Kapitel 10

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Der nächste Morgen versprach so ruhig zu werden wie der vorherige. Weder Loki noch Darcy erwähnten den gestrigen Abend. Die junge Frau fühlte, dass gestern eine Barriere zwischen ihnen gefallen. Es machte ihr Spaß, jeden Tag neue Eigenheiten an Loki zu entdecken, etwa dass er eine Schwäche für Süßigkeiten hatte oder immer ein Buch bei sich trug. Loki war das stolzeste Geschöpf, das ihr je begegnet war, doch in manchen Bereichen schien er so normal und vertraut, ja beinahe menschlich.

Sie richteten stumm gemeinsam den Tisch für das Frühstück und Darcy musste innerlich lächeln. Mit Loki in der Küche zu stehen fühlte sich eigenartig vertraut an, wie ein liebgewonnenes Ritual. Beängstigenderweise erschien plötzlich vor ihrem inneren Auge das Bild einer Zukunft, in der Darcy jeden Tag mit Loki gemeinsam aß. Es beunruhigte sie, wie sehr ihr diese Vorstellung gefiel.

„Sollte ich mich fragen, weshalb du so ungewohnt schweigsam bist?" Lokis angenehme Stimme riss Darcy aus ihren Träumereien. Sie blinzelte und wurde prompt rot. „Ich kann nicht essen und gleichzeitig reden", sagte sie schnell und biss in ihren Toast um ihre Verlegenheit zu überspielen. Lokis türkise Augen ruhten auf ihr und die Praktikantin hatte das ungute Gefühl, dass er ihre erbärmlich schlechte Lüge sofort durchschaut hatte und ganz genau wusste, woran sie gerade gedacht hatte. Lokis Augen schienen direkt in ihre Seele zu sehen. Dem Gott der Lügen konnte man nichts vormachen.

Um sich abzulenken hob Darcy den Kopf und blickte aus dem grün gestrichenen Küchenfenster. Der Nebel und Nieselregen der vergangenen Tage war einer trüben Sonne gewichen. Helle Lichtstrahlen durchbrachen die Fensterscheibe und die grauen Wolken gaben ein Stück blauen Himmel frei. Es war auch wärmer geworden.

„Endlich ist das Wetter heute besser als die letzten Tage", sagte Darcy. Loki zuckte desinteressiert mit den Schultern, unbeeindruckt von ihrem Enthusiasmus. „Sollte das etwas an meiner Lage ändern?", fragte er gelangweilt. Darcy nickte und schluckte den letzten Bissen ihres Toasts hinunter.

„Wir könnten spazieren gehen", schlug sie in einer plötzlichen Eingebung aufgeregt vor. „Das Haus ist toll, aber es wäre schön, die Gegend zu erkunden." Als Loki nicht reagierte, verdrehte Darcy die Augen. „Willst du mir sagen, dass es dir gefällt, den ganzen Tag im Haus verbringen zu müssen?", fragte sie fordernd. Loki lachte bitter. „Ich denke nicht, dass mein Bruder wollen würde, dass ich unter die Menschen gehe", erinnerte er sie. Darcy überraschte ihn mit einem übermütigen Zucken ihres interessanten Mundes. „Aber Thor muss es nicht erfahren", meinte sie listig. Lokis Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Schmunzeln.

„Du riskierst den Zorn meines Bruders um mir einen Gefallen zu machen?", fragte er interessiert. Darcy lachte auf und stand von ihrem Stuhl auf. „Solange du nicht als asgardianischer Mussolini gekleidet vor dieTüre gehst, wüsste ich nicht was dagegen spricht", zog sie ihn auf. Loki schüttelte lächelnd den Kopf. Er war noch nie einem Menschen begegnet, der ihn so irritierte und gleichzeitig so faszinierte wie Darcy Lewis. Die Entscheidung fiel ihm leicht. Loki hasste es, eingesperrt zu sein. „Einverstanden", sagte er.

Darcy entschied sich für ihre rote Bluse, die schwarze Jacke mit den weißen Ärmeln, eine schwarze Strumpfhose und ihren graumelierten Minirock aus Baumwolle. In dem alten Holzschuppen neben der Garage fand Darcy sogar zwei funktionsfähige Fahrräder. Sie dachte auch daran, einen Picknickkorb mit einer warmen Decke, zwei Hühnerbrustsandwichs und Sodaflaschen, Erdbeeren sowie einer Packung Butterkekse einzupacken. Sie verstaute gerade den Korb in dem Träger an ihrem Fahrrad, als Loki zu ihr auf den Hof trat.

„Ich sehe, du hast an alles gedacht", stellte er anerkennend fest während er neben Darcy stehen blieb. „Ich bin eben gründlich", entgegnete die junge Frau und musterte ihn prüfend. „Bist du dir sicher, dass dein Mantel regensicher ist?", scherzte sie. Loki blickte an sich hinunter. „Ich nehme an, du spielst damit darauf an, dass meine Erscheinung andere Menschen verstören könnte", bemerkte er mit einem amüsierten Zucken seiner Lippen. Die Bilder von Loki auf dem zerstörten Stark Tower waren um die Welt gegangen.  „Nicht deine Erscheinung, mehr deine Kleidung", entgegnete Darcy vorsichtig. Loki zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Suddenly DarcyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt