Australien - Melbourne 12

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Wie eine kleine Ente kommt Lando auf mich zu gelatscht, was stark an einen Dreijährigen erinnert, eher weniger, an einen Rennfahrer Anfang 20. "Hallu", breit grinst mich der Brite an als wolle er hier und jetzt ein Brettspiel auspacken. "Hey", lächle ich ihn an, doch mein Gegenüber beginnt bloß mich eigenartig zu mustern. "Warum bist du nicht im Wasser?", will er verwundert von mir wissen, diese Frage kann ich ihm nicht einmal übelnehmen.

"Mit Krücken geht das schlecht", antworte ich ihm seufzend. "Oh, entschuldige", meint er plötzlich und schlägt sich die Hände vors Gesicht. "Ist halb so wild, ich komme damit klar", beruhige ich ihn, sofort erscheint sein typisches Lächeln. "Hast du Lust mit Carlos und mir später Uno zu spielen?", grinst er mich breit an, dabei wirkt er wie ein kleiner Schuljunge.

"Mal schauen, meistens bin ich am Abend so müde, dass ich keinen Schritt mehr aus dem Zimmer mache", meine ich mild lächelnd. "Okay, kann ich verstehen. Du kannst mir ja auf WhatsApp schreiben", schlägt Lando vor, was ich mit einem einfachen Nicken quittiere. "Wo hast du den Spanier gelassen?", will ich leicht verwundert von dem Briten wissen, da es die beiden normalerweise nur im Doppelpack gibt. "Der muss noch etwas erledigen"; antwortet mit dieser etwas geistesabwesend, weshalb ich sofort Verdacht schöpfe.

"Ist etwas passiert?"; frage ich unsicher nach, vielleicht braucht er genau jetzt jemanden zum Reden? "Nein, es ist nur so komisch dich wieder bei uns zu haben", versucht sich dieser herauszureden, doch ganz abkaufen tu ich ihm die Geschichte nicht. "Mach mir nichts vor, irgendetwas bedrückt dich", mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich an, seine Schultern fallen zusammen, als würde er den Vorhang fallen lassen. "Ich habe Angst davor, dass du wieder gehst. Ohne deine Anwesenheit waren die letzten eineinhalb Jahre nicht dasselbe"; seufzt er schlussendlich, verlegen blicke ich auf meine Zehenspitzen.

"Damals hatte ich auch nicht vor zu gehen, aber oft entschiedet das Schicksal anders", murmle ich vor mich hin, obwohl diese Aussage halb gelogen ist, klingt sie authentisch. Damals habe ich mit dem Gedanken gespielt die Geschäfte des Motorsports hinter mir zu lassen, jedoch für immer. Trotz all diesen Ereignissen und Überlegungen sitze ich wieder hier, in Melbourne auf einer Liege, führe ein Gespräch mit einem der bekanntesten Sportlern des Globus, der Angst davor hat, dass ich wieder alle im Stich lasse. Wie viel Einfluss kann ein einfacher Mensch bitte haben?

"Dann hoffe ich, dass das Schicksal nicht dafür sorgt, dass du in einen Unfall verwickelt wirst", lächelt der McLaren Pilot milde. "Darauf kann ich auch verzichten", schmunzle ich leicht, dabei sehe ich hinauf in den Horizont, der von leichten, einzelnen Wolken bedeckt wird. "Auch wenn es schön ist mir dir zu plaudern, ich werde mich ins Hotelzimmer verziehen", meine ich schlussendlich, da ich genug von der prallen Sonne habe. "Vielleicht bis heute Abend", antwortet mein Gegenüber verwundert, nickend ziehe ich mich an der Krücke hoch, wodurch Twix wie auf kopfdruck erwacht.

Gerade will ich die Tür zu meinem Hotelzimmer öffnen, da springt mir diese entgegen. Da ich mit den Krücken nicht schnell genug reagieren kann, wird mir das bearbeitete Holz mit voller Wucht gegen den Körper gedonnert. Schmerzvoll zische ich auf, der Übeltäter zuckt heftig zusammen und nimmt mich nach seinem kurzen Schockt behutsam in die Arme. "Alles okay? Habe ich dir wehgetan?", nuschelt George reuevoll in meinen Haaransatz, dabei streicht er behutsam über meinen Rippenbogen, den es am stärksten getroffen hat.

"Geht schon", lächle ich meinen Freund an, der für einen Moment beide Augenbrauen hebt. "Bist du dir sicher?", will er wissen, doch ich nicke bloß als Antwort. "Was machst du überhaupt hier? Wolltest du nicht am Pool sein?", hackt George verwundert nach. "Mir wurde es zu viel in der direkten Hitze der Sonne, ich wollte ein wenig abschalten", meine ich leise murmelnd. Dass ich gegangen bin, weil mich wieder Altes überkommt, kann und will ich ihm jetzt nicht aufs Auge drücken. Dieses Wochenende ist enorm wichtig für den Ruf seines Teams, aber genauso für seine Karriere.

"Schade, eigentlich wollte ich mich jetzt mit Max dort treffen, dann würdest du jetzt nicht allein im Zimmer sein", seufzend sieht George mich an, doch ich weiß genau, worauf er es hinauslaufen lassen will. "Erstens bin ich nicht allein, zweitens ist das nicht schlimm, triff dich ruhig mit Max", winke ich lässig ab, sofern das mit zwei Krücken überhaupt möglich ist. "Bist du dir sicher? Wenn du willst, kann ich dieses Treffen auf absagen", plappert mein Gegenüber hektisch. Gerade will ich ihm widersprechen, da legt er seine Lippen auf meine. Augenblicklich breitet sich ein kalter Schauer auf meinem Rücken aus.

"George Russell", mit diesen Worten drücke ich ihn von mir weg, ein wenig beleidigt sieht er mich an. "Du sollst dich mit Max treffen, sonst schläfst du diese Nacht auf der Couch", streng blicke ich ihn an, gespielt geschockt schlägt er sich die Hände vors Gesicht. "In unserem Hotelzimmer ist nicht einmal ein Sofa", grinst er mich verschwörerisch an. "Dem bin ich mir bewusst. Dann musst du halt einen deiner Rennfahrer Kollegen um Asyl bitten", grinse ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Okay, ich gehe ja schon", gespielt genervt rollt er mit den Augen und entfernt sich von mir. Müde lasse ich mich in das Bett fallen, nachdem ich durch die Tür gestolpert bin.

Es ist wieder diese eisige Kälte die mich von innen nach außen zu zerfressen beginnt. Mein Problem ist nicht die Einsamkeit, viel mehr der Schmerz von früher, der mich einfach nicht loslassen will. Jeden Tag muss ich mich damit abfinden, ein abnormales Leben zu führen, was sich auch nie ändern wird. Die Zukunft wird von der Vergangenheit geprägt, da kann man sagen was man will. Twix neben mir läuft aufgeregt auf und ab, jedes Mal, wenn ich so einen Zusammenbruch habe, macht er das. Immer mehr zieht sich mein Körper zusammen, bis ich die Tränen endlich fließen lassen kann. Je mehr ich mich mit dem Vergangenen auseinandersetzte, umso stärker verletzt es mich. Die Worte, die gesprochen wurden, die Schmerzen, welche zugefügt wurden.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt