115 Teil

568 18 17
                                    

Burak

Wahre Liebe vergeht nicht, sagte man mir.
War unsere Liebe nicht wahr, oder warum verging sie?
Warum zerriss sie mir die Seele, wenn man sagte, dass die Liebe einen aufbaute? War Liebe Frieden, oder doch Krieg? Lernten wir ein Leben lang Lügen über die Liebe? Vielleicht war die Liebe nur eine große Illusion und so etwas wie Glück verlieh sie nicht. Vielleicht brauchte die Liebe zwei Kämpfer und wir waren Verlierer. Vielleicht war die Liebe zu schön um wahr zu sein...
Eine große Leere verschluckte mich. Die Schlucht, die sich vor Langem schloss, öffnete sich und weitete mir die Arme. Ich wollte fliehen, aber mir fehlte die Kraft. Die einzige Person, die mir Kraft gab, war nicht mehr Teil meines Lebens. Alles nahm sie beim Verschwinden mit. Zurück, blieb ein zerfallener Mann...

Ein Klopfen durchbrach die Stille. Daraufhin ging die Zimmertür auf. Ein kalter Windzug ging an mir vorbei. Der November war kalt und grau. Schritte traten rein und blieben stehen.
„Burak?", fragte mich eine ruhige Stimme.
Ich antwortete nicht. Ich rührte mich nicht vom Fleck. Alles blieb Still. Tief holte Batuhan Luft und setzte sich zu mir. Womöglich sammelte er die Worte in sich. Sein Blick schweifte über den Boden.
„Seit zwei Monaten verlässt du nicht dein Haus. Anrufe nimmst du nicht an. Lebenszeichen gibst du nicht... Hätte ich nicht deinen Schlüssel, könnte ich dich nicht erreichen.", begann Batuhan zu reden.
Vor zwei Monaten wurde ich erbarmungslos verlassen. Ich war müde. Und das seit Wochen. Es fehlte mir nicht an Schlaf. Meine Seele war müde.
„Ich mache mir Sorgen um dich. Verstehst du?", suchte er mein Blick.
Das Foto in meiner Hand legte ich zu den anderen Fotos.
„Willst du mir nichts sagen?", drängte mich Batuhan zu einer Antwort.
Ich schüttelte den Kopf.

„Sag was! Schweige nicht mehr!", erhob er verzweifelt die Stimme.
Wieder antwortete ich nicht.
„Was soll das? Willst du für den Rest deines Lebens hier verweilen? Willst du deine Fotos mit Kaders anschauen?", sprang er von der Stelle auf.
Ich schloss die Augen und schluckte. Ihren Namen zu hören, verbreitete mir Schmerzen.
Batuhan fing an, die zerstreuten Fotos auf dem Boden einzusammeln.
„Lass es.", war das erste, was nach langem sagte.
Batuhan hörte nicht auf mich. Die Rolladen zog er hoch. Das grelle Licht stach regelrecht in den Augen, dass ich sie zusammenkniff. Die Unordnung im Zimmer begann er zu beseitigen.
„Lass mich allein.", forderte ich.
„Sei leise! Zu lang habe ich dich gehen lassen.", sammelte er weitere Fotos ein.
Warum hörte mein Bruder nicht auf mich? Ich wollte weder jemanden sehen, noch hören.

„Git dedim! Anlamıyor musun? (Geh, habe ich gesagt! Verstehst du es nicht?)", stand ich abrupt auf und packte Batuhan an der Schulter.
„Anlamıyorum! Tamam mı? (Ich versteh's nicht! Okay?)", widersprach er mir.
Seine Anwesenheit störte mich. Dass er sich in mein Chaos einmischte, störte mich.
„Lass meine Erinnerungen bei mir!", funkelte ich ihn an und riss die Fotos aus seiner Hand.
„Sie ist weg Burak! Verstehst du? Kader ist weg."
Ein Schmerz durchzog meine Brust.
„Sprich ihren Namen nicht aus!", ging ich auf ihn zu.
„Hat sie an dich gedacht, als sie gegangen ist? Wie kannst du sie noch lieben?"
„Defol git! (Verzieh dich!)", wurde ich lauter.
„Kendine gel! (Komm zu dir!)", schrie Batuhan daraufhin und rüttelte mich.
Seine wutentbrannten Blicke durchbohrten mich. Er war enttäuscht von mir. Er war bemitleidet und verletzt. Aber keiner könnte mich mehr retten.
Länger konnte ich seinen Blicken nicht mehr standhalten. Unmittelbar brach ich zusammen.
Die Tränen, die ich zu lange unterdrückt hatte, drangen heraus.

„İçim yanıyor! (Meine Seele brennt!)", schluchzte ich.
Fest umschlangen mich Batuhans Arme. Alles was ich brauchte war sie! Verdammt nochmals sie! Ihre Nähe brauchte ich, doch die Distanz ließ sie zwischen uns eindringen. Auf Entzug war ich und es schmerzte. Ihre Liebe war eine Sucht, die mich betäubte. Nun musste ich aus dem Traum erwachen.
„Ich werde es nicht zulassen, dass du untergehst.", versprach mir mein Bruder.
„Ich bin nicht mehr zu retten!"
Batuhan konnte sich die Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Jeden verdammten Tag ist sie in meinem Kopf. Ich halte es nicht mehr aus!", schluchzte ich und grub das Gesicht zwischen die Hände.
Mein Körper konnte die Last nicht mehr tragen. Auf die Knie stürzte ich. Batuhan ließ mich dabei nicht aus seinen Armen.
„Ich weiß doch, wie sehr es dir wehtut... Aber du musst wieder aufstehen, verstehst du?"

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt