Italien Testtage 3

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"Wie ging es dir nach deinem Unfall?"; will Pierre von mir wissen, sobald wir nebeneinander herlaufen. "Es hätte besser gehen können, schließlich musste ich mich erst einmal an die Krücken gewöhnen", erkläre ich mit höchster Konzentration, da mir heute unverständlicherweise die Balance fehlt. "Bist du danach komplett auf dich allein gestellt gewesen?"; hackt der Franzose nach.

"Anna habe ich wie ihr prophezeit aus dem Krankenzimmer geschmissen, dadurch bin ich nach meiner Entlassung so ziemlich auf mich gestellt gewesen", murmle ich vor mich hin. "Wie kam es dann dazu, dass du zu Twix gekommen bist?", neugierig mustert der Ferrari Pilot mich von der Seite. "Er sollte Blindenhund werden, bei der Prüfung ist er jedoch einige Male durchgefallen und so kam ich zu ihm", meine ich mit permanenten Blick auf den Rüden.

"Ist er schon älter?", fragt mich meine Begleitung auf diesem Spaziergang. "Die Ausbildung dauerte mehrere Jahre. Zum Rechnen bin ich jetzt zu faul, aber Twix ist sicher schon stolze Vier"; überlege ich laut, meine Aufmerksamkeit liegt dabei auf dem Gesicht des Franzosen. "Geht eh voll klar", schmunzelt dieser daraufhin.

"Inwieweit hilft er dir im Alltag?", hackt Pierre nach, langsam werden seine Fragen in wenig anstrengend. "Ohne ihn wäre ich vermutlich aufgeschmissen. Wenn mir etwas runterfällt oder aber, wenn ich keine Hand frei habe kann er mir beispielsweise eine Tür öffnen und so helfen", zähle ich nur zwei der unzähligen Hilfen auf, die mit Twix bietet. "Pass mir gut auf Grace auf, die kann es wirklich gebrauchen", redet Pierre auf meinen Hund ein, der ihn nur mit schiefgelegtem Kopf mustert.

Mit verschränkten Armen hinter dem Kopf finde ich mich auf dem Bett des Hotels nach dem Spaziergang wieder. Twix hat seinen Kopf auf meinem Bauch abgelegt, in dieser Position schläft er tief und fest, wie ich es von ihm kenne. Um ihn nicht zu wecken, strecke ich mich nicht nach dem Buch, welches ich auf dem Nachtkästchen deponiert habe, um es immer griffbereit zu haben. Meine Gedanken kreisen wie bereits am Nachmittag um die Aussage von Pierre, sie bereitet mir langsam Kopfschmerzen.

Heftige Kopfschmerzen lassen mich aufstöhnen, sobald ich mich aufrecht im Bett hinsetzten will. Trotz meiner Plage habe ich es dann doch ins Land der träume geschafft, was an ein Weltwunder grenzt. Twix sieht mich mit schiefgelegtem Kopf an, vermutlich habe ich ihn aufgeweckt, was mich weitaus weniger verwundern würde. "Schau nicht so, ich weiß das du Hunger hast"; murmle ich leise, ohne zu zögern springt er auf.

Die Augenringe lassen mich aussehen wie der Tod in Person, beinahe erschrecke ich mich von mir selbst. Die Haare haben auch schon einmal bessere Tage gesehen, kurzerhand entscheide ich mich dazu, eine ausgiebige Dusche zu nehmen. Nachdem ich das heiße Wasser mehrere Minuten auf meine nackte Haut prasseln hab lassen, fühle ich mich ein wenig besser. Zu meinem Glück haben sie in den Hotel immer eigene Zimmer für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, sonst würde ich vermutlich ziemliche Probleme bekommen.

Im schlimmsten Gammel-Look trotte ich hinunter in den Speisesaal, in welchem Pierre vor seinem Teller sitzt. "Morgen", murmle ich müde, für eine tiefgründige Konversation bin ich viel zu faul, was man vermutlich an meiner kargen Wortwahl zu bemerken scheint. "Guten Morgen", grummelt mein Gegenüber, sein Blick hebt sich dabei nicht. Twix neben mir wurde bereits versorgt, genüsslich frisst er im Liegen aus einer Schüssel, die ihm vor die Nase gestellt wurde.

"Heute sind die ersten Testungen, soll ich dich abholen, bevor wir in die Garage gehen? Damit du dich nicht allein durchkämpfen musst?", schief lächelnd sieht mich Pierre an, sobald ich zu ihm aufsehe. "Gerne, wann würde das etwa sein? Also welche Uhrzeit?"; hacke ich nach, damit ich einkalkulieren kann, ob ich mich umziehen kann, oder nicht. "Gegen halb elf würde das sein, falls du ein paar Minuten mehr brauchst, wäre das auch nicht schlimm", meint dieser, von meiner Seite folgt ein Nicken.

Bevor ich aufstehe stopfe ich mir den letzten Löffel meines Müslis in den Mund. Im Schneckentempo gehe ich in Richtung der Treppen, dabei folgt mir Twix auf Schritt und Tritt. Da es in diesem Hotel einen Lift gibt, bin ich so frei, diesen auch zu benutzen. Da es schon etwas später ist, mache ich mich daran, etwas Ordentliches anzuziehen. Gerade will ich mir die Schuhe zubinden, da klopft es auch schon an meiner Tür.

"Herein", rufe ich kurzerhand, da meine Tür für den Notfall immer geöffnet ist. Als hätte er darauf gewartet, öffnet Charles diese und sieht mich breit grinsend an. "Pierre musste früher los, er meinte ich soll dich abholen", erklärt der Monegasse, welcher vermutlich meinen fragendenden Blick bemerkt hat. Stumm nicke ich ihm zu, gerade ist mir nicht danach, ein Gespräch mit ihm anzufangen.

An der Krücke ziehe ich mich hoch, da spüre ich plötzlich einen Arm, der sich um meinen Rücken legt. Normalerweise stört mich so etwas nicht, viel mehr ist es der Fakt, dass Charles diesen immer tiefer wandern lässt. "Bitte nimm deine Hand dort weg", meine ich kühl, obwohl ich innerlich am Kochen bin. Sein geschockter Gesichtsausdruck spricht Bände, ändert jedoch nichts an der Position seines Armes.

"Hörst du schlecht? Fass mich nicht an"; fauche ich ihn an, stumm weicht er zurück. "Geht doch", knurre ich ihn an, ohne auf ihn zu warten verlasse ich das Hotelzimmer. Verwundert trottet mir Twix hinterher, immer wieder sieht er zurück zu Charles. Mein Puls hat sich noch nicht beruhigt, was aufgrund dieser Situation kein Wunder ist.

"Hallo, wo hast du denn Charles gelassen?"; freundlich werde ich von Pierre begrüßt. "Das kannst du ihn gerne selbst fragen", antworte ich gelassen, doch mein Unterton verrät ihm, dass ich nicht gut auf den Monegassen zu sprechen bin. "Ist es für dich okay, wenn Veronika übernimmt? Sie zeigt dir all die wichtigen Monitore, da kannst du dich daran gewöhnen, bis wir starten", schlägt mir der Franzose vor.

"Habe ich da meinen Namen gehört?"; breit grinsend kommt eine Frau auf mich zu, welche durch die gefärbten Haare aus der Masse sticht. "Zeig doch mal Grace ein wenig die Umgebung, vor allem solltest du sie unterstützen, wenn sie nicht zurechtkommt", meint Pierre, sofort werde ich an der Schulter mitgezogen. "Endlich mal wieder eine Frau hier, herrlich", grinst sie mich an, ihre Art kommt mir etwas seltsam vor.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt