Kapitel 40

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Die ganze Nacht über wurden die Höhlen für einen längeren Aufenthalt vorbereitet. Siena und vor allem Vera waren unermüdlich damit beschäftigt, es den Menschen so angenehm wie möglich zu machen. Nun standen sie im Speisesaal und blickten auf die Ebene hinunter. Die Sonne ging gerade auf und Siena konnte sich einen Überblick verschaffen.

„Viele sind es nicht, aber es hat auch keinen Sinn, sich auf einen Kampf einzulassen. Das gibt nur Tote", meine Siena nachdenklich.

„Zum Glück habt ihr es geschafft, das Labor zu vernichten und die Ärzte, die mit dem Virus experimentiert haben, zu töten."

„Das ist noch keine Garantie, dass die Gefahr der infizierten Wölfe gebannt ist."

„Könnte es sein, dass dein Onkel jemand nach Gorland schickt, weil dort Nachschub zu finden ist oder sich noch Aufzeichnungen befinden?"

„Es gibt viele Möglichkeiten. Es könnte sogar sein, dass der Kopf der Versuche noch dort sitzt und weiter experimentiert. Aber wie verhindern wir das?"

Siena blickte ihre Gesprächspartnerin nachdenklich an. Vera war ein sehr kluges Mädchen und sie war froh, dass sie sie für die Aufgabe ausgewählt hatte, ihren Bruder zu unterstützen.

„Man müsste sie abfangen", überlegte Vera.

„Am Tag kommen wir nicht leicht ungesehen aus der Burg hinaus. Das können wir nur nachts riskieren und dann ist es womöglich zu spät", ergänzte Siena die Überlegungen des Mädchens.

„Verzeih Alpha, aber es müsste einen geheimen Ausgang aus den Höhlen geben. Wenn wir den finden, dann könnte man es schaffen", sagte Nefta. Er musste unbemerkt den Saal betreten und das Gespräch mitangehört haben.

„Guten Morgen, Nefta", entgegnete Siena. „Das wäre eine Möglichkeit. Komm, lass uns diesen Ausgang suchen."

Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte sie in den Keller und von dort aus über den Geheimgang zu den Höhlen. Nefta und Vera zögerten kurz. Sie schauten sich einen Moment lang an, dann aber machten auch sie sich auf den Weg und folgten ihr. Die Alpha blieb erst stehen, als sie sich vor dem Höhleneingang befand.

„Aufzeichnungen gibt es keine über die Höhlen?"

„Ich habe nie etwas darüber gefunden. Ich vermute, das wurde aus Sicherheitsgründen unterlassen", antwortete Nefta.

„Dann müssen wir suchen", stellte Siena entschlossen fest. „Ich nehme die linke Seite, Vera den Bereich in der Mitte und du den rechten Teil des Höhlensystems. In einer Stunde treffen wir uns wieder an dieser Stelle."

Die drei gingen los. Siena suchte jede Wand und jeden kleinen Gang ab. Sie hatte eine Fackel mit, obwohl sie diese genaugenommen nicht gebraucht hätte, da sie mit ihren Augen auch in der Dunkelheit noch ausreichend sehen konnte. Die Fackel diente ihr vor allem dafür, jeden Windhauch zu entdecken. Und tatsächlich, kurz bevor sie in einem langen und ungenutzten Seitengang umkehren wollte, begann das Feuer zu flackern und wenig später nahm sie auch selbst den leisen Windhauch wahr. Sie ging weiter und erreichte tatsächlich einen Seitenausgang. Dieser kam sehr gut versteckt, hinter einem riesigen Busch auf einer ganz anderen Seite des Burghügels wieder an die Oberfläche, weit weg von den Belagerern.

Siena eilte zurück und erreichte mit ein paar Minuten Verspätung den Treffpunkt. Vera und Nefta schauten missmutig drein.

„Nichts!", jammerte Vera. „So eine Scheiße!"

„Aber ich habe etwas gefunden. Es gibt den Hinterausgang tatsächlich. Kommt mit!"

Siena führte die beiden zum Ausgang und nun wagten sie sich auch etwas hinter dem Busch hervor. Man konnte von hier aus unbemerkt weit in die Ebene blicken, die sich zwischen Arlagon und Gorland erstreckte. Ein Stück entfernt erkannte Siena Reiter, die sich sehr schnell von ihnen entfernten.

„Wir müssen sie abfangen", entschied Siena.

„Die holen wir nicht mehr ein", meinte Nefta.

„Auf dem Hinweg nicht, aber sie müssen schließlich auch wieder zurück."

Schnellen Schrittes eilte Siena zurück, begab sich in die Burg und versammelte alle, die etwas zu sagen hatten.

„Wir haben gestern den Versuchen meines Onkels mit den infizierten Wölfen, hoffentlich einen schweren Schlag verpasst. Doch damit ist die Gefahr noch nicht gebannt. So wie ich die Lage einschätze, sind gerade Vertraute von ihm auf dem Weg nach Gorland, um Nachschub zu holen und den Schaden wieder zu beheben. Wir müssen sie abfangen."

„Ich gehe!", meldete sich Floyd.

„Du?", entgegnete Siena nachdenklich.

„Ich begleite ihn", bot sich auch Gerudin an.

„Die Mission ist gefährlich. Ich würde lieber selber gehen", meinte Siena.

„Du bist die Alpha. Du solltest in dieser Situation bei deinem Rudel bleiben", entgegnete Nefta.

„Die Menschen vertrauen dir", schloss sich Vera seiner Meinung an. „Wenn du weg bist, werden sie sicher unruhig."

„Na gut", entschied Siena. „Nehmt ein paar Wachen und macht Euch auf den Weg."

Nur schweren Herzens hatte sie sich dazu durchgerungen, ihren Mate und ihren besten Freund auf eine so gefährliche Mission zu schicken. Aber es schien tatsächlich die vernünftigste Lösung zu sein.

Floyd und Gerudin packten ein wenig Proviant zusammen, suchten sich vier Wachen aus und machten sich dann, begleitet von Siena, Vera und Nefta auf den Weg zum Hinterausgang.

„Seid vorsichtig!", beschwor Siena die beiden.

„Wir schaffen das schon", beruhigte sie Gerudin.

Er umarmte seine Liebste und gab ihr einen Kuss. Alle schauten ein wenig überrascht, als er sie auf den Mund küsste. Aber er konnte nicht anders. Er liebte Siena und sich von ihr zu trennen fiel ihm sichtlich schwer. Auch Siena trennte sich nur ungern von ihm, auch wenn sie das Mate-Band noch etwas schwächer spürte als er. Sie musste sich aber eingestehen, dass es von Tag zu Tag enger wurde und sie es zunehmend deutlicher spüren konnte.

„Macht es gut", sagte sie auch zu ihrem Beta.

Sie nahm auch ihn in den Arm und drückte ihn an sich. Sie hatte irgendwie Angst um die beiden, wusste aber nicht warum. Es war einfach ein Gefühl.

„Wird schon schief gehen", lächelte Floyd und erwiderte die Umarmung.

Wenig später verwandelten sich die beiden sowie die Wachen in Wölfe und liefen los. Sie waren fest entschlossen, die feindlichen Boten abzufangen und ihr Vorhaben zu vereiteln.

„Hoffentlich geht alles gut", meinte Siena. Sie blickte unruhig der Gruppe hinterher, die schon wenig später im Wald verschwunden war, der den Hügel bedeckte.

„Die machen das schon", beruhigte Vera ihre Freundin.

Sie legte den Arm um ihre Schultern und sie kehrten gemeinsam ins Schloss zurück.

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt