Österreich Testtage 2

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"Nimmst du Twix mit?", werde ich von ihr gefragt, wobei ein Grinsen ihre Lippen ziert. "Ja, aber sicher doch", antworte ich darauf und lege einen Arm um meinen Rüden, der verwirrt den Kopf schief legt. "Schade", schmunzelt sie und krault ihn am Kopf. "Ist ja auch mein Hund", grinse ich leicht. "Willst du nicht mit der Therapie beginnen?", rollt Bristol ein Thema auf, wegen dem ich sie schon mehr als einmal gegen die Wand klatschen wollte.

"Kannst du dieses Thema einmal sein lassen, bitte?", frage ich sie mit einem Gesichtsausdruck, der ihr zeigen soll, dass es Zeit ist, mich damit endlich in Ruhe zu lassen. "Willst du wirklich dein ganzes Leben lang mit Krücken laufen? Obwohl es auch anders geht?", redet sie sanft auf mich ein, mit meiner Linken massiere ich meine Schläfen etwas.

"Mit meiner Gehhilfe komme ich seit über einem Jahr sehr gut zurecht, es ist wirklich nicht nötig", eindringlich sehe ich ihr in die braunen Augen. "Willst du es nicht so haben wie vorher?", haucht meine Freundin leicht erschüttert. "Versteh mich nicht falsch, das ist jetzt nichts gegen dich. Jedoch solltest du zu verstehen lernen, dass es nie wieder so wie vorher wird", beim Vorletzten Wort zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen.

"Du weißt, wie ich es meine", murmelt sie leise und steht vom Sofa auf. "Es ist schon spät, ich komme dich morgen besuchen", lächelt sie sanft und winkt mir zum Abschied noch zu. Mit geschlossenen Augen höre ich wie meine Haustür ins Schloss fällt. Twix sieht mich an, mit einem Blick, der mir sagen soll, dass er Hunger hat.

Sobald er merkt, dass ich aufstehen will, springt er von mir runter. An einer der Krücken ziehe ich mich hoch und schleppe mich dann in die Küche. Aufgrund meiner Einschränkungen habe ich beinahe alle Türen ausgehängt. Jeden meiner Schritte beobachtet der Labrador genau, was mich schmunzeln lässt. "Dann bekommst du jetzt erstmal dein Futter, oder?", lächle ich sanft, sofort beginnt er freudig zu bellen, was mich in keiner Weise stört.

Sobald er daran ist sein Trockenfutter zu naschen, lehne ich mich gegen die Küchenzeile. Immer wieder lasse ich das Gespräch meines Chefs und mir Revue passieren. Ob es ein Fehler war? Vielleicht sollte ich es als Möglichkeit sehen, mir selbst zu bewiesen, dass ich nach dieser langen Zeit mit ihm abgeschlossen habe. Der Erinnerungen von meinem letzten Tag in Spanien kommen hoch.

Die kalte Schnauze von Twix reißt mich aus den Gedanken. Er hält seine Leine im Maul, was seine Art zu sagen ist, dass er raus möchte. Schmunzelnd richte ich mich auf, schnappe mir die zweite Krücke und deute ihm zur Tür vor zu laufen. An der Wand angelehnt ziehe ich mir hastig meine Schuhe an, sobald ich fertig bin, öffne ich die Tür. Twix läuft wie immer schon vor, wärend ich mit der Gehhilfe um Einiges länger brauche.

Draußen auf der Straße kassiere ich komische Blicke, Eltern ziehen ihr Kinder weg, viele Frauen in meinem Alter beginnen zu tuscheln. Mein Gesicht ist kein Unbekanntes, nicht hier, nirgendwo. Es gab Vermutungen das ich Selbstmord begehen wollte und der Unfall von meiner Seite aus geplant war, aber auch noch weitaus schlimmere Hypothesen.

Den Blick auf den Boden gesenkt versuche ich so wenig Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen wie nur möglich. Vor mir sehe ich plötzlich jemanden gehen, weshalb ich gezwungen bin aufzusehen. Vor mir steht Anna mit ihrem Freund Max. Ihre langen Haare von damals hat sie sich schulterlang geschnitten, bei Max nehme ich kaum eine Veränderung wahr.

"Grace?", haucht sie meinen Namen als wäre er etwas Verbotenes. "Anna", antworte ich kühl, meine Einstellung hat sich nicht verändert, kein bisschen. "Wie lange ist es her?", flüstert sie ungläubig und kommt einen Schritt auf mich zu. "Die Worte in Spanien hast du ignoriert, ich habe dich im Krankenhaus zurechtgewiesen. Tu mir also einen Gefallen und höre jetzt auf mich. Sprich mich nicht an", knurre ich bedrohlich und lasse sie verwirrt stehen.

Twix neben mir sieht kurz zu ihr zurück, trottet dann brav neben mir her. Er ist zu einem festen Bestandteil in meiner Routine geworden, die ich nie mehr wieder ablegen möchte. Mit meiner Schwester habe ich seit Spanien keinen Kontakt mehr, trotz dem Fakt, dass wir in der gleichen Stadt wohnen und nicht einmal so weit voneinander entfernt, habe ich sie das letzte Mal im Krankenhaus gesehen, wo ich sie hochkant rauszuschmeißen hab lassen.

Entkräftet drücke ich mich die letzte Stufe hinaus, wo der Rüde bereits schwanzwedelnd auf mich wartet. "Du bist schneller, ja", rede ich mit hoher Stimme auf ihn ein, worauf er zu bellen beginnt. "Jetzt noch Mal etwas essen, bist du sicher?", gehe ich schmunzelnd darauf ein. Meine Nachbarn halten mich vermutlich für bekloppt, doch das ist mir egal.

Meine Haustür stoße ich auf, Twix läuft, ohne auf mich zu warten, hinein, ein paar Frechheiten erlaubt er sich doch hin und wieder. Es stört mich jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Müde schleppe ich mich auf das Sofa, so eine Runde gehen, oder wie auch immer man meine Art der Fortbewegung bezeichnen soll, bin ich immer total ausgelaugt

Mit der Rechten klopfe ich neben mich, sofort springt Twix auf das Mobiliar. Gähnend ziehe ich ein Kissen unter meinen Kopf und lege einen Arm um den Labrador, welcher es vermutlich gerade eben geschafft hat, vor mir einzuschlafen. Aber auch meine Lider werden immer schwerer und falle in einen unruhigen Schlaf.

Geweckt werde ich vom aufgeregtem Bellen meines Hundes, dankbar streichle ich ihm über den Kopf. Twix ist mein persönlicher Wecker geworden, auf den fast immer Verlass ist. "Jetzt gehen wir aber keine Runde, oder?", grinse ich schief, worauf er von der Couch springt, damit ich aufstehen kann. Mit der linken Krücke schlurfe ich in die offene Küche, um mir dort einen Kaffee zu kochen.

Lächelnd beobachte ich wie der Rüde sich in den Korb, der auf dem Boden deponiert ist, legt. Und mich nennen viele faul, denke ich laut nach, kurz sieht er in meine Richtung, ehe er wie immer vor sich hindöst. Meine braune Brühe ist bereits fertig, diese trinke ich jedoch im Stehen, da es viel zu aufwendig wäre, zum Tisch zu laufen.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt