Kapitel 45

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Serbin und der gesamte Tross hatten sich hinter die Burg zu einem gut ausgebauten Trainingsplatz begeben. Siena war sich darüber im Klaren, dass ihr Onkel seine Leute hart rannahm und oft trainieren ließ. Anhand der Geräte konnte sie auch erkennen, dass er dabei nicht davor zurückschreckte, auch heftige Methoden dabei anzuwenden.

Etwas abseits stand nämlich ein Gerät, das dazu diente, Wachen auf ihre Tauglichkeit zu testen. Es war so gebaut, dass der Mann, der sich darin befand, schwere Gewichte über eine längere Zeit in die Höhe stemmen musste. Wenn er dabei versagte und loslassen musste, weil seine Arme und Beine versagten, dann wurde er von drei dicken Eisenstangen gnadenlos aufgespießt. In Arlagon hatte man kein solches Gerät mehr. Sie hatte noch nie eines gesehen, kannte es aber von Abbildungen in Geschichtsbüchern. In grauer Vorzeit, wo man noch recht grausam war, mussten die Wachen nach ihrer Ausbildung an diesen Geräten einen Test absolvieren. Wenn sie ihn positiv abschließen konnten, waren sie würdig, eine Wache zu werden. Die anderen starben.

Siena und Serbin hatten auf dem Platz Aufstellung genommen. Die Zuschauer hatten sich auf den Tribünen verteilt. Es herrschte eine beinahe gespenstische Ruhe.

„Wer gewinnt übernimmt das Rudel des anderen", sagte Siena.

„Du glaubst echt ...", meint er

„Ich glaube nicht, ich hoffe."

„Die Hoffnung stimmt zuletzt", grinst er hinterhältig.

„Ich ernenne meinen Beta zu meinem Schiedsrichter", erklärt Siena.

„Träum weiter!"

„Das besagt das Gesetz", kontert Siena.

„Von mir aus", brummt Serbin. Dann wendet er sich an die Wachen. „Bringt den Kleinen da drüben her."

„Wen ernennst du?", erkundigt sich Siena.

Serbin schaut suchend in die Runde. Erst da wurde Siena bewusst, wie einsam ihr Onkel sein muss. Er hatte offenbar keinen Werwolf, dem er traute oder mit dem er sich so gut verstand, dass er ihn auf Anhieb zum Schiedsrichter ernennen könnte.

„Du hast noch keinen neuen Beta ernannt? Von mir aus kann auch Floyd allein der Schiedsrichter sein", bot Siena an.

„Das könnte dir so passen", blockte aber ihr Onkel ab. „Ich ernenne den Rudelarzt zu meinem Schiedsrichter."

Ein Mann im mittleren Alter trat vor. Siena kam es so vor, als sei dieser nicht sonderlich erfreut über die Ehre, die ihm damit zuteilwurde. Inzwischen war auch Floyd bei ihnen eingetroffen und besprach sich kurz mit dem Rudelarzt.

„Wir erwarten uns einen fairen Kampf. Möge der Bessere gewinnen", erklärte der Rudelarzt.

„Oder die Bessere", ergänzte Floyd.

„Sag deinen Lieben Lebewohl", spöttelte Serbin.

„Na, schauen wir mal", grinste Siena.

Sie war hoch konzentriert. Ihr war bewusst, dass nun vieles von ihr abhing. Es ging nicht nur um ihr eigenes Leben, es ging um das Wohl aller Rudel. Sie musste es einfach schaffen, diesen Despoten zu besiegen und die Welt von ihm zu befreien.

Serbin lachte überheblich. Er war sich sicher, den Kampf zu gewinnen. Er winkte dem Publikum zu und machte noch Witze. Siena schaute in die Gesichter der Umstehenden und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese ausgesprochen besorgt dreinschauten. Siena verstand aber nicht ganz warum. Sie mussten doch auch der Meinung sein, dass ihr Alpha diesen Kampf gewinnen würde. Sie war bisher doch noch immer unterschätzt worden.

„Buh", rief Serbin und unternahm dabei einen Scheinangriff.

Siena aber ließ sich davon nicht beirren. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ihr fiel der überraschte Blick ihres Onkels auf.

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt