71. Teil

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Die Blicke trafen mich wie Feile im Herz. Streng und voller Ernsthaftigkeit sah mich Burak an. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich war plötzlich wie gelähmt.
Unsere Stirn berührte sich. Er hielt mich so fest, als ob ich jederzeit gehen könnte. Langsam erhob ich meine Hand und legte sie auf seine Schulter. Diese Nähe verwirrte mich. Seine Nähe brachte mich durcheinander. Er war kalt, doch gleichzeitig liebevoll. Ich versuchte ihn von mir wegzudrücken.
„Burak!", sagte ich leise, doch er rührte sich nicht vom Fleck.
Erneut blickten wir uns an. Braun gegen blau. Schmerz gegen Schmerz. Ich fühlte mich wie vom Blitz getroffen.

„Es tut mir leid!", bekam ich brüchig raus. Mir blieb der Atem weg. Ich konnte kaum reden.
„Was tut dir mehr leid? Dass du mein Herz gestohlen hast, oder es gebrochen hast?", fragte er plötzlich, während er mir eine Träne wegwischte.
Was? Auf Schlag erstarrte ich. Hatte ich das richtig gehört?
„Weißt du was? Ich hasse mich manchmal auch. Wenn ich deine Tränen nicht weg wischen kann und, wenn ich meine Gefühle nicht unterdrücken kann. Wenn ich den Drang habe, dich zu sehen.", fuhr er fort.
Ich nahm meine Hände sofort von Burak runter.
Wenn ich den Drang habe, dich zu sehen. Mein Herz fing an wie wild zu schlagen. W-was sagte er? Solche Worte waren mir schon immer fremd. In den Jahren hatte ich keinen an mich rangelassen.
„Und ich hasse dich, wenn ich dich mit anderen sehe!", sagte er danach.
Daraufhin lächelte er mit Tränen im Gesicht.
„Burak-"
„Sei leise. Jetzt werde ich reden und du schweigen.", unterbrach er mich.
Kurz entstand eine Stille zwischen uns.
„Ich weiß nicht wie ich mit dir umgehen soll. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Du bist der komplizierteste Mensch, dem ich je begegnet bin. Du tust mir weh, doch ich kann dich nicht hassen ..."
War das wirklich Burak vor mir? Hatte er die Worte all die Zeit unterdrückt? Waren die Gefühle schon immer da?

„Hasse mich, liebe mich, ist mir egal. Aber es quält mich, wenn ich dich mit anderen sehe! Ich will alle Männer, die dir zu nah kommen umbringen. Hör bitte auf damit! Mache alles, aber bringe mich nicht an meine Grenzen! Sonst werde ich dich immer wieder verletzen.", fuhr er fort.
Gerade eben war er so kalt zu mir. Doch jetzt sprach er so sanft und vorsichtig.
Mein Kopf machte das ganze nicht mehr mit. Batuhan Worte fielen mir ein.
Burak liebt dich.
Oh Gott ... Vielleicht war mir das von Anfang an klar, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Ich wollte Buraks Gefühle nicht anerkennen. Tief atmete ich die Luft ein.

„Hör auf zu reden!", bat ich.
Ich war nicht bereit das alles zu hören.
„Warum? Hast du Angst, dass sich dein erfrorenes Herz erwärmt?", fragte er.
„Du verwirrst mich ... Hör auf!", wiederholte ich lauter.
„Ich werde nicht mehr schweigen Kader. Ich will, dass du mich versteht!", sicherte er.
„Ich werde reden, bis dein sturer Kopf meine Worte versteht.", sagte er und suchte meinen Blick. Ich wich ihm aus.
Danach erhob er seine Hand und nahm ein Blatt weg, dass sich in meinen Haaren verfangen hatte.
Mein Herz schlug wie Wild gegen mein Brustkorb. Ein seltsames Gefühl ging durch mir. Hör auf mich so anzuschauen Burak!
Ich musste weg hier! Plötzlich gingen alte Erinnerungen durch mein Kopf. Als ob sich eine Szene aus meiner Vergangenheit erneut abspielen würde ...

Sofort löste ich mich aus der Starre und rannte zu meinem Auto. Als ich ankam, stützte ich mich an der Motorhaube und atmete tief die frische Luft ein.
Meine Hände hatten angefangen zu zittern. Mein Herz schlug immer noch wie wild. Der Regen hatte noch nicht aufgehört. Doch die Regentropfen machten mir nichts aus. Ich stieg in mein Auto ein und schnallte mich an. Fest schloss ich die Augen zu. Was war gerade eben passiert? W-was hat Burak mit mir gemacht? Beruhige dich Kader! Ich lehnte meine Stirn an meine Hand, die den Lenkrad fest umklammert hatte.
Als Burak das Blatt entfernt hat, fiel er mir ein. Das hatte er auch gemacht. Er stand mir auch so nah. Nur bei Burak wusste ich, dass ich in Sicherheit war. Bei Ömer nicht. Ja, es war Ömer.

Damals war er Kopf bis Fuß in mich verliebt. Wegen ihm habe ich mehrmals meine Nummer gewechselt. Das war ein Albtraum mit ihm. Nach den Vorlesungen kam er öfters zur Universität und wollte mich abholen.
Meine Tante lud ihn manchmal zum Mittagessen ein. Er war befreundet mit Murat. Ich kam nie aus meinem Zimmer raus, wenn Ömer kam. Denn seine Blicke hatten mich immer gestört. Zuerst wollte ich nicht wahrhaben, dass sich der Freund meines Cousins in mich verguckt hatte. Doch als er immer aufdringlicher wurde, verstand ich das er mich mit anderen Augen betrachtete. Eigentlich war er immer nett und anständig gewesen, doch die Liebe hatte ihn verändert.

drei Jahre zuvor

Die Letzte Vorlesung hatte auch geendet. Mit zügigen Schritten ging ich mit meiner Freundin zum Ausgang. In einer halben Stunde würde meine Schicht in der Cafeteria beginnen und Murat wollte mich abholen kommen. Ich sollte ihn nicht länger warten lassen.
Als ich draußen ankam, erstarrte ich. Angst und Wut stieg mir hoch.
Zwischen der Menge schaute er nur mich an. Seine Blicke hatten sich auf mich fixiert. An dem Tag, sah er so anders aus, so hatte ich ihn nie gesehen.
„Er ist ja wieder gekommen! Ich glaub's nicht!", ärgerte sich Sevilay und wandte sich zu mir.
Ich löste mich aus der Starre und ging wieder weiter.
„Wohin?", fragte sie.
„Ich versuche ihn zu entkommen.", sagte ich nur und ging weiter. Ich quetschte mich durch die Menge und versuchte dort unterzugehen. Er sollte mich aus den Augen verlieren!
Ich sah, dass sich Ömer nach mir schaute. Ich verliere noch den Verstand!
Als sich die Menge auflockerte, drehte ich ihm den Rücken zu und begann loszurennen.
Ich rannte so schnell ich konnte und lief gegen Passagiere, doch das interessierte mich nicht. Ich hatte nur eins im Kopf! Und zwar Ömer loszuwerden! Ich rannte weiter, ohne nachzuschauen, wo ich ging.

„Kader!", hörte ich plötzlich dicht hinter mir und fühlte danach einen Griff an meinem Arm.
„Bırak beni! (Lass mich!)", schrie ich und zog mein Oberarm weg. Ich war außer Atem. Tief atmete ich ein und aus.
„Ich will nur mit dir reden! Warum rennst du weg?", fragte er.
„Lass mich, verstehst du? Ich habe es genug von dir!", versuchte ich zu erklären.
„Hör mir doch mal zu!", bat er und näherte sich.
Unsere Blicke trafen sich.

„Wieso verstehst du mich nicht Ömer?", fragte ich mit zittriger Stimme.
„Weißt du, wie es mir überhaupt geht? Du gehst mir nicht aus dem Kopf.", sagte er plötzlich.
Tief zog ich die Luft ein.
„Seit meiner Kindheit ... Früher hattest du mich gemocht. Sag mir, ist es ein Fehler zu lieben? Warum hasst du mich jetzt?", fuhr er fort.
„Es ist kein Fehler. Doch du musst mich verstehen! Uns beide kann es nicht geben!", sicherte ich.
Er schwieg und schaute mich nur gebrochen an. Danach trat er mir näher. Angst stieg mir hoch. Was hatte er vor?  Ömer zog einen Blatt weg, dass sich zwischen einer Strähne verfangen hatte.
„Senden başkasını gözüm görmüyor! (Meine Augen sehen keine außer dich!)", hörte ich ihn.
Ich hielt die Luft an. Jede Zelle in mir erstarrte.

„Ömer!", hallte ein Ruf und im nächsten Moment lag er plötzlich auf dem Boden. Bevor ich verstand, was passiert war, folgte der nächste Schlag.
Murat!
Seine Fäuste hörten nicht auf. Blut tropfte auf den Boden.
„Murat, dur! (Murat, hör auf!)", bat ich panisch und zog ihn weg.
„Bırak, ağzını burnunu kırayım! Yan gözle kardeşime mi bakıyorsun, ha?! (Lass mich sein Gesicht versohlen! Du hast dich in meine Schwester verguckt, ha?!)"
Murats Zorn war nicht runterzubekommen.
War das die Realität? Hatte Murat wirklich seinen Kindheitsfreund verschlagen?
Meine Hände zitterten. Mein Herz drohte rauszuspringen.
„Seviyorum, evet! (Ja, ich liebe sie!)", gab Ömer zu.
Murat erstarrte. Seine Hände ballten sich wieder zu Fäusten und wollten auf ihn losgehen, doch ich hielt ihn schwer zurück.
„Bir daha seni bizim yakınımızda görürsem, öldürürüm seni! Anladın mı? (Wenn ich dich das nächste mal in unserer Nähe sehe, bringe ich dich um! Verstanden?)", schrie er, während ich ihn wegzog.
Murats Hände Bluteten. Die Knöchel traten weiß heraus. Ömer versuchte Halt zu finden. Sein Gesicht sah schlimm aus.
Das alles war wegen mir passiert.
Murat zerrte mich hinter sich, während meine Blicke bei Ömer geblieben waren. Seine Mundwinkel erhoben sich, trotz dem Schmerz ...

1413 Wörter, 13.10.2018

Fortsetzung folgt

Vielleicht erinnern sich einige noch an Ömer. Als Kader nach Berlin gegangen war, hatte sie ihn gesehen. Nach vielen Kapiteln ist die Vergangenheit, die hinter den beiden steckt, aufgedeckt. Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen☺️ Votet und Kommentiert🌷

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