallo Thomas. Wenn ihr noch ein bisschen alleine sein wollt... ich kann auch später nochmal kommen" „Nein, nein. Ich geh schon. Ich komm dann nachher nochmal. Ich hol mir mal einen Kaffee", sagt mein Vater, gibt mir einen Kuss auf die Wange und lächelt Michi noch kurz an, bevor er das Zimmer verlässt. Michi sieht mich mit einem schuldbewussten und bemitleidenden Blick an und fragt: „Darf ich mich setzen?" Ich nicke und mache ihm ein wenig Platz. „Es tut mir leid, dass ich vorher laut geworden bin, aber du bist mir einfach wichtig und ich möchte nicht, dass du deinen Traum wegen der Verletzung vielleicht ganz aufgeben musst." „Ja, ich weiß doch eh, dass du recht hast, aber ich habe ja generell schon Angst, hier zu sein, war wütend auf mich wegen des Vortanzens und dann noch diese Nachricht. Es tut mir auch leid, dass ich so reagiert habe." Er zieht etwas Kleines aus seiner Tasche. „Ich hätte nicht einfach so gehen dürfen, aber da ich dann ja eh schon weg war, habe ich mir gedacht, ich kaufe dir noch eine Kleinigkeit." Ich lächle ihm zu – es fühlt sich so an, als wären wir nicht hier im Krankenhaus, sondern an einem Ort, wo ich komplett entspannt und frei sein kann, so wie ich mich immer in seiner Gegenwart fühle. Ich öffne die Schachtel, in der sich eine silberne Kette mit einem Anhänger von einer Ballerina befindet. „Da du jetzt länger nicht tanzen kannst, wollte ich dich daran erinnern, dass es dir bald wieder möglich sein wird. Nur nicht die Hoffnung verlieren", sagt er mit einem aufmunternden Lächeln. „Danke", gebe ich zurück und hänge sie mir um. Wir küssen uns und für einen kurzen Moment vergesse ich alles, was in den letzten Stunden passiert ist. Jedoch werde ich schneller wieder in die Realität zurückversetzt, als mir lieb ist.

„Ich mag nach Hause", sage ich weinerlich. „Ok, folgendes: Ich taste jetzt nochmal deinen Knöchel ab und würde einen Kollegen auch noch drauf schauen lassen und dann kann ich dich eigentlich schon nach Hause bringen. Im Bett liegen kannst du zuhause auch, aber ich will sichergehen, dass es wirklich nur ein Bänderriss ist." Ich werde panisch. Ein anderer Arzt, den ich nicht kenne? Niemals! „Du machst dir Sorgen wegen dem anderen Arzt, habe ich recht?", sieht er mich ruhig an. Kann der Mann meine Gedanken lesen? Falls ja, wäre es in manchen Situationen echt peinlich gewesen. „Ja, ich will das nicht, bitte" „Schatz, ich will mir aber sicher sein. Ich bin zwar auch Allgemeinmediziner, aber ich habe mich lange nicht um sowas gekümmert. Ich möchte nur sichergehen, dass ich das Röntgenbild richtig gelesen habe. Ich bin mir zwar zu 99% sicher, aber bei dir möchte ich zu 100% sichergehen. Mein Kollege ist ganz lieb, der tut dir auch nicht weh." In dem Moment klopft es an der Tür und mein Vater kommt wieder rein. Michi schlägt sich leicht an die Stirn. „Ich bin so dumm, nicht darauf gekommen zu sein, dass dein Vater dich einfach untersuchen kann. Das wäre ok für dich, oder?" „Kann ich nicht einfach so nach Hause? Ich will nicht mehr hier sein." „Schatz, es tut mir sehr leid, aber das geht nicht. Entweder dein Vater oder ein Kollege müssen dich nochmal untersuchen", sagt Michi etwas ernster. Mein Vater steht einfach daneben und ich sehe im an, dass er froh ist, mal nicht den Bösen spielen zu müssen, aber ich merke, dass er derselben Meinung ist, wie Michi. „Ich mag das aber nicht", werde ich ein bisschen lauter. Ich werde mich hier nicht einfach quälen lassen, weil die beiden das für richtig halten. „So Madame, du beruhigst dich jetzt ein bisschen und lässt mich dich jetzt untersuchen. Das gibt es doch nicht so ein Theater zu machen, wegen ein bisschen herumtasten", sagt mein Vater und ich merke, dass er so langsam die Geduld verliert. Michi hingegen schaut mich noch immer seelenruhig an, als ich beginnen muss, vor lauter Verzweiflung zu weinen. „Hey, schhh. Maus, ich weiß, dass es dir unangenehm ist, hier in diesem Rahmen angefasst zu werden und, dass du Angst hast, aber wer auch immer die Untersuchung bei dir durchführen würde, wäre ganz vorsichtig. Es ist doch wohl klar, dass dir weder dein Vater, noch dein Freund unnötige zusätzliche Schmerzen zufügen wollen" „Ich weiß, aber immer, wenn ich untersucht werde, fühle ich mich total hilflos. Ich hasse das Gefühl." „Ach Süße, ich weiß, aber wir sind auch ganz schnell fertig, wenn wir jetzt anfangen dürfen", sagt mein Vater wieder etwas sanfter. Ich ringe mit mir. Die zwei würden mir doch nicht wirklich weh tun, oder? Komm, reiß dich jetzt kurz zusammen und dann kannst du wenigstens nach Hause. „Na...gut", sage ich zögerlich mit einem deutlich wahrnehmbaren Zittern in der Stimme. 

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt