Kapitel 12

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Siena erreichte in Begleitung von fünf Wachen die Burg ihres Onkels. Von einer Anhöhe in der Nähe herab betrachteten sie das Bauwerk und die zu Füßen liegende Ortschaft. Es sah ähnlich aus, wie Zuhause. Doch die Burg wirkte ausgesprochen wehrhaft. Es zirkulieren deutlich mehr Wachen und Siena hatte den Eindruck, als würde das Volk bewacht und nicht nur die Grenzen.

Die kleine Gruppe war bereits weit vorher von einer Grenzpatrouille entdeckt und angehalten worden. Als Siena sagte, sie sei die Nichte von Alpha Serbin, wurden sie hierher begleitet.

„Weiter!", forderte der Anführer der Patrouille.

Es schien ihn herzlich wenig zu kümmern, dass Siena die Nichte seines Anführers und selbst Alpha war. Er verweigerte ihr weitgehend alle Respektsbekundungen und behandelte sie wie einen ganz normalen Besuch, dem man mit Vorsicht begegnete.

Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung. Siena dachte an die Worte von Floyd. Er hatte sie gescholten, da sie nur fünf Wachen dabeihaben wollte. Sie hatte jedoch gemeint, dass es keine Rolle spiele, wie viele Begleiter sie habe. Sollte es Probleme geben, würde ihr Onkel ihr sowieso überlegen sein. Dem stand aber gegenüber, dass eine kleine Truppe schneller vorankam und weniger Zeit verlor.

Sie hatte Rubina schweren Herzens in der Obhut von Aruna zurückgelassen. Die Mission war zu beschwerlich für das kleine Mädchen. Zum Glück hatten sich die beiden beim Einkaufen angefreundet. Nur deshalb hatte die Zehnjährige nach langem Zetern nachgegeben.

Die Reise war tatsächlich beschwerlich. Sie waren drei Tage unterwegs und mussten unter freiem Himmel übernachten. Für Siena etwas ganz Neues. Sie hatte bisher noch keine Nacht außerhalb ihres weichen Bettes verbracht. Doch sie hielt sich tapfer. Sie wollte keine Ausnahmen für sich. Sie war die Alpha und musste mit gutem Beispiel vorangehen. Sie übernahm sogar selbst die Versorgung ihres Pferdes. Auch wenn die Wachen dies für sie machen wollten, bestand sie darauf.

Der Weg führte sie durch zum Teil sehr dichte Wälder. Für Siena, die noch nie so weit von Zuhause weg war, war die Umgebung völlig ungewohnt. An manchen Stellen, wenn der Wald besonders dicht war, wurde ihr ein wenig mulmig zumute. Sie ließ es sich aber nicht anmerken, dass sie ein flaues Gefühl im Magen hatte. Die düstere und völlig unbekannte Umgebung war ihr nicht ganz geheuer. Doch nun waren sie endlich am Ziel der Reise.

Nach kurzem Ritt von der Anhöhe herab und durch den Ort, erreichten Siena und ihr Gefolge das Burgtor. Der Anführer der Patrouille informierte den Oberbefehlshaber der Wachen über Sienas Eintreffen und sie mussten am Tor warten. Die Geste war eher ungewohnt, denn einen befreundeten Alpha sollte man zumindest in den Burghof lassen. Sienas Bedenken wurden zunehmend größer. Sie zweifelte allmählich daran, ob der Besuch beim Onkel tatsächlich eine gute Idee war. Doch an diesem Punkt gab es kein Zurück mehr.

Bereits als sie durch die Ortschaft am Fuße der Burg geritten waren, hatte sie den Eindruck, als würden alle Leute unglücklich und verhärmt sein. Es herrschte keine Heiterkeit, es wurde nicht gesprochen, ja nicht einmal gestritten. Sie konnte niemanden entdecken, der gelacht oder einen Spaß gemacht hätte. Vor allem aber fiel ihr auf, dass keine jungen Leute unterwegs waren. Sie sah auch keine spielenden Kinder. Was war hier los?

„Siena, meine liebe Nichte!", kam Onkel Serbin auf sie zu.

Bei diesen Worten ging ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Blick in die Augen des Mannes reichte ihr, um zu wissen, dass er nichts Gutes im Schilde führte. Seine übertriebene Freundlichkeit war kein Bisschen echt. Das sah sie auf Anhieb. Sie versuchte sich aber trotzdem nichts anmerken zu lassen und lächelte freundlich zurück.

„Onkel Serbin, lange schon nicht mehr gesehen."

„Ja, leider viel zu lange. Das muss jetzt acht Jahre her sein. Damals warst du noch ein kleines Mädchen."

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt