Kapitel 26

36 2 0
                                    


Nach drei Tagen fühlte sich Darcy wieder stark genug um in ihre Wohnung zurückzukehren. Die Kopfschmerzen, die sie besonders am ersten Tag nach dem Unfall gequält hatten, waren verschwunden, die Wunden an ihren Rippen waren blauen Flecken gewichen und ihr Handgelenk befand sich in einem sicheren Gips.

„Mir geht es gut", versicherte Darcy auch Bruce, der sie wie ein überfürsorglicher Vater besorgt beobachtete während sie von ihrem Krankenbett aufstand. „Ich möchte nach Hause und wieder arbeiten." Die junge Frau war es nicht gewohnt, für lange Zeit still zu stehen.

„Natürlich." Bruce räusperte sich verlegen. Als er immer noch bei ihr stand wie Darcy ihr Krankenhausnachthemd gegen ihre eigene Kleidung wechseln wollte, runzelte die junge Frau misstrauisch die Stirn. „Sie haben nicht ernsthaft vor, mir beim Umziehen zuzusehen, oder?", fragte sie skeptisch. „Ich glaube nicht, dass das Natasha gefallen würde."

Bruce lachte schrill. „Natürlich nicht", sagte er schnell. Er machte jedoch immer noch keine Anstalten, sich zu bewegen. Darcys Blick wurde verwirrt. Sie kannte den Wissenschaftler mittlerweile gut genug um zu merken, wenn ihn etwas bedrückte.

„Was ist los?", verlangte sie zu wissen. „Etwas stimmt nicht, das merke ich. Was verschweigen sie mir?" Bruce zögerte. Der Wissenschaftler schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Als du zu uns gekommen bist, habe ich eine Probe von deinem Blut genommen", begann er langsam. „Nur um sicher zu sein, dass du absolut gesund bist", fügte er schnell hinzu als er Darcys Blick bemerkte. Bruce wand sich. Er fühlte sich sichtlich unwohl, wie ein Vater, der seinem jungen Kind erklären muss, woher die Babys kommen. „Ich habe auch tatsächlich etwas entdeckt", fuhr er fort.

Darcy zog erschrocken die Augenbrauen hoch. „Sagst du mir gerade, dass ich krank bin?", fragte sie schockiert. Bruce reagierte nicht und die junge Frau hatte nun nicht nur Angst, sondern sie war auch verärgert.„Doc, das ist nicht witzig!", bemerkte sie irritiert. „Bruce, sag mir die Wahrheit, ich sterbe doch nicht, nicht wahr? Das wäre nämlich wirklich unpraktisch!"

Bruce lachte auf und schüttelte zu ihrer Erleichterung energisch den Kopf. „Nein, du bist kerngesund", versicherte er Darcy. Die junge Frau musterte ihn verwirrt. „Was ist dann das Problem?", verlangte sie zu wissen. Bruce schluckte. Einen Augenblick sprach er nicht. Darcy begann die Geduld zu verlieren, als der Wissenschaftler endlich antwortete.

„Darcy, du bist schwanger."

Bruces Worte schienen die Zeit mit einem Schlag still stehen zu lassen. Darcy hörte den Wissenschaftler, aber ihr Verstand weigerte sich, diese völlig überraschende Erkenntnis zu verarbeiten. Die Welt hielt kollektiv den Atem an. Darcys Gehirn versuchte mit den neuen Informationen umzugehen. Die junge Frau öffnete den Mund um etwas zu entgegnen, aber ihr fehlte die Stimme, um die gesuchten Worte zu formen. Sie fühlte das Klopfen des Herzens in ihrer Brust. Sie nahm ihren Körper wahr, der vor Erstaunen erstarrt war und fühlte ihre Hände, die sich instinktiv hoben, als wollten sie ihren Bauch berühren. Darcy schluckte und in diesem Moment fand sie endlich ihre Stimme wieder.

„Wie?", wisperte sie. „Wie ist das möglich?"

Darcy schloss ihre Augen und atmete tief durch um sich wieder zu sammeln. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme fester. „Ich weiß natürlich wie das passiert", sagte die junge Frau. „Aber wie -" Sie verstummte. Darcys Gedanken rasten. Sie hatte tatsächlich in den letzten Tagen mehr geschlafen als gewöhnlich. Sie hatte auch mehr gegessen, aber das hatte die junge Frau auf ihren Liebeskummer geschoben. „Sind sie sicher?", fragte sie schließlich.

Bruce verstand dankenswerterweise ihr Gestammel. Er nickte. „Ich habe die Proben zwei mal geprüft", erklärte der Wissenschaftler. „Du bist in der vierten Woche schwanger."

Darcy rechnete im Kopf nach. Vor vier Wochen war sie mit Loki in Asgard gewesen. Diese Woche sollte sie theoretisch ihre Periode bekommen. Darcy war noch nie zu spät gewesen, aber jetzt wurde ihr mit einem aufgeregten Stolpern ihres Magens bewusst, dass sie tatsächlich eigentlich ihre Periode bereits hätte bekommen müssen. Ihr wurde flau im Magen.

Darcy hatte bisher nie über eine mögliche Schwangerschaft nachgedacht. Die junge Frau war überaus vorsichtig und hatte immer genau aufgepasst, wenn sie mit Loki zusammen war. Aber mit einem Eisriesen zusammen zu sein war offensichtlich nicht mit einer Beziehung zu einem Menschen zu vergleichen.

Bruce schien ähnlich zu denken. „Ich weiß, dass ist bestimmt nicht mein Fachgebiet", sagte der Wissenschaftler sanft, „Ganz bestimmt geht es mich auch nichts an, aber ... Loki war die letzte Person mit der du zusammen warst, nicht wahr?" Er zögerte kurz. Als Darcy nichts entgegnete, sprach der Mann weiter. „Was ich dich fragen will", fuhr er fort, „Gibt es jemanden, den ich für dich verständigen soll?"

Darcy dachte bei seinen Worten an Thor und Jane, die versprochen hatten, sie nach Hause zu bringen. Sie warteten bestimmt bereits vor dem Gebäude auf sie. Sie dachte an Loki, der nur wenige Stockwerke entfernt in seinem Zimmer saß und nicht ahnte, dass er bald Vater werden würde. Was sollte sie ihnen allen sagen?

„Nein", meinte Darcy leise. „Es gibt niemanden."

Die junge Frau drehte sich zu Bruce. „Könntest du mich kurz alleine lassen?" ,bat sie ihren Freund. „Ich brauche eine Minute." Sie hatte gerade einen Moment. Vermutlich den größten in ihren bisherigen Leben.

Bruce nickte rasch. „Natürlich", sagte er verständnisvoll. Darcy blieb stehen, bis er das Zimmer verlassen und die Türe hinter sich geschlossen hatte, dann ging sie langsam zu dem Fenster neben dem Bett, das einen weitläufigen Ausblick auf das Gelände des Hauptquartiers bot. Die Sonne schien und die junge Frau konnte die Vögel singen hören. Alles schien so wie immer. Doch für sie hatte sich alles geändert .In nur einer Minute hatte sich ihre Welt unwiderruflich gewandelt.

Darcy hatte immer gewusst, dass sie eines Tages Kinder haben wollte. Zwei, am liebsten Junge und Mädchen. Sie würde einen netten Mann heiraten und mit ihm, ihren Kindern und einem Hund und einer Katze in einem charmanten Vorort von New York leben. So lautete ihr Plan. Doch in diesem Bild, dass Darcy von sich und ihrer Familie hatte, war sie einige Jahre älter und ganz bestimmt entpuppte sich der in ihren Gedanken immer gesichtslose Ehemann nicht als Loki, Trickster und nordischer Gott. Wie sollte sie sich jetzt verhalten?

Dennoch stellte Darcy zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass sie keine Angst empfand vor dieser neuen Wendung in ihrem Schicksal. Sie wollte dieses Kind, Lokis Kind. Darcy mochte absolut keine Ahnung von Babys oder Kindererziehung haben, ganz zu schweigen davon wie sich ein Kind von Loki entwickeln würde, aber die junge Frau wusste, dass sie es schaffen würde, für ihren Sohn oder ihre Tochter eine Mutter zu sein. So überrascht sie zu Beginn von der Nachricht gewesen war, plötzlich konnte sich Darcy nicht mehr vorstellen, ohne dieses Wesen, dass in ihr heran wuchs, zu leben. Vor ihren Augen erschien ein neues Bild, das von einem kleinen Jungen, mit ihren schokoladenbraunen Locken und Lokis türkisen Augen und eine Woge der Liebe strömte durch sie hindurch und vertrieb jede Angst oder Unsicherheit, die sie vielleicht empfunden haben mochte.

Darcy lächelte mit Tränen in den Augen und legte vorsichtig eine Hand auf ihren Bauch. „Keine Sorge", wisperte sie beruhigend. „Ich werde alles wieder in Ordnung bringen."

Eine halbe Stunde später war Darcy bereit, nach Hause zurück zu kehren. „Es geht mir gut", versicherte sie einem besorgten Bruce. „Ich werde alles klären sobald ich wieder in meiner Wohnung bin." Die junge Frau hatte noch immer keine Ahnung, was sie Jane und Thor erzählen sollte, oder Loki. Darcy war klar, dass sie mit ihm reden musste. Der Trickster hatte ein Recht darauf, zu erfahren, dass er Vater werden würde. Sie musste nur zuerst die richtigen Worte finden.

Ihre Freund schoben ihre ungewohnte Schweigsamkeit auf ihre Müdigkeit und fragten glücklicherweise nicht nach. Darcy war erleichtert, als sie zurück in den vertrauten Wänden ihrer Wohnung war. Die junge Frau machte es sich mit einer Tasse Tee in ihrem Wohnzimmer gemütlich. Während sie an dem heißen Getränk nippte, dachte sie nach. Wie sollte es jetzt für sie weiter gehen?

Suddenly DarcyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt