Australien - Melbourne 10

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Geweckt von der hereinfallenden Sonne strecke ich mich ausgiebig. Neben mir der Platz ist leer, weshalb ich erst einmal verwundert hin und her sehe. Mit der Vermutung, dass er in wichtiges Meeting hat, drehe ich mich auf die andere Seite, bloß um noch ein wenig die Wärme des Morgens zu genießen, bevor ich in den mitreißenden Alltag der Formel 1 gerissen werde.

"Auch schon wach?", höre ich George lachen, verwirrt starre ich in seine Richtung. "Du bist noch hier?", frage ich ihn verwirrt, was ihn anscheinend sehr amüsiert. "Wo sollte ich denn sonst sein?", stellt er die Gegenfrage, nachdenklich lege ich meine rechte Hand ans Kinn. "Sind heute nicht die freien Trainings?", frage ich mehr mich selbst als mein Gegenüber. "Ja, aber nicht um 7 Uhr am Morgen", neckt er mich und trottet auf mich zu.

"Du siehst dezent scheiße aus", kichere ich, dabei deute ich auf seine Haare, die ihm nass in die Stirn fallen. "Tja, ich kenne im Gegensatz zu dir eine Dusche", zwinkert mein Freund, wärend er mit einer Hand durch meine Haare fährt. "Alter Dreck schützt eben vor Neuem", murmle ich überzeugt, erneut strecke ich mich, bis die Gelenke knacksen. "Aber wenn du schon so schön dastehst, kannst du mir ja gleich den Rücken kraulen, vor allem die Schultern haben es nötig", grinse ich ihn frech an, natürlich drehe ich mich auf den Bauch, da ein gewisser Ernst dahintersteckt.

"Was würde denn für mich herausspringen?", will George von mir wissen als Antwort zucke ich mit den Schultern. "Nagut, dann sehe ich es einfach wie eine Pflicht von mir", gibt er nach. Sobald er die Decke auf die andere Seite geworfen hat, setzt er unterhalb meiner Schulterblätter an. Immer weiter bis zu meinem Nacken arbeitet er sich vor und ich genieße die Massage in vollen Zügen. Unterbrochen wird die Wohltat von zarten Küssen, die er plötzlich auf meiner dünnen Haut zu verteilen beginnt.

"Wir sollten langsam los", murmelt der Übeltäter, leicht beginne ich als Antwort zu nicken. Müde schwinge ich die Beine über die Bettkannte, an der Krücke ziehe ich mich endgültig hoch. "Wärend du dich fertig machst muss ich kurz zu Max, wir sehen uns dann unten", meint George, was von mir mit einem "Kein Problem, können wir so machen", quittiert wird. Sobald Twix bemerkt, dass George in Richtung der Tür geht, springt er hoch und eicht diesem nicht mehr von der Stelle. "Wenn es dir nichts ausmacht, kann er mitkommen, lächle ich ihn an, mit einem Daumen nach oben bejaht George diese Aussage und die beiden verschwinden aus der Hotelzimmertür.

"Gracy!", höre ich es aus einigen Metern Entfernung, genau eine Person kommt mir in den Sinn, die bereits so früh am Morgen, so viel Energie haben kann. "Lass die Arme doch erst einmal die Treppen runterkommen", lacht Alex, Victorias Freund, dabei drückt er ihr einen Kuss auf die Wange. "Morgen", meine ich kurzangebunden, im Moment möchte ich nur eine einige Person sehen, alle anderen sind Hindernisse, die ich nicht umgehen kann.

So elegant wie möglich, trotz der Krücken, durchquere ich den Speisesaal bis ich bei einem Tisch ankomme, an dem Max, Anna und mein Freund sitzen. Begrüßt werde ich als erstes von Twix, welcher sich sofort zu meinen Füßen legt. "Dir auch einen guten Morgen", lächle ich den Rüden warm an, dieser schläft jedoch bereits schon wieder halb. "Dein Labrador wird also begrüßt, aber wir nicht?", beschwert sich Anna gespielt beleidigt.

"Hunde halten zumindest immer die Klappe", meine ich trocken, der Niederländer sowie seine Freundin schlucken schwer und blicken George mitleidig an. "Mit mir ist sie nett", abwehrend hebt dieser die Hände. "Grace kann nett sein? Ein Satz, den ich noch nie in dieser Form gehört habe, interessant", analysiert Anna genauer, desinteressiert stochere ich in dem Obstsalat herum, den mir George anscheinend bereitgestellt hat.

"Worüber schreibst du den heutigen Artikel?", quengelt Anna, die unbedingt mitkommen wollte, um mir bei meinem Job zuzusehen. "Wenn heute die beiden freien Trainings sind, was wird dann wohl in meinem Artikel ganz oben auf der Liste stehen?", stelle ich die Gegenfrage, dabei blicke ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Über Marshmallows"; grinst die Blondine wie ein Kleinkind, was mich zum Kichern bringt. "Wären jetzt aber echt lecker", überlege ich laut, ihr Grinsen wird immer breiter.

"Du sitzt hier, bereitest dein Zeug vor und ich kümmre mich um den Rest", euphorisch klatscht sie in die Hände und verschwindet auch schon aus dem Mercedes Motorhome. "Wie gehts voran?"; im nächsten Moment steckt auch schon Toto seinen Kopf durch den Türspalt, das breite Lächeln auf seinen Lippen ist dabei nicht zu übersehen. "Bis jetzt noch nicht viel, aber schon bald werden sich die Artikel nur so häufen", antworte ich ihm gelassen, dabei lehne ich mich etwas im Stuhl zurück.

"Etwas anderes erwarte ich mir nicht. Wo ist denn deine Schwester hin?", will der Mercedes Teamchef verwundert wissen. Das er mich daran erinnert, dass ich irgendwie doch eine Familie habe, versetzt mir einen Stich ins Herz, den ich jedoch schnell überspiele, damit niemand etwas davon mitbekommt. "Die ist gerade etwas holen gegangen, sie sollte gleich wieder kommen", meine ich so gelassen wie möglich, damit er keinen Verdacht schöpft.

"Dann lass ich dich mal", mit diesen Worten verschwindet dieser auch wieder und ich kann mich etwas entspannen. Das Verhältnis zu meinen Eltern war schon immer etwas desolat, um es ein wenig zu umschreiben. Viele Adoptivkinder leben sich irgendwann bei ihrer Familie ein, doch bei mir war schon immer alles ein wenig extra. Um mich von diesem Thema abzulenken beginne ich damit, in meinem Schreibprogramm die wichtigsten Einstellungen vorzunehmen.

Bereits bei der Schriftart und deren Größe habe ich meinen eigenen Tick, selbst die Dateinamen haben bei mir eine gewisse Struktur. Eine E-Mail meines Chefs unterbricht mich, kurz werfe ich einen Blick darauf, da der Betreff jedoch nichts Wichtiges ist, lese ich sie mir erst gar nicht durch. Wenn ich sie erst nach dem Abschicken meines Berichts ansehe, wird die Welt auch nicht untergehen. In einem Ohr habe ich den Kopfhörer, um ein wenig der Stimme von Rihanna zu lauschen, ansonsten würde ich heute noch durchdrehen.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt