Kapitel 22

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Siena klopfte mit der Weinflasche und den beiden Gläsern in der Hand an Gerudins Tür. Es war bereits 22 Uhr und sie hatte ein schlechtes Gewissen. Schon zu lange hatte sie ihn allein gelassen. Aber als sie die tapsigen Schritte hörte, die sich von innen der Tür näherten, konnte sie eh nichts mehr ändern. Die Tür ging einen Spalt auf.

„Ja, bitte?", sagte ein verschlafener Gerudin.

„Lust auf ein Glas Rotwein?", sagte Siena mit unsicherer Stimme.


„Ach du bist das. Ja gerne, komm rein."

Siena betrat das Zimmer und ging geradewegs auf die Terrasse. Dort setzte sie sich hin. Sie war nervös. Gerudin ließ sich auf den Sessel fallen, der danebenstand. Während Siena die Flache öffnete und den Wein in die Gläser rinnen ließ, gähnte Gerudin.

„Landweile ich dich?", neckte ihn Siena.

„Nein, aber ich habe keine Ahnung, woher du die ganze Energie nimmst."

„Ich bin auch müde", gestand Siena. „Das kannst du mir glauben. Aber ich hatte versprochen noch vorbei zu kommen."

„Das ist lieb von dir."

Siena stand auf und reichte ihm ein Glas. Sie schaute ihm in die Augen und lächelte verschmitzt. Kurzentschlossen setzte sie sich auf seinen Schoß. Gerudin legte sofort einen Arm um sie und drückte sie näher zu sich.

„Prost! Auf uns!", sagte Siena.

„Prost, auf die tollste Mate, die es gibt."

Sie stießen an und tranken einen Schluck. Siena schaute ihm verträumt in die Augen und genoss es, in ihnen zu versinken. Dann legte sie ihren Kopf auf seine Schulter und blick zu ihm hoch.

„Es werden turbulente Zeiten auf uns zukommen", begann sie das Gespräch.

„Da wirst du Recht haben."

„Ich will mit den Menschen ein Abkommen schließen und ich will die anderen beiden Rudel auf die Gefahr hinweisen."

„Du willst selbst dorthin?"

„Wir müssen überzeugend sein und deshalb würde ich dich bitten, mich zu begleiten."

„In offizieller Mission?"

„Als meine Luna."

Siena sagte das ganz vorsichtig. Sie hatte Sorge, er würde sich mit dieser Rolle nicht zufriedengeben. Gespannt blickte sie in sein Gesicht, um möglichst jede auch noch so kleine Regung zu erkennen.

„Als deine Luna? Echt?"

„Ich kann verstehen, wenn es für dich zu wenig ist."

„Wo denkst du hin, ich würde mich geehrt fühlen!"

„Echt jetzt? Es ist dir nicht peinlich, im Schatten einer Frau zu stehen?"

„Ich bin kein Alpha. Du dagegen hast das Zeug dazu. Die Menschen lieben dich und ich finde deinen Führungsstil fantastisch."

Siena hob den Kopf etwas an, um besser in seine Augen blicken zu können. Erneut versank sie darin und genoss es. Während sie das Gefühl hatte, in diese Augen zu stürzen, näherten sich ohne ihr Zutun ihre Lippen den seinen. Kurz bevor sie sich berührten hielt sie nochmals kurz inne. Doch schon wenig später trafen sie aufeinander und ein ausgesprochen zärtlicher Kuss entwickelte sich. Siena legte ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn zu sich heran. Er dagegen legte beide Arme um ihre Taille und hielt sie fest. Siena hatte das Gefühl in einer Wolke aus Glück zu schweben. Auch ein bisschen Lust und Begierde kam tief in ihrem Inneren auf.

„Ich habe dich hoffentlich nicht überrumpelt", entschuldigte sich Siena.

Gerudin aber lächelte nur glückselig. Er hatte seine Mate gefunden und sie hatte ihn geküsst. Etwas Schöneres konnte er sich kaum vorstellen.

„Du darfst mich immer wieder überrumpeln", grinste er selig.

„Du wirst also meine Luna", sagte Siena verträumt.

„Es wäre mir eine Ehre."

„Dir ist schon klar, dass du dann auch den Aufgaben einer Luna nachkommen musst", kicherte sie.

„Das könnte bei Kaffeekränzchen mit den alten Damen und bei der Kinderbetreuung etwas schwierig werden. Keine Ahnung, ob ich die erforderliche Geduld aufbringe", grinste auch er.

„Die alten Damen würde es sicher freuen", kicherte Siena.

„Das vermute ich auch."

„Ich kann gut verstehen, wenn manche Aufgaben nicht ganz deins sind", meinte Siena nachdenklich. Dann aber schien ihr eine Idee zu kommen. „Was ist, wenn dir deine Schwester dabei hilft?"

„Vera?"

„Hast du noch andere Schwestern?"

„Nein, das nicht", meinte Gerudin. „Dir ist aber schon klar, dass sie erst 15 Jahre alt ist."

„Dann wird sie demnächst 16 und ein Jahr darauf 17", konterte Siena. „Ich glaube, sie ist eine kluge, junge Frau."

„Wenn du es ihr zutraust."

„Dann hätte sie eine Aufgabe. Ich kann sie schlecht zum Küchendienst abkommandieren."

„Warum nicht. Sie hätte sicher nichts dagegen."

„Das wird schon sein. Ich möchte aber nicht, dass sie sich nicht integrieren kann, nur weil sie aus einem anderen Rudel kommt."

„Du denkst aber weit voraus."

„In der Position der Luna-Assistentin hat sie eine höhere Stellung und genießt Anerkennung. Außerdem hat sie einen Grund und die nötige Motivation, das Rudel kennenzulernen."

„Das ist wahr."

„Dann sprichst du mit ihr?"

„Das würde ich lieber dir überlassen."

„Warum? Sie wird deine Assistentin."

„Aber du bist die Chefin hier."

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt