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Revali


Der Kampf gegen den Drachen hat mir alles abverlangt. Obwohl die Wunden und mein gebrochener Flügel wieder verheilt sind, fühle ich mich schwach. Meine Hütte habe ich den ganzen Tag nicht verlassen.

Gerade bin ich eine Runde geflogen, doch nach einer Weile war ich dazu gezwungen, zu landen. Als meine Krallen das sandige Ufer des Orni-Sees berühren, ringe ich um Atem, als wäre ich einen Marathon geflogen. Gut, dass mich hier unten niemand sehen kann...

Plötzlich höre ich eine kindliche Stimme. »Mache ich das so richtig, Papa?«

Abrupt schaue ich keuchend vom Boden auf. Nicht weit von mir entfernt kann ich zwei graue Orni erkennen. Der kleinere von den beiden springt begeistert von Stein zu Stein, die aus dem Wasser ragen und schlägt etwas unbeholfen mit den Flügeln. Im Schneidersitz schaut der Größere dem Jungen dabei zu. Es sind Teba und Tulin.

Ich hatte gestern keine Zeit mehr, mit meinem Bruder zu reden. Die Orni, die zu meiner Rettung angeheuert wurden, haben mich in meine Hütte gebracht. Dort habe ich mich hingelegt und bis mittags geschlafen. Erst jetzt habe ich meine Behausung verlassen.

Langsam humple ich auf die beiden grauen Orni zu.

»Tulin, du bist ein Orni und kein Kolibri!«, bemerkt Teba amüsiert. »Schlag etwas langsamer mit den Flügeln!«

Wenn ich den Kleinen so zuschaue, erinnern mich seine vergeblichen Flugversuche an meinen eigenen als Kind. Tebas Sohn sieht mich bereits Kommen. Anstatt nach vorne zu schauen, wirft er mir einen überraschten Blick zu. Er springt trotzdem ab und landet platschend im Wasser. Ich höre meinen Bruder lachen.

»Das ist nicht fair!«, beschwert sich der Kleine und steht vom seichten Wasser auf. »Onkel Revali hat mich abgelenkt.«

Teba erhebt einen seiner Flügel. »Wenn du dich erstmal in der Luft befindest, darfst du dich auch nicht ablenken lassen. Du könntest sonst an einer Wand aufschlagen oder etwas Wichtiges übersehen. Da hinten sind noch andere Steine. Warum übst du da nicht weiter?« Mein Bruder zeigt auf eine Stelle, die etwas weiter entfernt aber doch sichtbar in der Nähe liegt.

»Ist gut!«, ruft der Kleine und läuft durch das Wasser zu den anderen Felsen hinüber.

»Bist wohl noch etwas wackelig auf den Beinen, was?«, äußert sich Teba, ohne mich anzusehen, als ich zwei Flügellängen hinter ihm stehen bleibe.

»Du wirkst aber auch noch nicht besonders genesen... und doch bist du hier draußen und trainierst mit deinem Sohn«, gebe ich zurück.

Ohne sich zu mir umzudrehen, vollzieht Teba einen einladende Flügelbewegung und bedeutet mir so, mich zu ihm zu setzen. Zunächst lege ich meinen Kopf schief und setze einen skeptischen Gesichtsausdruck auf, doch dann gebe ich mir einen Ruck und gehe auf meinen Bruder zu. Zögerlich setze ich mich zu ihm auf den sandigen Untergrund.

Mit dem Blick auf seinen spielenden Sohn gerichtet, höre ich meinen Bruder sagen: »Ich weihe ihn in das Fliegen ein. Es wird an der Zeit, dass man es ihm beibringt. Und ich danke Hylia dafür, dass ich diesen Moment noch erleben darauf.«

Langsam wendet mir Teba sein Gesicht zu. Seine gelben Augen funkeln demütig. Erst jetzt kann ich erkennen, dass sein Schnabel nun leicht verbogen ist. Der Kampf ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, trotz Shanias begabten, heilsamen Händen.

»Ich weiß, was du meinst...«, murmle ich und blicke auf den See hinaus.

»Wir beide haben gestern sehr viel Glück gehabt«, stellt Teba fest und schließt einen Augenblick lang die Augen. »Einen Augenblick lang habe ich geglaubt, dass es mir verwehrt bleiben würde, meinen Sohn aufwachsen zu sehen, ihn zu einem Krieger auszubilden oder Saki wieder in den Armen zu halten.«

Soulhunter 1 - Buch des Windes (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt