Shania
Nachdem ich mit Revali zusammen bei seinem Bruder und seiner Familie zu Abend gegessen habe, nimmt mich der Recke auf einen Nachtflug mit. Es dämmert bereits und die Sterne beginnen, zu funkeln.
Heute gab es Lachs. Saki hat ihn mit einem Brei aus Süßkartoffeln und Kürbissen gefüllt. Das war vielleicht lecker. Tulin machte heute einen echt übertrieben zufriedenen Eindruck. Was dem Kleinen wohl widerfahren ist? Er hat so breit geschmunzelt, dass ich dachte, er hätte noch einen Bogen von seinem Vater geschenkt bekommen. Teba und Saki dagegen haben ununterbrochen von Tulins allererster Flugstunde gesprochen, die morgen stattfinden soll. Wäre ich Tulin, wäre ich nervös auf meinem Stuhl gesessen unfähig nur einen Bissen runter zu bekommen, aber er hat so glücklich ausgesehen, wie ein Fisch im Wasser. Hat er denn keine Angst?
Neugierig schaue ich über die nächtliche Landschaft hinweg und rätsle, wo Revali mich heute hinbringen wird. Es dauert nicht lange, dann erreichen wir einen von Felsen umgebenen Ort, der sich etwas hochgelegen am Rand des Sees befindet. Meine staunenden Augen erspähen glänzende Blumen und leuchtende Steine. Gebannt blinzle ich dem verträumten Platz entgegen, der aus einem Märchenbuch stammen könnte.
Revali landet. Ohne meinem Blick von den blauglitzernden Dingen abzuwenden, klettere ich von dem dunkelblauen Orni hinunter.
»Was ist das?«, frage ich meinen Beschützer ganz verzaubert. »Warum leuchten die Blumen und die Steine hier überall?«
»Das sind Schleichglöckchen und Leuchtsteine. Die leuchten nur im Dunkeln«, erklärt mir mein Gefährte und wischt mir mit seinen Federn eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Und warum hast du mir diesen Ort bisher vorenthalten? Hier ist es so schön«, schwärme ich.
»Also...« Er wendet den Blick von mir ab und schaut sich um. »Dieser Ort ist voller Erinnerungen. Ich war schon lange nicht mehr hier. Naja... bis gestern.«
»Warum? Was hast du denn hier gemacht?«
Einen Moment lang zögert er, doch dann erzählt er es mir. »Hier habe ich vor Jahren Teba das Fliegen beigebracht und gestern... da habe ich dasselbe mit Tulin gemacht.«
»Das hat Tulin sich getraut? Aber wollte Teba ihn nicht das Fliegen beibringen?«
Er schüttelt den Kopf. »Tulin wird kein Wort darüber verlieren. Und was den Kleinen angeht, Vater und Sohn sind sich ziemlich ähnlich. Sie sind nämlich beide nicht freiwillig gesprungen.«
Ungläubig blinzle ich ihn an. »Heißt das etwa, du hast...«
Augenblicklich lacht er auf. »Ja, habe ich! Tulin ist zu mir gekommen, er wollte seinen Vater nicht enttäuschen. Also habe ich ihn Starthilfe gegeben, so wie ich es damals bei Teba gemacht habe. Der Trick funktioniert immer wieder.«
Ich forme meine Augen zu Schlitzen. »Echt jetzt? Der arme Tulin... Hoffentlich hat man dich bei deiner ersten Flugstunde nicht auch von der Klippe geschupst.«
»Nein...« Betrübt wendet er sein Gesicht von mir ab. »Ich hätte es nicht gewagt, vor Vater zu zögern. Ich kann mich noch gut an dem Moment erinnern, als Argus mich zu den Brüderfelsen mitgenommen hat. Denn da lernen die meisten Orni das Fliegen.«
Still höre ich seine Geschichte an.
»Vater hat mich vor der Klippe stehen gelassen und ist anschließend zum höchsten Punkt geflogen, um mich von dort aus zu beobachten. Ich habe einfach die Augen zugemacht und bin gesprungen.«
»Hattest du denn keine Angst?«, will ich von dem Orni wissen.
»Das hat mich auch Tulin gefragt«, entgegnet mir Revali. »Also sagen wir es mal so... Mein Herz hat erst wieder aufgehört zu hämmern, als ich wieder festen Boden unter meinen Füßen gespürt habe.«
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Soulhunter 1 - Buch des Windes (Revali x Shania)
FanfictionBuch des Windes, der erste Teil der Soul-Hunter Saga von Legend of Zelda - Breath of the Wild, erzählt die Geschichte von Shania, die nach einiger Zeit ohne jegliches Gedächtnis in einem Stall bei einer Farmer-Familie aufwacht. Schon bald stellt sic...