Texas - Austin 11

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"Du hast ihn einfach geschickt?!", will Anna ungläubig von mir wissen, worauf ich bloß mit meinen Schultern zucke. "Geisteskrank", murmelt diese kopfschüttelnd, stumm swipe ich durch meine Instagram Seite. "Hast du es Max schon gesagt?", frage ich sie nebenbei, da sie nichts antwortet, füge ich ein "Wegen der Wohnung", hinzu. "Ja, wir hatten ja da zum ersten Mal richtigen Streit und ich werde wieder zu ihm zurückziehen", erklärt sie mir, mit ihren Gedanken hängt sie ununterbrochen bei ihrem Freund. Das würde selbst ein Blinder mit Krückenstock mitbekommen.

"Wie sieht es bei dir und George aus?", anzüglich wackelt sie mit ihren Augenbrauen. Seufzend stecke ich mein Handy wieder in die hintere Hosentasche, damit ich davon nicht zu sehr abgelenkt bin. "Er weiß davon noch nicht einmal Bescheid", antworte ich ihr ehrlich. "Aber wieso? Weshalb? Ich meine, wie kannst du nur?!", das Entsetzen ist meiner Schwester ins Gesicht geschrieben. "Weil ich es für angemessen gehalten habe, ihm das alles erst nach dem Rennen zu sagen", meine ich, genervt verdreht sie die Augen. "Dann will ich mal hoffen, dass er ein gutes Rennen hat, ansonsten wird es lustig", Anna spricht mir ihr Beileid aus, doch ich winke bloß ab.

"Es ist mir so egal, klar, seine Karriere ist wichtig, aber sowas wie beim letzten Wochenende lasse ich nicht mehr zu. Seinen Frust kann er dann am Mittwoch ausleben, sogar an mir, wenn es sein muss", meine Worten lassen sie erstarren. Zuerst sieht sie mich an, öffnet ihren Mund, nur um ihn kurz darauf wieder zu schließen. "Und du meinst das wirklich ernst?", will sie flüsternd wissen, fast so, als hätte sie Angst vor meiner Reaktion. "Ja, schließlich habe ich keine Lust, immer mit seiner Laune mitschwingen zu müssen. Natürlich, Kompromisse eingehen ist wichtig, aber er muss auch Mal lernen, seinen Stolz abzulegen", erkläre ich ihr, verstehend nickt sie mit ihrem Kopf, ob es wirklich oben angekommen ist, weiß ich nicht.

"Aber ich glaube dir nicht, dass das der einzige Grund ist", eindringlich sieht mich die Blondine an. "Was soll sonst sein?", stelle ich die Gegenfrage, um meine Unsicherheit zu überspielen. "Ihr wolltet ja schon länger zusammenziehen, das ist komisch, dass du ihn damit aus der Ruhe bringen möchtest", antwortet sie felsenfest überzeugt. "Soll ich gar keine Antwort geben? Vom Thema ablenken?", leider fällt mir keine Möglichkeit ein, ihrer Frage auszuweichen, da sie bereits erneut nachhackt. "George und ich, wir, wir haben Differenzen und es gab öfter Streit, das hält mich ein wenig ab", nuschle ich kaum hörbar, doch es ist laut genug, dass sie es versteht.

"Klar, ich verstehe deine Zweifel, aber ich glaube, nur wenn ihr ohne Ängste aufeinander zugeht, kann es funktionieren. Ihr habt eine lange, gemeinsame Geschichte, es kann nicht an so einfachen Dingen scheitert. Ihr gehört zusammen, Punkt, aus, Ende", während dem Sprechen schüttelt sie mich an der Schulter, was ich aber unkommentiert lasse. "Eineinhalb Jahre ging ich allein durchs Leben und plötzlich stand er wieder vor mir. Unsere Beziehung ist noch so frisch und ich weiß nicht, ob es das Richtige ist", meine ich, seufzend lasse ich mich weiter in den Sessel sinken. "Du bist unsicher, aber ich bin damals auch rasch zu Max gezogen. Und wir hatten bisher nur einmal Streit", Anna versucht mich ernsthaft mit sich zu vergleichen.

"Siehst du es denn nicht? Ich bin nicht du", flüstere ich, da ich meiner eigenen Stimme nicht traue. "Das mag sein, aber du solltest nicht denken, dass es deshalb nicht funktioniert. Seit Bahrain ist er vermutlich jeden Tag ein Gedanke von dir gewesen und du seiner. Damals, als er etwas mit Sophia hatte, habe ich nie etwas gesagt, weil ich gespürt habe, dass er sie niemals so behandeln würde wie dich", fast schon grob kneift sie mir in die Schulter. Obwohl sie versucht mich aufzubauen, werden meine Zweifel nicht kleiner. "Vielleicht sollte ich auch einfach vorerst zu Conny ziehen", überlege ich laut, aufgrund ihres Blickes, bereue ich es sofort wieder.

"Wehe dir!", schreit sie, wackelt drohend mit ihrem freien Zeigefinger. "Du kannst mir diese Angst nicht nehmen", grummle ich augenverdrehend. "Aber George kann es", siegsicher grinst die Blondine über beide Ohren. "Ich werde mit ihm darüber reden", gebe ich mich geschlagen, da sie, wie ich sie eben kenne, nicht lockerlassen würde. "So und nicht anders. Ich denke, George wird sich darüber freuen", meint Anna zufrieden, aber bin ich zufrieden? Zufrieden mit dieser Entscheidung? Unsicher beginne ich mit meinen Nägeln an der Haut meiner Hände zu zupfen, wie ich es schon immer oft getan habe, wenn ich mich unwohl gefühlt habe.

"Eine gemeinsame Wohnung wird euch immer weiter zusammenbringen. Ihr könnt einer Konfrontation nicht mehr aus dem Weg gehen. Kommunikation ist der Schlüssel zu einer gesunden Beziehung", Anna redet wie ein Wasserfall auf mich ein, irgendwie hören sich ihre Worte richtig an. "Vielleicht hast du Recht", murmle ich kaum hörbar, mehr an mich selbst als an sie gerichtet. "Wenn du ihm nichts davon erzählen willst, mach ich es und das weißt du", sie zieht ihre Augenbrauen in die Höhe, was der Sinn dahinter ist, verstehe ich zwar nicht ganz, aber ich lass sie einfach.

"Das glaube ich dir aufs Wort", antworte ich beinahe geistesabwesend, im Kopf gehe ich duzende von Szenarien durch, die sich heute ergeben könnten. "Eben und jetzt grüble nicht über Gott und die Welt nach", kann ich einmal erwähnen, wie gut mich diese Frau kennt? "Ich grüble doch gar nicht nach", behaupte ich und winke mit einer Hand ab, demonstrativ legt sie den Kopf schief. "Deine Gedanken hängen ununterbrochen bei George, aber nein, du grübelst nicht nach", kopfschüttelnd sieht sie mich mit einem Gesichtsausdruck an, der nach "Ich weiß genau was in deinen letzten drei Gehirnzellen abgeht", schreit.

"Vielleicht hast du Recht", murmle ich und versuche meine Gedanken Beiseite zu schieben. "Und wie ich Recht habe. Da gibt es sowas wie ein Vielleicht nicht", selbstsicher grinst die Blondine, worauf ich bloß die Augen rollen kann. "Wer's glaubt wird selig", meine ich noch, was sie aber unkommentiert lässt. Stattdessen wechselt sie schwungvoll das Thema und erzählt mir alles von gestern Abend bis ins letzte Detail. Zwar sind das Details, die ich nicht unbedingt wissen möchte, aber im Hinterkopf halte ich mir, dass es besser ist, als sich darüber Gedanken zu machen, was George sagen oder tun wird. 

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt