Kapitel 30

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Zu Darcys Überraschung verlief ihr Leben zurück auf der Erde erstaunlich ruhig. In den folgenden Monaten beendete sie endlich ihre Doktorarbeit (sie war jetzt Dr. Darcy Lewis!) und sie bereitete sich auf die Geburt ihres Kindes vor. Mittlerweile ließ sich ihre Schwangerschaft nicht länger verbergen.

„Ich fühle mich wie ein gestrandeter Wal!", klagte die junge Frau vor Jane. Darcy entwickelte einen Heißhunger auf chinesisches Essen und sie war dankbar, dass sich die unangenehme Morgenübelkeit auf ein paar wenige Tage beschränkte. Das schönste Geschenk kam von Tony, der Loki und sie gleichermaßen verblüffte, als er ihnen Stark Manor vermachte.

„Dem Haus wird es guttun, wenn jemand auf längere Zeit darin lebt und ich hatte nie vor, dauerhaft nach England zu ziehen", erklärte das Genie sein großzügiges Geschenk. Der Milliardär bewies einmal mehr, wie aufmerksam er war. Tony schien instinktiv zu ahnen, wie glücklich Loki und Darcy in diesem Haus gewesen waren und jetzt wollte er, dass sie dort als Familie glücklich sein würden. Das Paar beschloss, nach der Geburt ihres Kindes in das Anwesen zurück zu ziehen. Bis es jedoch soweit war, hatten sie ganz ähnliche Probleme wie andere Eltern auch, beispielsweise wenn es um einen passenden Namen für ihren Sohn oder ihre Tochter ging.

„Was hältst du von Thorin, für einen Jungen?", schlug Darcy eines Abends vor, als sie gemeinsam in ihrem Wohnbereich auf der Couch lagen. „Thor wie sein Onkel und -in, nach Odin, wie sein Großvater", erklärte sie, als Loki sie mit hochgezogenen Augenbrauen skeptisch musterte.

„Ich kannte einmal einen Zwerg namens Thorin", sagte der Trickster wenig begeistert. „Ich werde meinen Sohn bestimmt nicht nach einem grobschlächtigen Wicht nennen!" Darcy rollte irritiert mit den Augen. „Offenbar hast du noch nie Der Hobbit gelesen", brummelte sie.

Je näher der errechnete Geburtstermin rückte, desto mehr machte sich auch Loki seine Gedanken über seine Rolle als Vater. Dem Trickster war schmerzhaft bewusst, dass er keinerlei Ahnung von Kindern hatte, geschweige denn davon, selbst Vater zu sein. Der Gedanke quälte ihn so sehr, dass er nachts nicht schlafen konnte. Unruhig wandelte er durch das Hauptquartier der Rächer, bis er eines Nachts in der Gemeinschaftsküche der Rächer landete. Der Trickster ließ sich auf einem Küchenstuhl nieder und fuhr sich erschöpft über das Gesicht. Würde er in der Lage sein, seinem Kind ein guter Vater zu sein?

„Schlaflose Nacht?" Die Stimme von Tony Stark ließ ihn den Kopf heben. Der Milliardär hatte gerade die Küche betreten und musterte Loki neugierig.

Die Mundwinkel des Tricksters zuckten amüsiert. „Bei dir ebenfalls, wie ich sehe", stellte er fest.

Tony zuckte mit den Schultern. „Der Nachteil wenn man ein Genie ist", bemerkte er trocken. „Mein Gehirn arbeitet vierundzwanzig Stunden. Ich denke zu viel. Seit ich mit Pepper zusammen bin ist es besser geworden, aber mein Körper ist es nicht gewohnt, acht Stunden durch zu schlafen."

Er nickte zu der dunklen Bar. „Ein Schlummertrunk?", schlug er vor. Loki nickte gleichgültig. „Warum nicht?", meinte er und erinnerte sich an das letzte Mal, als Tony ihm ein Getränk angeboten hatte. Wie viel hatte sich seitdem geändert! Jetzt waren der Trickster und das Genie so etwas wie Freunde geworden. Loki musste über die Ironie der Situation lächeln.

Tony kam mit zwei Gläsern in denen eine goldene Flüssigkeit schimmerte zu ihm und setzte sich wortlos neben den anderen Mann. Loki spürte seinen aufmerksamen Blick auf sich.

„Solltest du nicht bei Darcy sein?", fragte der Milliardär nachdenklich. „Bis zu der Geburt dauert es nicht mehr lange." Loki antwortete nicht, aber Tony musste sein gehetzter Gesichtsausdruck aufgefallen sein, denn er grinste auf einmal amüsiert.

„Lass mich raten", sagte er mit einem Schmunzeln. „Du hast Angst davor, wenn es soweit ist und das Baby da ist?"

Loki wandte widerstrebend sein Gesicht zu dem anderen Mann. Tony plante ebenfalls, Vater zu werden. Anders als den Trickster schien ihn dieser Gedanke jedoch keine Sorgen zu bereiten. „Beunruhigt dich der Gedanke zu versagen denn nicht?", fragte er fordernd. Tony nahm gelassen einen Schluck von seinem Whisky.

„Vater zu werden ist ein Abenteuer", gab er zurück. „Es wird mein Leben bereichern. Ich persönlich freue mich darauf." Die Entschlossenheit in Tonys Stimme ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte.

Loki lächelte bitter. „Bei mir liegt der Fall ein wenig anders", sagte er mit harter Stimme. „Ich hatte zwei Väter. Einer hat mich nach der Geburt auf einem Stein aus Eis ausgesetzt und zum Sterben zurückgelassen, der andere hat mich aufgenommen um mich für seine politischen Pläne zu missbrauchen und er hat mich nie vergessen lassen, dass er meinen großen Bruder sehr viel mehr schätzt und respektiert als mich." Weder Laufey noch Odin hatten ihm die Liebe gegeben, die ein Vater seinem Kind geben sollte. Wie sollte Loki diesen Fehler bei seinem eigenen Kind vermeiden?

Tony schnalzte mitfühlend mit der Zunge. „Das ist Übel", gab er zu. „Aber wenn es um das Spiel geht wer den schlechtesten Vater hatte, kann ich leicht mithalten." Die lebhaften braunen Augen des Genies verdunkelten sich als er sich erinnerte. „Howard, mein Vater, hat mich als Kind so schikaniert und gequält, dass ich oft mit blauen Flecken und Zigarettenlöchern an den Armen in die Schule gehen musste. Als ich vierzehn Jahre alt war, hat er mich gezwungen, mich zu betrinken um ihm zu beweisen, dass ich ein Mann bin. Ich musste zwei Tage lang mit einer Alkoholvergiftung das Bett hüten. Er hat mich in ein Internat abgeschoben und auch wenn ich keinen Bruder wie Thor hatte, ich musste mit der Erinnerung von Captain America konkurrieren." Das Genie verzog gequält das Gesicht. „Howard hat Steve wie einen Helden verehrt und er hat mich immer spüren lassen, dass egal wie genial und erfolgreich ich sein werde, es in seinen Augen niemals genug sein wird." Tonys Stimme klang bitter als er an die kindlichen Torturen zurück dachte. Beinahe hätte ihn seine Vergangenheit auch daran gehindert, eine Freundschaft zu Steve aufzubauen, als Iron Man und Captain America persönlich aufeinandergetroffen waren.

Loki lauschte Tony stumm. Mitgefühl für den anderen Mann stieg in ihm auf. Odin war vielleicht nicht ein liebevoller Vater gewesen, aber immerhin hatte er ihn nie körperlich missbraucht und bemühte sich jetzt spürbar, alte Wunden zu kitten und eine stabile Beziehung zu seinen beiden Söhnen aufzubauen. Tony war diese Art der Heilung verwehrt geblieben.

„Woher weißt du, dass du nicht die Fehler deines Vaters wiederholen wirst?", fragte Loki nachdenklich.

Der Milliardär antwortete ohne zu zögern. „Ich bin nicht mein Vater, sondern mein eigener Mensch", sagte Tony entschieden. „Es hat ein paar Jahre gedauert, diese Tatsache zu begreifen, aber ich werde nicht zulassen, dass meine Ängste mich davon abhalten, das Leben zu führen, dass ich möchte."

Loki nickte stumm.Das ergab Sinn. Das Genie grinste schief. „Jetzt lass uns austrinken und zu unseren Frauen zurückgehen", scherzte Tony. Der Trickster musste gegen seinen Willen lachen und hob sein Glas. „Wohl gesprochen!"

Auf diese Weise vergingen die Tage und Wochen und wurden zu Monaten. Lokis Furcht, die Schwangerschaft und die besondere Natur ihres Kindes könnte Darcy schaden, sollte sich zu seiner Erleichterung nicht bewahrheiten. Das Baby entwickelte sich auf natürliche Weise während die junge Frau ihr Leben mehr oder weniger wie gewohnt fortsetzte.

„Das ist immerhin kein kitschiger Vampirroman, in dem sich das Kind aus dem Leib der Mutter beißt", bemerkte Darcy, der Lokis Sorge nur zu bewusst war.Der Trickster schüttelte nur den Kopf. „Du liest zu viel", bemerkte er sarkastisch, aber sie konnte sein Lächeln sehen als er sprach.

Loki und Darcy fügten sich ohne Zwischenfälle in das Leben der Rächer ein.

Suddenly DarcyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt