Österreich Testtage 4

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Der bevorstehende Flug wird eine ganze Ecke Zeit beanspruchen, weshalb ich mich bereits tief in den Sessel kuschle. Zu meinem Glück haben sie hier mehr als nur eine Decke, sonst würde ich die Kälte in der Luft nicht überleben. "Kann ich Ihnen etwas anbieten?", lächelt mich die Flugbegleiterin von vorhin breit an. "Nein, danke", antworte ich ihr höflich. Trotz meines Mittagschläfchen heute Nachmittag falle ich bereits vor dem Start in das Land der Träume.

Jemand rüttelt mich an der Schulter, worauf ich heftig zusammenzucke. Twix knurrt die Frau bedrohlich an, beruhigt sich jedoch rasch, sobald er sieht, dass ich wach bin. "Ein sehr unerzogener Hund, finden Sie nicht auch?", stellt sie die Erziehung meines Hundes in Frage. "Er hat mir bereits häufiger das Leben gerettet als Sie denken, urteilen Sie also bitte nicht darüber, wie er sich gegenüber Fremden verhält", antworte ich kühl, sofort schluckt die Stewardess schwer.

"Jedenfalls werden wir in Kürze landen", mit einem Nicken verschwindet sie in einen hinteren Teil des Jets. Augenrollend beobachte ich dies, Twix sieht ihr hinterher, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden ist. Kurz klopfe ich auf meinen Schoß auf welchem er sich sofort breit macht. Treuherzig legt er seinen Kopf auf meinem Brustbein ab und beginnt leise zu winseln. "Ich mag das Fliegen genau so wenig wie du, beschwer dich nicht", grinse ich, worauf er sich mit der Zunge über die Schnauze leckt.

Bereits nach wenigen Minuten steht das Flugzeug auf festem Boden. Sofort springt der Rüde von meinem Schoß runter als er merkt, dass ich aufstehen will. Dummerweise sind meine Krücken wohl im Laufe des Flugs auf den Boden gefallen und ich kann sie nicht fassen. "Twix, Krücken", gebe ich ihm das Kommando, jedoch kommt ihm jemand zuvor.

"Das geht doch einfacher", schmunzelt die Person, hält mir die Gehhilfe vor die Nase. "Danke", meine ich perplex, da mir das Gesicht nur allzu bekannt vorkommt, aber ich kann es einfach nicht zuordnen. "Nichts zu danken, ich bin Jack", stellt er sich vor, erfreut schüttle ich die Hand des jungen Mannes. Laut dem Akzent sollte er ein Brite sein, sein koranischer Einschlag verwirrt mich jedoch ein wenig.

"Grace Jareks", antworte ich höflich, da in meinem Gehirn kein Platz ist, eine bessere Antwort zu finden. "Grace?", hackt er verwundert nach, anscheinend bin ich nicht allein mit dem Gefühl, mein Gegenüber zu kennen. "Wir können draußen quatschen, aber wir sollten das Flugzeug räumen", lächelt er sanft. Mit einem Ruck ziehe ich mich von dem Sessel hoch.

"Soll ich dir bei den Treppen helfen?", fragt er mich freundlich, vehement schüttle ich den Kopf. "Danke schön, aber ich komme schon zurecht", füge ich hinzu, da es sonst sehr undankbar wirken würde. Unten angekommen umhüllt mich eine eisige Kälte, ein Pullover wird für das winterliche Wetter in Österreich bestimmt nicht ausreichen. "Hier, dein Koffer", meint Jack der mit zwei Gepäckstücken auf mich zukommt.

"Darf ich fragen was du hier in Spielberg im Winter zu suchen hast?", frage ich ihn, da mir diese Frage seit Beginn auf der Zunge brennt. "Nur wenn ich dir den Koffer abnehmen darf", lächelt er charmant, ergeben nicke ich mit dem Kopf. Nicht nur wir beide, sondern auch noch ein paar andere Personen laufen durch den Flughafen Richtung Ausgang. "Übrigens hast du die Ehre mit mir mitzufahren. Bis zur Strecke ist es noch knapp eine Stunde mit dem Auto", erklärt mir.

Kurze Zeit später sitze ich neben dem eigentlich Unbekannten in einem Mercedes. "Du hast eine Frage zu beantworten", erinnere ich ihn an das vorherige Gespräch. "Stimmt. Du hast das Glück mit Jack Aikten im Wagen zu sitzen", erklärt er mir, sofort fällt es mir wie Schuppen von den Augen. "Was führt dich hier her, wenn du schon weißt wer ich bin", grinst er schräg. "Berufliches", beantworte ich knapp, da ich unsicher bin, wie viel er von George und mir mitbekommen hat.

"Mit Krücken? Außer meinem Team ist kein weiteres für die nächste Woche zugelassen. Du musst ein wenig ausführlicher werden", will er mit hochgezogener Augenbraue wissen. "Beruflich schreibe ich Berichte und Artikel für eine nicht ganz unbekannte Zeitschrift. Mein Chef hat mich dazu verdonnert, da ich die Einzige in der Firma bin, die in der Formel 1 Szene bereits Erfahrungen gesammelt hat", murmle ich, am liebsten würde ich mich schlagen, da er mich vermutlich mit Fragen löchern wird, bis ich ein Schweizerkäse bin.

"Du hast bereits Erfahrungen mit der Formel 1 gesammelt? In welchem Aspekt?", und so beginnt die ewige Fragerei. "Vor zwei Jahren war ich Model für McLaren, musste dann unfallbedingt aufhören", erkläre ich ihm, geschockt reißt Jack die Augen auf. "Du bist also die Ex von George", schlussfolgert er ein wenig in die falsche Richtung. "Naja, wir waren nie in einer offiziellen Beziehung, so kann man es also nicht ganz ausdrücken", meine ich müde und lehne den Kopf gegen die Fensterscheibe.

"Achso", haucht er leise, der Rest der Fahrt verläuft schweigend. Der Wagen rollt in der Dunkelheit auf dem Kiesparkplatz. Es ist schon abends und vom Reisen bin ich total ausgelaugt. "Danke fürs Mitnehmen", lächle ich und will gerade aus dem Wagen steigen. "Soll ich dir helfen?", will er mit einem Blick auf meine Krücken wissen. "Geht schon", murmle ich, ehe ich aus dem Wagen steige.

Die absurde Kälte lässt mich frösteln, doch als erstes muss ich mich darum kümmern, dass Twix aus der Transportbox kommt. "Lass dir doch helfen", schmunzelt Jack der mir dabei zusieht, wie ich den Kofferraum nicht aufbekomme. Ergeben mache ich etwas Platz für ihn. Sobald das Gitter der Transportbox geöffnet ist, springt Twix auf mich zu. "Ja fein, so ein Feiner", begrüße ich ihn ebenso freudig wie er mich.

"Beim Koffer will ich keine Widerrede hören", unterbricht mich Jack, seufzend gebe ich nach, da es sinnlos wäre eine Diskussion in der Kälte zu beginnen. Sobald wir die Zimmerkarten abgeholt haben, arbeite ich mich die Treppen hoch. "Kommst du noch mit zum Abendessen?", will Jack von mir wissen. "Ja okay, warum auch nicht", antworte ich ihm. "Vorher würde ich mich noch umziehen, soll ich dich dann abholen?", fragt er mich, was ich mit einem "Okay, machen wir so", quittiere.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt