Australien - Melbourne 15

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Schweigend sitze ich neben George in seinem Wagen, welchen er geschickt über den Asphalt lenkt. Meinen Blick habe ich auf die beleuchteten Straßen gerichtet, die an uns vorbeiziehen. Die Sonne ist bereits am Untergehen, wodurch der Himmel in ein sattes Orange getaucht ist. Die leise Musik, die von dem Radio ertönt, unterstreicht die angenehme Stimmung ein wenig mehr.

"Erde an Ofenkartoffel", schmunzelt George, dabei tippt er mich an der Schulter an. Mit fragendem Gesichtsausdruck sehe ich ihn an, was ihm ein Kichern entlockt. "Wir sind vor dem Restaurant, wollte dir Bescheid geben, nicht das du dich vor lauter Tagträumen erschreckst, wenn ich die Tür öffne", lächelt mich mein Freund an, womit er mich ansteckt. Einen Augenblick später hält er mir die Beifahrertür auf, mit den Krücken quäle ich mich aus dem Sitz, was sich einfacher anhört als es ist.

Eine Hand legt sich an meine Hüfte, sacht zieht er mich auf die Beine, nachdem ich mehrmals wieder zurück auf den Sitz gefallen bin. Dankbar blicke ich zu ihm hoch, noch immer nahe an seinem Körper. Durch diese Nähe kann ich sein teuflisch gutes Parfüm noch stärker riechen. Das Jackett seines Anzugs ist ein wenig verrutscht, was wohl damit zu tun hat, dass ich mich an diesem festkralle. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen lässt er etwas lockerer, wodurch ich ihn auch auslasse.

Ohne ein weiteres Wort zu wechseln gehen wir über den Kiesplatz ins Restaurant. Natürlich ist Twix auch dabei, der uns hinterher trottet. Von außen kann man erkennen, dass dort allein eine Olive den Preis einer herkömmlichen übersteigt, sofort fühle ich mich unwohl. "Entschuldigen Sie, aber Hunde sind nicht erlaubt", weist mich ein Ober unfreundlich auf eine Regel hin. "Er ist mein behinderten Hund", versuche ich höflich zu antworten, George neben mir spannt sich bereits an, was die Situation nicht besser macht.

"Tut mir leid, aber das sind die Regeln. Sie kommen ohne Ihren Hund ja anscheinend auch sehr gut zurecht", zuckt dieser nur abwertend mit den Schultern. "Ohne meinen Stützhund mache ich keinen verdammten Schritt in meiner Wohnung. Und noch dazu, laufen Sie mit Krücken durch die Gegend? Wissen Sie wie es ist, unfähig zu sein, nicht wie ein normaler Mensch zu leben? Nein? Dann würde ich jetzt mal ganz frech sein und darauf bestehen, dass mein Hund mitkommt", emotionslos blicke ich den älteren Herr an, dem jegliche Gesichtszüge entgleiten.

"Miss, ich kann Sie ja verstehen, aber", setzt dieser stammelnd an, harsch unterbreche ich ihn mit einem "Sie werden verstehen müssen, dass es Leute gibt, die auch mal auf die Toilette müssen und ich hätte gerne die Sicherheit, dass mir nichts passiert", fauche ich ihn genervt an. George zieht mich sanft an der Hüfte zu sich, damit ich dem Angestellten nicht an die Gurgel gehe. "Nun gut, da können wir bestimmt ein Auge zudrücken. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt", presst dieser hervor, mit der Linken zupft er etwas an seiner smaragdgrünen Fliege herum.

Mit einem formellen Nicken bewege ich mich in den Saal, wo bereits Jack sowie Toto an einem Tisch sitzen. "Hallo George, Grace", breit grinsend kommt der Teamkollege meines Freundes auf uns zu. "Hey Jack", meint George, in der Zwischenzeit suche ich mir einen Platz, der schlussendlich zwischen Jack und George ist. Vor mir sitzt Toto, doch gerade als er ein Gespräch mit mir anfangen will, trudelt der Rest des Teams ein.

Nachdem ich unzählige Hände geschüttelt und dabei den Namen der jeweiligen Person vergessen habe, widme ich mich wie jeder andere der Speisekarte. "Schau mal, da bist du", grinst mein Freund breit, sein Zeigefinger deutet auf das Gericht "Ofenkartoffeln mit Kräutersaue". "Guck doch, hier bist du", frech deute ich bei den Vorspeisen auf "Lauchsuppe". "Ihr zwei verhaltet euch wie Jugendliche", wirft Jack amüsiert ein, der mir anscheinend die ganze Zeit über die Schulter gesehen hat.

"Lass sie doch, solang sie sich nicht wieder die Köpfe einschlagen", meint Toto, welcher belustigt über seine Speisekarte linst. Unschuldig schmunzeln George uns ich uns an, wieder einmal wird mir bewusst, wie wichtig dieser Mann in meinem Leben ist. Sobald ich mich abwende, weiß ich sofort was ich bestellen werde. Der Großteil sitzt noch vertieft vor der Karte und hat vermutlich keine Ahnung, was man nehmen soll.

"Grace, es hat einen Grund, weshalb ich dich hier zum Essen mit dem Team eingeladen habe", spricht mich Toto an, sofort werde ich hellhörig und blicke in die Richtung des Mercedes Chefs. "Das habe ich mir schon fast gedacht", meine ich neutral, auch wenn in meinem Kopf hunderte Fragen umherschwirren. "Deine Artikel sind überwältigend, mein Gedanke ist und das schon seit den Testtagen, dich unter Vertrag zu nehmen. Es würde eine Koalition zwischen deinem Arbeitgeber und diesem Team werden", schlägt dieser vor, aufmerksam höre ich ihm zu, da ich die Idee nicht schlecht finde.

"Was würden für Vorteile herausspringen?", will ich von ihm wissen, dies ist eine Geschäftliche Angelegenheit, so etwas darf man nicht einfach so zustimmen. "Auf der Seite deiner Firma würden Förderungen sowie eine erweiterte Reichweite herausspringen. Für dich als Person wäre eine angepasste Hin- aber auch Rückreise sicher passend, da es mit deinen Einschränkungen bestimmt schwierig ist", zählt Toto nur wenige der Vorteile auf, welche mich auch überzeugen. "Dieses Angebot klingt wirklich interessant, da lässt sich bestimmt etwas machen", gebe ich als Meinung ab, worauf mein Gegenüber zufrieden lächelt.

Der Rest des Abends verlief angenehm, es herrschte eine entspannte Stimmung, die mich von den letzten Tagen ablenken konnte. Trotz all dem bin ich müde und ich kann es gar nicht mehr abwarten ins Hotel zu kommen. Mein Kopf lehnt an der Fensterscheibe, es ist bereits dunkel, was um zehn Uhr abends für keine Verwirrung sorgen sollte. George ist schon seit meinem Gespräch mit Toto eher ruhig, aber nicht im negativen Sinne. Viel mehr fühlt es sich so an, dass wir uns wortlos verstehen. Viel bekomme ich nicht mehr mit, da die Lider immer schwerer werden, die letzten Minuten der Fahrt döse ich vor mich hin. Krampfhaft zu versuchen wach zu bleiben ist mehr als nur sinnlos, weshalb mich die Schläfrigkeit mit jedem Atemzug ein wenig mehr überkommt.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt