Australien - Melbourne 5

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Langsam löst er sich von mir, dabei sieht er mit ununterbrochen in die Augen, was mich erstarren lässt. Ohne dass wir ein weiteres Wort miteinander wechseln, klopft er an die Holztür, welche auch sofort aufgerissen wird. "Da bist du ja, George", Alex öffnet die Tür mit einem breiten Grinsen im Gesicht, mich hat er vermutlich gar nicht gesehen. "Hey", mache ich mich bemerkbar, sofort schnellt der Kopf des Piloten in meine Richtung.

"Was? Wie? Wo?", mit einem Fragezeichen im Gesicht sieht er mich an, bevor ich dazu komme ihm alles zu beantworten, steckt auch Max seinen Kopf durch den Türspalt. "Das können wir auch drinnen besprechen", meint George, dieser schiebt mich dann auch sanft am Rücken nach vorne. Im Zimmer von Max angekommen, sehe ich mich erst einmal um. Er scheint seinen Koffer bereits ausgeräumt zu haben, da dieser nirgends zu erkennen ist. Der Thailänder baumelt mit den Beinen, die in der Luft schweben, wärend er auf dem Bett des Niederländers sitzt.

"Jetzt erzähl mal, wie kommt es, dass Grace wieder hier ist", abwartend blickt Max zwischen meinem Freund und mir hin und her. "Arbeitsbedingt", antworte ich ihm knapp, es macht mich verrückt, jedem diese Fragen beantworten zu müssen. "Seit wann so gesprächig", scherzt Alex, doch im Moment bin ich überhaupt nicht für eine solch sarkastische Bemerkung zu haben. Um die Situation nicht noch schlimmer zu machen als sie eh schon ist, halte ich einfach meine Klappe. "Wenn Grace nicht darüber sprechen will, dann muss sie nicht", redet Max auf den Thailänder ein, der schlussendlich verständlich nickt.

Die Jungs verfallen rasch in ein Gespräch, aus dem ich mich heraushalte. Bereits am zweiten Tag liegen meine Nerven blank, was bedeutet, dass das restliche Wochenende dementsprechend werden könnte. "Wie läufts mit Esteban?", will George von einem der beiden wissen, weshalb ich hellhörig werde. Der Renault Pilot hatte noch nie sonderlich viel mit uns zu tun, umso verwunderte bin ich über diese Frage. "Naja, irgendwie muss ich jetzt mit ihm auskommen, aber es gibt Besseres", antwortet ihm Max augenrollend. "Zumindest komme ich mit Daniil gut aus", grinst Alex Max frech an, welcher ihm einen vernichtenden Blick zuwirft.

Müde lehne ich meinen Kopf an Georges Schulter, kurz sieht er mich an, legt seinen linken Arm um meinen Rücken und wendet sich dann wieder den Jungs zu. "Wir sollten vielleicht Abendessen gehen", meint Alex, die beiden Jungs grinsen diesen daraufhin breit an. "Kommst du mit, Grace?", will George von mir wissen, schläfrig schüttle ich den Kopf. "Treffen wir uns dann im Zimmer?", frage ich ihn wärend ich mich an den Krücken vom Sofa hochziehe. "Klar", antwortet dieser mir lächelnd.

Allein schlurfe ich am endloslangen Flur des Hotels herum, ohne jeglichem Ziel und einen klaren Gedanken bei dieser Handlung. Vermutlich bin ich bereits einige Mal an meiner Tür vorbeigelaufen, doch so wirklich ist es nicht, dass, was ich will. Seufzend sehe ich aus dem riesigen Fenster, hinaus in Richtung der Rennstrecke, viel kann man in der Dämmerung nicht erkennen. Erst jetzt fällt mir auf, wie riesig die Fenster sind, beinahe vom Boden bis hinauf zur Decke reichen sie, mit ihren verzierten Rahmen. Nach etlichen malen entscheide ich mich dazu, doch ins Zimmer zu gehen. George würde vermutlich nach mir suchen und darüber nicht sonderlich erfreut sein würde. Da ich keinen Streit provozieren möchte, ist dies also die beste Wahl.

Stumm starre ich durch das geöffnete Fenster hinaus, beobachte wie sich der Farbverlauf des Himmels immer mehr ins Blau schiebt und lasse meine Gedanken um die verschiedensten Themen kreisen. Schwere, dicke Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wange, hinab auf den Boden. Die frische Brise weht mir ins Gesicht, immer mehr stütze ich mich auf meinen Krücken ab, doch der Halt wird immer weniger. Der Atem stockt, das Herz rast und immer mehr verliere ich mich in diesem Schmerz, welcher mich zu ersticken droht.

Immer wieder blitzen Szenen aus der Vergangenheit auf, die ich nur allzu gerne vergessen würde, deren Auswirkungen ich für immer aus meiner Gegenwart sowie Zukunft verbannen möchte. Ereignisse die mich seit Jahren prägen und das nicht immer auf eine positive Art und Weise. Aussagen, die mich selbst nach Jahren noch über mein damaliges Handeln lehren, dass es oftmals besser ist, die Klappe zu halten. Doch die wichtigste Lektion war, es ist nicht jedem bestimmt eine normale Familie zu haben, wie sie jedes Kind erleben sollte.

Manchen ist es nicht gestattet ein enges Umfeld um sich zu haben, dass nicht alles wie im Bilderbuch abläuft. Die Schattenseiten werden einem erst bewusst, sobald man sie in ihrer schlimmsten Form erlebt. Niemand erklärt einem Kind gerne die negativen Aspekte von Eltern, die in einer toxischen Beziehung leben. Ein Kind möchte gar nicht damit konfrontiert werden, ob und warum die Eltern streiten, bis zu einem gewissen Punkt glauben alle, Mutter und Vater werden irgendwann wieder eine Bilderbuchbeziehung führen.

Winselnd kommt Twix auf mich zu dieser hatte den Großteil des Nachmittags hier im Zimmer verbracht, so wie ich ihn kenne, hat er geschlafen. Kraftlos breche ich zusammen, unwillkürlich krampfe ich mich immer und immer wieder zusammen, schluchze laut auf. Die kalte Schnauze von dem Rüden an meinem Arm nehme ich kaum noch wahr, ebenso wie den Schmerz von meinem Aufprall. Meine Augen schließen sich, eine eisige Kälte umgibt mich, wärend in mir alles Amok läuft. Immer mehr Wut auf mich selbst staut sich an, Selbstzweifel sowie Erniedrigung.

"Was zur-", nehme ich es gedämpft wahr. Zwei Arme schlingen sich um meinen Oberkörper, welcher schlussendlich vorsichtig an eine Brust gedrückt wird. "Was ist passiert?", will die Person von mir wissen, doch ich kann sie nicht zuordnen. Wie gelähmt liege ich schutzlos da, nicht in der Lage etwas zu sagen. Irgendetwas in mir schreit danach, dass ich mich aus diesen Armen winden soll, doch selbst wenn ich auf diesen Ratschlag reagieren wollen würde, mir sind die Hände gebunden.

"Was ist hier los?", höre ich eine wütende Stimme, in meinem Kopf wird diese nur als hallendes Echo wiedergegeben, es ist unmöglich diese also zu erkennen. "Lass deine Finger von ihr!", knurrt die zweite Person, immer mehr drifte ich ab in Richtung Bewusstlosigkeit. Das Letzte was ich mitbekomme, ist eine Heftige Diskussion, von welcher ich nicht einmal den Inhalt mitbekomme.

Sorgen ohne Grenzen |F1- FF| |George Russell|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt