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Shania


Haltlos treibe ich in der Finsternis. Um mich herum ist es dunkel und leer. Stimmen flüstern um mich herum. Leider kann ich niemanden verstehen.

»Wo seid ihr?«, will ich sagen, doch es kommt kein Wort heraus.

So schwebe ich weiter durch die Dunkelheit, lasse mich von dem Wispern leiten. Meine Augen suchen nach Licht, doch es bleibt finster. Hier scheint es, keinen Ausgang zu geben.

Da höre ich plötzlich ganz deutlich eine Stimme. Sie klingt weiblich und beruhigend. »Du musst wieder zu dir kommen. Wach auf! Wach auf!«

Wer spricht da? Wo bin ich? Und warum ist es so dunkel hier?

Mit einem Mal erkenne ich einen weitentfernten Lichtschein. Instinktiv halte ich darauf zu. Die Stimme verändert sich. Wieder fordert mich jemand auf, aufzuwachen. Das Licht kommt immer näher, immer näher, immer näher...

Mein Kopf tut so weh. Man könnte meinen, er zerplatzt gleich. Zögerlich blinzle ich dem Tageslicht entgegen, das meine Augen zum Tränen bringt. Gepeinigt stöhne ich auf, schließe wieder meine Lider.

»So ist es richtig«, spricht jemand zu mir. »Komm wieder zu dir, kleines Mädchen!«

Widerwillig blinzle ich erneut. Da ist das Gesicht eines alten Mannes. Er wirkt klein und niedlich. Er trägt einen langen Bart. Eingekleidet ist er mit braunen Fellen und sein kahles Haupt ist mit einem Strohhut bedeckt.

Wieder stöhne ich und murmle etwas Unverständliches.

»Was? Was hast du gesagt?«, fragt mich der Alte und beugt sich ein Stück vor, um mich besser verstehen zu können.

»Wasser! Ich habe Durst. Hat denn niemand etwas Wasser?« Meine Stimme klingt merkwürdig, so fremd und unvertraut.

»Ah, na klar! Du hast sicher einen Riesendurst, so lange weggetreten warst du. Da hätte ich auch Durst«, nuschelt der ältere Herr. »Hier, Kleines! Nimm nur, das sollte dich wieder schnell auf die Beine bringen!«

Verschwommen nehme ich wahr, wie der Mann nach etwas greift, das auf dem Tisch steht. Es ist ein kleiner Kessel. Er nimmt eine Kelle heraus und schüttet den Inhalt in eine Tasse, die er mir anschließend überreicht.

»Kannst du sie halten? Geht das?«, meint er besorgt.

Mit zitternden Händen greife ich nach der henkellosen Tasse. Meine Finger berühren das lauwarme Gefäß. Ich umfasse es und führe es mir an den Mund. Eilig nehme ich einen Schluck und noch einen und noch einen. Ruckzuck ist die Tasse leer.

»Schmeckt es dir? Den Tee habe ich selbstgemacht. Meine Enkelin hat die Blätter und Blüten letztes Jahr gepflückt. Den ganzen Winter über haben wir sie trocknen lassen. Besonders den Lavendel solltest du schmecken. Hier oben in den Bergen gibt es reichlich davon. Die Wiesen sind den ganzen Sommer über violett, so wie jetzt gerade.«

»Kann ich noch etwas mehr haben?«, frage ich höflich.

»Aber natürlich«, antwortet mir der nette Kerl.

Er nimmt das Gefäß wieder in die Hand und füllt es nach, danach reicht er es mir wieder. Insgesamt trinke ich fünf Tassen, bis mein Riesendurst gestillt ist.

»Eigentlich ist er heiß am besten, aber ich habe mich nicht getraut, dir etwas Heißes zu geben, also habe ich den Tee etwas abkühlen lassen. Du hättest dir bestimmt sonst den Mund verbrannt, so durstig, wie du warst.« Der Alte lacht.

Erst jetzt beginne ich, mich langsam umzusehen. Ich liege auf einem Bett in einem riesigen Zelt, das nach Heu riecht. Außerdem kann ich noch weitere Betten erkennen, eine Feuerstelle, einige Möbel und ein paar Kisten mit Vorräten.

Soulhunter 1 - Buch des Windes (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt