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Shania


Mit dem Köcher neben mir sitze ich auf dem Boden und mache mich daran, die Pfeilspitzen zu schleifen und auf die fertigen Stöckchen zu setzen, so wie es mir Hertis gezeigt hat. Revali meinte, dass er den halben Tag unterwegs sein würde, um den Pflichten als oberster Krieger nachzugehen. So habe ich mir vorgenommen, mich nützlich zu machen und Hertis meine Hilfe anzubieten. Molly sitzt neben mir und baut die Stöckchen für die Pfeile. Dabei versieht sie das untere Ende der Wurfgeschosse mit Federn. Die Tochter des Bogenbauers ist dabei wesentlich schneller, als ich, sie macht das schließlich schon ihr ganzes Leben lang.

»Am besten du schleifst die Spitzen von oben nach unten und nicht umgekehrt, das geht schneller und da werden sie schärfer«, rät mir das fliederfarbene Orni-Mädchen.

Sofort beherzige ich ihren Tipp und bemerke, dass sie recht hat.

»Guter Ratschlag!«, bedanke ich mich bei ihr. »Wenn du groß bist, wirst du bestimmt so gut, wie dein Papa.«

Molly ist etwas älter, als Tulin, aber mindestens genauso so süß. Verzückt lächelt mich die Kleine an.

»Papa sagt, wenn ich mich anstrenge, kann ich eines Tages die Werkstatt übernehmen und jedem Orni seinen Bogen bauen, sogar dem nächsten Anführer der Krieger.«

»Ich bin mir sicher, du schaffst das«, versichere ich Hertis Tochter.

Mit einem Mal setzt Molly ein nachdenkliches Gesicht auf. »Wer meinst du wird der Krieger-Chef? Vielleicht Tulin? Er ist schließlich der Sohn von Teba...«

Während ich die geschärfte Spitze am Stöckchen festschraube, zucke ich mit den Achseln. »Keine Ahnung, kann gut möglich sein!«

»Außer Revali bekommt selbst mal einen Sohn, vielleicht wird der dann Kriegeranführer«, erwidert mir das Orni-Mädchen.

Augenblicklich halte ich in meiner Arbeit inne. Ob Molly weiß, ob ich und Revali zusammen sind? Ob Hylianer und Orni eigentlich gemeinsam Nachwuchs miteinander zeugen können? Zumindest habe ich den Geschichten und Überlieferungen in der Bibliothek der Vogelmenschen nichts davon gelesen. Doch darüber will ich mir ohnehin noch keinen Kopf machen.

»Wer weiß«, antworte ich der Fliederfarbenen schlicht.

Schon bald ist der Köcher voll. Nur noch wenige Pfeile müssen zusammengebaut werden. Plötzlich vernehme ich das Klacken von Krallen über den Dielen draußen vor der Werkstatt. Ein silbergraue Orni tritt herein.

»Einen schönen guten Tag!«, wünscht uns Teba, als er uns sieht. »Wo ist Hertis?«

Molly deutet mit dem Flügel hinter sich. »Papa ist schon seit einiger Zeit im Hinterzimmer. Soll ich ihn holen?«

Teba nickt. »Ja, bitte!«

Mit sofortiger Wirkung hüpft das Orni-Mädchen hoch und läuft in Richtung Hinterzimmer.

»Hallo, Teba!«, begrüße ich meinen Freund, als Molly verschwunden ist. »Kocht Saki heute wieder etwas Gutes?«

Obwohl ich nun die meiste Zeit mit Revali verbringe, bin ich trotzdem jeden Tag bei Tebas Familie zum Essen eingeladen. Ich bin nach wie vor gerne bei ihnen.

Teba lacht vergnügt. »Sie hat erwähnt es gäbe heute wieder Fisch, wenn wir Männer etwas Anständiges fangen.«

»Mmmmhhh, hört sich gut an!« Ich liebe Fisch.

Genau in diesem Moment kann ich an einem gedeckten Tisch vor meinem geistigen Auge erinnern. Es ist wiedermal eine Erinnerung. Auf der Tafel befinden sich Platten mit einer Vielzahl von bunten und unterschiedlich großen Fischen, darunter Schüsseln mit ausgelöstem Krebsfleisch und kleinen Kraken-Tierchen. Neben mir sitzt ein Zora, ein roter Zora. Er grinst mich breit an. Schon wieder dieser Kerl? Der kommt in letzter Zeit aber oft in meinen Erinnerungen vor. Falls ich Mipha irgendwann mal wieder in meinen Träumen sehe, muss ich sie fragen, wer das ist.

Soulhunter 1 - Buch des Windes (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt