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Shania


Plötzlich färbt sich der Himmel pechschwarz. Blitze schlagen in den Tannen ein, die schon seit Jahrhunderten stehen. Unter einem lauten Tosen fliegt der gelbe Drache über die brennenden Bäume hinweg, genau auf das Dorf der Orni zu.

»Wir müssen die anderen warnen!«, ruft Revali und nimmt eine kampfbereite Pose ein.

Ich vernehme Schreie und entsetzte Rufe.

»Ich glaube, sie wissen es schon«, bemerke ich.

»Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssen das Vieh dorthin schicken, wo es hergekommen ist, geradewegs in die Hölle, bevor er das Dorf in Schutt und Asche legt«, beharrt der Orni-Krieger energisch.

Revali breitet die Flügel aus, augenblicklich werfe ich mich auf seinen Rücken, bevor er starten kann.

»W-was machst du da?«, fragt er mich, seine Stimme klingt ziemlich hoch.

»Nach was sieht's denn aus? Ich komme natürlich mit. Ihr könnt jede Unterstützung brauchen.«

Seine grünen Augen funkeln mich energisch an. Schließlich senkt er den Blick und gibt nach. »Gut, aber wenn wir gelandet sind, bliebst du dicht bei mir und tust genau das, was ich dir sage. Du kannst den anderen beim Evakuieren helfen.«

Bevor ich zu Ende protestieren kann, weil ich sicher nicht nur beim Evakuieren helfen will, hebt der Orni ab. Eisern kralle ich mich an Revalis Gefieder fest. Er fliegt schnell, so schnell ist er mit mir noch nie geflogen. Meine Augen tränen, denn der Wind wird zunehmend stärker. Schon bald visiert der Vogelmensch eine andere Plattform an und landet. Augenblicklich springe ich von ihm herunter.

»Wir suchen Kaneli und trommeln die anderen zusammen. Bleib bloß dicht bei mir, hörst du!«, befiehlt mir der dunkelblaue Orni mit Nachdruck.

Als ich nicke, dreht sich Revali um und beginnt, im Eilschritt durch das Dorf zu laufen. Wie befohlen, folge ich ihm. Hektisches Treiben herrscht auf den vielen Treppen und Plattformen, doch niemand weiß wirklich wohin. Die Orni wirken geradezu kopflos, schließlich hat niemand damit gerechnet, dass der Drache sobald zurückkehren würde, um das Dorf anzugreifen.

»Kaneli!«, höre ich Revali rufen, als er die Eule zwischen dem ganzen Durcheinander findet.

Mein Beschützer und ich quetschen uns durch die panischen Massen, da sehe ich plötzlich den kleinen Tulin auf einer Plattform weiter unten. Er ist ganz allein. Verzweifelt ruft er nach seinem Vater und seiner Mutter, doch niemand erhört ihn. Teba und Saki müssen den Kleinen bei der ganzen Hektik aus den Augen verloren haben. Revalis Befehl zu trotz, entferne ich mich von meinem Beschützer und rutsche eine Leiter hinab, um Tulin zu erreichen.

Aufgeregt flattert Tebas Sohn mit den Flügeln. Er hüpft immer wieder auf und ab, hebt den Kopf und schreit. Mit einem Mal schupst ihn jemand an den Rand der Plattform. Nur das Geländer hindert ihn daran, nach unten zu stürzen. Bald habe ich den kleinen Orni erreicht, doch dann haut mir jemand seinen Flügel ins Gesicht, sodass ich einen Augenblick lang Sterne sehe. Ich reibe mir die betroffene Stelle neben meinem Auge und taumle. Einen Moment lang verschwimmt mir die Sicht, als hätte ich zu viel Eisbeerenwein getrunken, oder Löschbier oder Korallennektar.

Löschbier? Korallennektar? Was soll das sein? Noch nie davon gehört. Aber warum erinnere ich mich dran? Einen Moment lang meine ich sogar, Gesichter vor meinen Augen zu sehen, einen Steinmenschen mit Bart und einen roten Fischmenschen. Doch ehe ich mich darüber wundern kann, sind sie verschwunden. Der Flügelschlag eines Orni ist wahrlich verheerend. Wer hätte gedacht, dass die Vogelmenschen so viel Kraft in ihren Schwingen haben...

Soulhunter 1 - Buch des Windes (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt