Kapitel 13

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Die kalte Luft schlug ihm ins Gesicht, als er nach draußen trat, doch er mahnte sich, nicht zurückzuschrecken. Er konnte nicht in sein Zimmer laufen, um eine Jacke und einen Schal zu holen. Dafür war keine Zeit, außerdem würden die anderen ihn dort am ehesten finden. Shota musste einfach weg, weit weg. Ihm war egal, dass sein Kopf noch immer dröhnte und schon bald jeder Atemzug in seiner Lunge brannte. Tatsächlich hörte er in seinem Hinterkopf die leise Stimme der Alten, wie sie sich über ihn beschwerte, weil er sich nicht an das Versprechen, sich zu schonen, hielt. Er hatte diesmal wirklich vorgehabt, sich daran zu halten, doch er war überrumpelt worden. Normalerweise war Aizawa kein Mensch, der davon lief, doch wenn man ihn mit Emotionen konfrontierte, mit denen er nicht umgehen konnte, nahm er schnell reiß aus. Wie sollte er auch mit solchen Dingen so unerwartet umgehen können? Es war unfair gewesen.

Noch immer sah er Hizashis Gesicht vor sich. Dieser verletzte und traurige Ausdruck in seinen Augen, auch wenn er versucht hatte, sich zusammenzureißen. Schließlich hatte er gewusst, was er gerade tat. Der Blonde kannte ihn gut genug um zu wissen, dass man ihn nicht einfach mit solchen Dingen überrumpeln durfte. Trotzdem hatte er es getan und versucht seine wahre Reaktion zu verbergen, doch Shota hatte es gesehen. Er hatte ihn mit seinem Schweigen verletzt, und mit seiner Flucht vermutlich noch mehr angerichtet.

Er hätte etwas sagen müssen. Egal was. Doch er konnte nicht. Shota war kein Mensch großer Gefühle. Nach der Tragödie hatte er sein Herz verschlossen, alle Emotionen ausgesperrt. Es war so einfach. Damals hatte er sich eingeredet, dass es besser so war, wenn er seine dummen Gefühle vergaß und wegsperrte. Der Pakt hatte genau vorgegeben, dass beide es schaffen mussten, sonst ging jeder leer aus. Es war ein Versprechen gewesen, dass ihn an diesen Pakt band und er wollte sich daran halten. Immerhin machte es einiges leichter und allein hätte er ohnehin nie den Mut gehabt, irgendetwas gegenüber Yamada zu sagen. Also hatte er sich abgekapselt und wollte von nun an als Einzelgänger sein Dasein fristen. Leider war sein Vorhaben nicht sehr erfolgreich, da weder Kayama noch Yamada ihn alleine lassen wollten.

Deswegen musste er im Moment auch so viel Abstand zu ihnen gewinnen, wie nur möglich. Sie wollten ständig reden. Über alles. Etwas, was er für gewöhnlich nie konnte und jetzt auch nicht wollte. Nicht jetzt. Nicht über dieses Thema. Er wollte es nicht ausgraben, und auch nicht zulassen, dass es sich von alleine durch die dicken Schichten seines Herzens nach oben grub. Letzteres wäre weitaus schlimmer. Wenn es einfach so aus ihm herausbrechen würde, wie aus einem plötzlichen Vulkanausbruch. Mit diesen Gefühlen konnte er niemals umgehen. Schon damals nicht. Oboro sollte ihm helfen, damit klarzukommen, doch er hatte es nicht geschafft, hatte keine Zeit dazu gehabt. Wer sollte ihm nun zur Seite stehen und Mut zu sprechen, wenn er in diesem aufsteigenden Lavastrom zu ertrinken begann?

Der Gedanke reichte aus, um ihn noch schneller laufen zu lassen. Sport und Training waren schon immer eine gute Ablenkung für ihn gewesen. Darauf vertraute er nun ebenso. Er musste den Kopf freibekommen. Vielleicht schaffte er es dann wieder, diese Gefühle wegzusperren. Shota musste nur darauf hoffen, dass Hizashi ebenso alles wieder begrub und wegsperrte. Darauf durfte er sich jedoch nicht verlassen. Auch wenn Yamada ebenso gut darin war, seine Gefühle zu verbergen, würde er gewiss nichts unversucht lassen, um Aizawa dazu zu bringen, darüber zu reden. Deswegen musste er stark sein, musste diese Gefühle hinter noch dickeren Mauern verstecken. Er konnte es sich nicht leisten, darüber nachzudenken oder sich auf irgendetwas einzulassen. Schließlich musste er sich um Eri kümmern und um die Problemkinder in seiner Klasse. Da blieb einfach kein Platz und keine Zeit dafür, sich über Gefühle zu unterhalten und sich auf irgendetwas Neues einzulassen.

Aber wieso tat dieser Gedanke so weh? Er war doch nur logisch, was er tun wollte. Shota war nicht gemacht für solche Sachen. Er dachte rational und nicht emotional. Auch sein Job als Undergroundhero ließ so etwas kaum zu. Es gab so vieles, was dagegen sprach, deswegen wäre es sinnlos, irgendwelche kostbaren Minuten daran zu verschwenden, über etwas nachzudenken.

Doch selbst, nachdem er Ewigkeiten über den Campus gejoggt war, kamen seine Gedanken nicht zur Ruhe. Erneut kam er am Wohnheim seiner Klasse vorbei, spielte kurz mit der Idee, sie sofort der Schule zu verweisen, verwarf sie jedoch wieder und fand sich schließlich in einer der Trainingshallen für Nahkampftechniken wieder. Nichts machte den Kopf besser frei, als ein paar Boxsäcke und ausgestopfte Gegner zu verprügelt. Außerdem hatte die kalte Luft ihn kurzatmig werden lassen, weswegen es bestimmt nicht schaden würde, in einem geschlossenen Raum zu sein, um sich aufzuwärmen, während er sich weiter verausgabte. Früher hatte es ihm immer geholfen, abzuschalten. Er hatte so lange trainiert, bis er einfach zu müde wurde, sich weiter zu bewegen und war an Ort und Stelle umgefallen. Meist war Hizashi dann irgendwo in der Trainingshalle aus seinem Versteck hervorgekrochen, und hatte ihn zugedeckt und mit Wasser versorgt.

Hizashi. Schon wieder hingen seine Gedanken nur bei dem Blondschopf. Seine grünen Augen hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt, wie ein Stück Kohle. Immer stärker wurden Shotas Schläge, die er der Übungspuppe verpasste, bis er etwas hinter sich hörte, was ihn herumfahren ließ. Leider vergaß er dabei den Rückstoß seines letzten Fausthiebs. Die Übungsgegner waren allesamt an einer schweren Feder am Boden befestigt, was dazu führte, dass Aizawas letzter Angriff sie fast zu Boden befördert hatte, doch sie nun umso kräftiger zurückschlagen würde. Und das geschah nun auch. Mit voller Wucht traf der harte Trainingssack ihn im Rücken und ließ ihn zu Boden gehen, wo er erschöpft liegen blieb, und aus Erschöpfung das Bewusstsein verlor.

Der PaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt