Italien Testtage 6

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Obwohl es erst später Nachmittag ist, fühle ich mich müde und erschöpft vom nicht einmal allzu langen Flug. Das wird auch nicht besser, sobald ich die Treppen des Flugzeuges hinunterlaufe, die Massen in meinem Sichtfeld bewegen sich so hastig, dass ich mir wie eine langsame Schnecke vorkomme. In wenigen Metern Entfernung sehe ich George, wie er sich vermutlich nach mir umsieht.

Zielstrebig geht er in meine Richtung, doch irgendwas sagt mir, dass etwas nicht stimmt. Sein Gesichtsausdruck wirkt angespannter als sonst, in mir zieht sich etwas zusammen. "Hattest du einen angenehmen Flug", lächelt er mich an, jedoch bemerke ich sofort, welch eigenartiger Unterton in seiner Stimme mitschwingt. Bei seiner Frage blitzen wieder die Bilder von Charles auf, leicht schüttle ich den Kopf. "Das erzähle ich dir im Auto, nicht ganz London muss es mitbekommen", seufze ich leise, verständlich nickt er, meinen Koffer hat er sich bereits geschnappt.

Je näher wir seinem schwarzen Mercedes kommen, umso unwohler fühle ich mich in meiner Haut, das schlechte Gewissen ihm nichts erzählt zu haben plagt mich. George deutet mir, mich auf den Beifahrersitz zu setzten, was ich auch mit einem sanften Lächeln annehme. "Grace, ich möchte dich etwas fragen und du sollst mir bitte ehrlich antworten"; beginnt der Brite zu plappern, sobald er sich auf den Fahrersitz fallen hat lassen.

Von meiner Seite folgt ein Nicken, worauf er hörbar ausatmet. "Warum hast du Charles geküsst?"; will er direkt von mir wissen. Mir klappt die Kinnlade runter, woher soll er das wissen? "Zum einen hat er mich geküsst, nicht umgekehrt. Das zweite ist, woher weißt du das?", will ich ruhig von ihm wissen. Wortlos hält mir George sein Handy vor das Gesicht, darauf sehe ich ein Bild von Pierre, der anscheinend ein Interview geführt hat.

"Was ist damit?"; hacke ich bei ihm nach, da ich den Zusammenhang nicht ganz verstehe. "Im Hintergrund erkennt man unscharf zwei Personen, derzeit wird wie wild im Netz diskutier, ob Charles eine Freundin hat oder warum er diese Frau küsst", seufzt George, geschockt sehe ich ihn an. "Du kannst dir sicher sein, dass ich sicher nicht von ihm geküsst werden wollte", vereidige ich mich augenblicklich.

"Warum hast du dich dann nicht gemeldet?"; hackt er scharf nach, ein Stich durchfährt mich. "In diesem Moment war ich in Eile, ich musste noch mein Gepäck herrichten und das ganze drum und Dran", erkläre ich ihm, abzukaufen scheint er mir dies jedoch nicht. "Das soll kein Vorwurf sein, ich möchte nur nicht in Australien vor vollendete Tatsachen gestellt werden", redet George ruhig auf mich ein, dabei lenkt er den Wagen geschickt vom Parkplatz.

"In diesem Moment habe ich mich so hilflos wie selten gefühlt. Es war keine einfache Berührung für mich, es ekelt mich an daran zu denken", murmle ich leise, aufrichtig sehe ich ihm in die Augen. "Auch wenn es nicht so wirkt, ich vertraue dir. Jedoch möchte ich bitte das nächste Mal zumindest eine Nachricht von dir erhalten und nicht durch die Medien vor vollendete Tatsachen gesetzt werden", meint George ruhig, eine seiner Hände legt sich auf meinen Oberschenkel.

"Das wollte ich auch eigentlich, jedoch dachte ich, dass es möglicherweise anders rüberkommt"; erkläre ich ihm, verständlich antwortet der Brite mit einem Nicken. "In Melbourne werden die Blicke auf dich gerichtet sein, jeder wird sich zusammenreimen das du die zweite Person auf dem Bild bist", murmelt er niedergeschlagen, was ich verstehen kann.

"Es ist sehr unscharf, dadurch das es im Hintergrund liegt. Aber den Monegassen knöpfe ich mir sowieso noch einmal vor. Diese Frechheit lasse ich definitiv nicht auf mir sitzen", entschlossen sehe ich nach vorne, meine Wut auf den Ferrari Piloten steigt mit jeder Erinnerung, die in meinem Kopf aufblitzt. "Solang du ihm nicht Wort wörtlich den Hals umdrehst, werde ich hinter dir stehen"; scherzt George ein wenig, was mich dazu verleitet, ihm auf den Oberarm zu schlagen.

"Nicht so frech, sonst setze ich dich bei der nächsten Gelegenheit aus", grinst er mich an, worauf ich mit den Augen rolle. "Spaßverderber", meckere ich ihn gespielt an, worauf er mir ein keckes Grinsen schenkt. "Irgendwer muss dich ja in die Schranken weisen", grinst er mich breit an, von meiner Seite folgt ein gespieltes Schnauben. Der Rest der Fahrt verläuft schweigend. Die Landschaft der Stadt zieht an uns vorbei, der Himmel ist ein wenig bedeckt, was mich jedoch wenig stört.

"Deine Schuhe kannst du gerne hier abstellen", meint George, der mich amüsiert beobachtet, wie ich versuche Twix davon abzuhalten mein Schuhwerk mitgehen zu lassen. Schlussendlich lasse ich ihn einfach mit meinem rechten Schuh davontrotten, da er einfach nicht lockerlassen will. Zu meiner Verwunderung stelle ich fest, dass sich in dem Apartment nicht viel seit meinem letzten Besuch getan hat.

"Hast du Hunger?", will der Brite von mir wissen, doch ich schüttle bloß mit dem Kopf. "Als ob Herbert immer noch lebt", geschockt sehe ich zu der nicht mehr ganz so kleinen Topfpflanze, die ich ihm damals geschenkt habe. "Ja, dem geht es super. Im Sommer stelle ich ihn immer auf dem Balkon, da wächst er ordentlich, wie man vielleicht sieht", schmunzelt dieser leicht.

"Aber ich habe dich vermisst", murmelt George in meinen Haaransatz, sobald er mich an der Hüfte sanft zu sich gezogen hat. "Damit bist du nicht allein", hauche ich gegen seine Brust, diese dient für mich als Kissen, obwohl wir im Moment stehen. Eine seiner Hände legt sich auf meinem Rücken, umso näher er mich an sich drückt, umso wohler fühle ich mich.

Unser inniger Moment wird jedoch von einem aufgedrehten Twix unterbrochen, welcher mir meinen Turnschuh auf die Füße legt. Dieser sieht mich mit schiefgelegtem Kopf sieht er mich an und ich kann mir an zwei Fingern ausrechnen, was er will. "Ich glaube wir müssen uns erst einmal um diese kleine Flausche Kugel kümmern", grinse ich leicht, da George vermutlich keine Ahnung hat, was der Rüde gerade will.

Schmunzelnd bewege ich mich Mithilfe der Krücken in Richtung der Eingangstür, ohne zu zögern folgt mir der Rüde auf Schritt und Tritt. "Sag doch gleich, dass er eine Runde raus will", murmelt George gespielt genervt, dabei rollt er mit den Augen. Schulterzuckend ziehe ich mir die Schuhe an, dabei lehne ich mich gegen die Wand, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt