Kapitel 14

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Gerudin wurde, wie er das erwartet hatte, im Morgengrauen abgelöst. Siena überkam eine, ihr unbekannte Unruhe kaum, dass er weg war. Sie hatten sich nicht voneinander verabschieden können. Das wäre aufgefallen. Und nun saß sie in ihrer Zelle, bewacht von einem älteren Mann, der sie die ganze Zeit lüstern anglotzte. Sie verkroch sich in die hinterste Ecke der Zelle, setzte sich auf den Boden, umklammerte mit den Armen ihre Beine und verharrte beinahe den ganzen Tag apathisch in dieser Position.

Es musste früher Vormittag sein, als sich die Tür öffnete und ein großer, kräftiger Mann hereinkam. Er wies den Wachmann an, die Zelle aufzusperren. Er trat ein und ging auf Siena zu.

„Komm mit!", befahl er ihr. „Und wehe, du versuchst zu fliehen."

„Wo bringst du mich hin?"

„Das wirst du schon sehen!"

Er packte sie brutal am Genick, schleifte sie durch die Gänge ins Erdgeschoss und dort in einen kleinen Raum. Siena war sich darüber im Klaren, dass es ihr keinen Vorteil brachte, dass sie die Nichte des Alpha war. Sie war nur noch eine ganz normale Gefangene.

„Warte hier!", befahl er.

Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er hinaus und schloss die Tür hinter sich. Siena schaute sich erst einmal um. Der Raum war spartanisch eingerichtet. Es standen nur ein Tisch und drei Stühle drinnen. Siena stellte sich die Frage, ob der Raum eigens umgestellt worden war, um sie zu befragen. Eines war ihr nämlich klar, dass das Mobiliar nur einen Sinn gab, wenn eine Vernehmung geplant war.

Siena setzte sich deshalb auf den einzelnen Stuhl, der auf der einen Seite des Tisches stand. Ihr war klar, dass draußen vor der Tür Wachen postiert waren und solange sie sich nicht verwandeln konnte, würde sie keine Chance haben. Deshalb ließ sie es von vorne herein bleiben und entschied sich, auch weiterhin die naive und ängstliche Nichte zu spielen.

Plötzlich flog die Tür auf und krachte gegen die Wand. Ihr Onkel und der Mann, der sie aus dem Kerker geholt hatte, betraten den Raum. Serbin entkam ein Schmunzeln, als er bemerkte, dass Siena bereits am Tisch saß. Es war ein überhebliches und abschätziges Grinsen. Siena dagegen lachte sich heimlich ins Fäustchen, da sie offenbar ihr Ziel erreicht hatte.

„Du dummes Kind!", fuhr sie Serbin an. „Warum konntest du nicht in deinem Zimmer bleiben."

„Ich habe Schreie gehört", verteidigte sich Siena bewusst kleinlaut.

„Und dann musst du gleich loslaufen?"

„Ich dachte, jemand braucht Hilfe."

„Ach ja, und deshalb machst du dich gleich auf den Weg. Das könnte gefährlich sein für eine so schwaches Mädchen wie dich. Hast du daran nicht gedacht? Rennt einfach los!"

„Ich bin nicht gerannt. Dazu war es viel zu dunkel."

Die beiden Männer lachten laut auf. Sie lachten sie aus und das war gut so. Siena versuchte, mit Unschuldsmine dazusitzen und spielte unsicher mit ihren Händen. Sie war von sich selber erstaunt, wie gut sie schauspielern konnte.

„Das bringt uns beide in eine sehr blöde Situation."

„Euch beide?", fragte sie.

Siena hätte sich beinahe das Lachen nicht verkneifen können. Doch die Reaktion der beiden zeigte, dass sie auf dem richtigen Weg war. Sie schauten sie mit großen Augen an. Es war deutlich zu sehen, dass die beiden im ersten Moment nicht verstanden, was sie damit meinte. Dann aber lachten sie lauthals los. Sie amüsierten sich prächtig auf ihre Kosten.

„Ich meine dich und mich", antwortete ihr Onkel.

„Und wer ist dann er?"

„Er ist mein Beta."

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt