Kapitel 13

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Siena schloss die Tür des Gästezimmers hinter sich. Sie war hundemüde. Allerdings weniger von der Reise als vielmehr von den anstrengenden Gesprächen mit ihrem Onkel. Einerseits hat er sich in den höchsten Tönen gelobt und ihr gezeigt, wie gut alles in seinem Rudel funktioniert und andererseits hat er versucht sie auszuhorchen. Deshalb musste Siena sehr genau aufpassen, um keine Geheimnisse preiszugeben.

Sie sparte auch nicht mit Lob, wie gut ihr alles gefallen würde. Auch wenn sie genau anderer Meinung war und sein Rudel bedauerte, musste sie dennoch so tun, als würde sie ihn bewundern. Das tat seinem Ego gut und auf diese Weise bekam er nicht mit, dass sie ganz anderer Meinung war. Er sollte ruhig glauben, dass sie ein junges, naives Ding sei, das ihn anhimmelt. Sie wollte ihm nicht zeigen, dass sie beide grundverschieden waren. Ihm ging es einzig und allein um seine Macht und seine Größe, während für Siena das Rudel im Vordergrund stand.

Irgendetwas stimmte bei diesem Rudel nicht. Das Gebiet, in dem es lebte und wohnte, war ein ausgesprochen reiches Land. Gorland verfügte über große Waldflächen mit viel Wild, es gab aber auch gutes Weideland für die Rinder, Ackerland für den Anbau von Getreide und Kartoffeln und schließlich war es reich an Wasser und Bodenschätzen. Eine Kombination, die ein Garant für Reichtum und Wohlstand für das ganze Rudel sein müsste. Dem war aber nicht so. Soweit Siena es beim Durchreiten beurteilen konnte, waren die Leute arm und zum Teil verwahrlost. Sie hatte nicht ein Kinderlachen gehört. So ein Leben wollte sie nie für ihr Rudel.

Gegen Mitternacht wurde Siena von einem Schrei geweckt. Er ging ihr durch Mark und Bein. Sie schreckte aus dem Bett hoch und lauschte angespannt in die Nacht. Tatsächlich hörte sie wenig später einen zweiten und später einen dritten Schrei. Sie waren alle ausgesprochen leise. Vermutlich kamen sie von weiter weg. Es war wohl ihr besonders feines Gehör, das es ihr ermöglicht hatte, dieses Geräusch überhaupt wahrzunehmen. Für sie war aber klar, dass die Schreie aus der Burg kommen mussten.

Sie fand danach keine Ruhe mehr und musste der Sache auf den Grund gehen. Deshalb zog sie sich schnell an und schlich hinaus in den Gang. Sie tastete sich bis zum Erdgeschoß vor, tapste bis zu einer versteckten Holztreppe und folgte dieser nach unten in ein Kellergewölbe. Als sie den Fuß der Treppe erreichte, vernahm sie erneut einen Schrei. Dieser war lauter und ging ihr durch Mark und Bein. Jemand litt fürchterliche Qualen.

Siena graute vor dem, was sie möglicherweise sehen würde. Sie ging davon aus, dass sich in den Tiefen der Burg das Verließ befand und jemand gefoltert wurde. Trotz der Angst, die von ihr Besitz ergriff, konnte sie die Sache unmöglich auf sich beruhen lassen. Sie schlich ausgesprochen weiter und gelangte schließlich an eine Tür, die einen Spalt offenstand. Dahinter brannte Licht. Sie blickte sich vorsichtig um und, als sie niemanden entdecken konnte, drückte sie sachte gegen die Tür und schob sie vorsichtig auf.

Ein weißer und sehr sauberer Raum tat sich vor ihr auf. Es kam ihr vor, wie eine Krankenstation oder ein Labor. Alles wirkte sauber und steril. Allerdings konnte sich Siena nicht vorstellen, woran man in deinem Kellerraum forschen sollte. Als sie noch immer niemanden sah, machte sie einen Schritt in den Raum hinein. Es war tatsächlich ein Labor, in dem so einiges zusammengebraut wurde. Viele Fläschchen und Reagenzgläser standen herum. Es roch zudem irgendwie komisch. So einen ätzenden und beißenden Geruch hatte sie noch nie wahrgenommen.

Sie ging weiter und machte noch ein paar Schritte in den Raum hinein, der weiter vorne eine Biegung machte. Hinter der Ecke musste es weitergehen. Doch ums Eck konnte Siena noch nicht blicken. Als erneut ein Schrei zu hören war, war sich Siena sicher, am richtigen Ort zu sein. Etwas weiter hinten im Raum musste jemand gefoltert werden. Mit zittrigen Beinen trat sie schließlich um die Biegung und was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ein Werwolf in menschlicher Gestalt lag da, auf einen Tisch gebunden. Daneben stand ein Mann, der eine Spritze in der Hand hielt. Er musste den Inhalt soeben dem Patienten verabreicht haben. Er beobachtete ihn genau. Der Festgebundene wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt und hatte Schaum vor dem Mund. Seine Augen erinnerten sie an die Monster, welche ihr Rudel angegriffen hatten. Ihr war sofort klar, dass diese hier erschaffen wurden.

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt