Kapitel 9

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Siena erwachte. Ihre innere Uhr war so eingestellt, dass sie gegen 5 Uhr morgens aufwachte. Sie konnte sich weitgehend darauf verlassen und, wenn sie einmal verschlafen sollte, würde Aruna auf der Matte stehen. Sie hatte kein Erbarmen. Mit lautem Getöse und ohne anzuklopfen kam sie dann immer ins Zimmer. Allein schon vom Schock, den Siena dabei jedes Mal erlitt, war sie normalerweise hellwach.

Heute aber klopfte Aruna vorsichtig an die Tür und öffnete sie ganz, ganz leise. Aha, dachte Siena, auf Rubina nimmt sie Rücksicht. Sie musste lächeln, als sie auf das Mädchen neben sich schaute. Die Kleine schlief ganz eng an sie gekuschelt. Ihr war es am Abend schwergefallen, einzuschlafen. Siena hatte ihr insgesamt drei Geschichten erzählt, die sie teilweise selber erfinden musste. So genau konnte sie sich an die Geschichten ihrer Kindheit nicht mehr erinnern und ein Buch zum Vorlesen hatte sie nicht zur Hand. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als zu improvisieren. Aber offenbar hatte es auch so funktioniert. Rubina hatte gespannt ihren Erzählungen gelauscht. Schließlich war sie müde geworden, die Augen waren ihr zugefallen und ihr Atem wurde flach und regelmäßig.

Siena gab Aruna mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie wach war aber still sein sollte. Auch auf das Gesicht der Freundin schlich sich ein Lächeln. Sie ging auf Zehenspitzen ins Ankleidezimmer und legte für Siena Kleidung zurecht. Das tat sie sonst nie, aber heute wollte sie die Kleine nicht wecken und musste sich irgendwie beschäftigen. Siena beobachtete Aruna mit einem Lächeln.

„Du müsstest langsam aufstehen, wenn du dein Training nicht verpassen willst", flüsterte Aruna schließlich.

„Rubina schläft so schön. Wird schon nicht der Himmel herunterfallen, wenn ich heute das Training einmal auslasse", antwortete sie genauso leise.

„Dann ist der nächste Programmpunkt Frühstück um 7 Uhr", antwortete Aruna.

Sie wollte sich schon auf dem Weg aus dem Zimmer machen, da bewegte sich Rubina und beide hielten den Atem an. Die Kleine öffnete zaghaft die Augen und blickte sich um. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie nicht auf Anhieb realisieren konnte, wo sie war. Als sie aber Siena erkannte, schlich sich ein Strahlen in ihre Augen.

„Guten Morgen", gähnte sie. Dabei streckte sie sich mit sichtlichem Genuss.

„Guten Morgen", grüßten auch Siena und Aruna.

„Kannst du ein wenig bei Tante Aruna bleiben. Ich müsste zum Training", erkundigte sich Siena liebevoll. „Sie wird gut auf dich aufpassen."

„Wo trainierst du?"

„Hinter der Burg auf einer großen Wiese."

„Kann ich dabei zuschauen oder mitmachen?"

„Du willst kämpfen lernen?"

„Ich möchte so werden, wie du", sagte das Mädchen. Die Kleine blickte sie treuherzig an. „Ich will nie wieder solche Angst haben müssen."

Siena lächelte und strich ihr mit der Hand liebevoll über das Haar. Dann küsste sie ihre Stirn. Zu gut verstand sie die Kleine.

„Na dann, komm mit!"

Die beiden sprangen vergnügt aus dem Bett und zogen sich an. Da Rubina nur das hatte, was sie am Leibe getragen hatte, als sie gestern von Siena aufgenommen wurde, musste sie die alten Kleider wieder anziehen. Siena ging vor ihr in die Hocke.

„Am Vormittag werde ich mich um Amtsgeschäfte kümmern müssen. Das ist sehr langweilig. Was hältst du davon, wenn Tante Aruna mit dir zum Einkaufen geht und dich so richtig passend ausstattet? Einen coolen Sport- und Kampfdress brauchst du auf jeden Fall und dann noch Kleidung für alle möglichen Anlässe."

„Aber meine Oma hat kaum Geld. Das kann ich mir nicht leisten", antwortete Rubina und wurde traurig.

„Das bezahle ich. Du bist nun bei mir."

„Das würdest du für mich machen?", strahlte Rubina begeistert.

Die Kleine fiel ihr um den Hals und drückte sich ganz fest an Siena. Das kam so überraschend, dass die beiden um ein Haar umgefallen wären. Siena konnte gerade so im letzten Moment das Gleichgewicht halten.

„Ab sofort werde ich für dich sorgen. Du hast ja sonst niemanden mehr."

„Du bist so lieb!"

Rubnia kullerte eine Träne über die Wange und Siena musste schlucken. Auch Aruna steckte ein Kloß im Hals.

„Wir wollten doch trainieren gehen?", versuchte Siena die Kleine abzulenken und es gelang.

Aufgeregt sprang sie neben der Alpha den Gang entlang. Als sie den Trainingsplatz sah, lief sie voraus und schlug ein Rad nach dem anderen.

„Das macht Spaß!", rief sie.

„Du wird einmal eine wirklich gute Mutter", meinte Aruna.

Siena aber hob nur die Augenbrauen und schaute ihre Freundin überrascht an. Dann schmunzelte sie.

„Sie ist so süß und hat so viel schon mitgemacht in ihrem kurzen Leben. Sie hat doch endlich auch einmal ein Recht drauf, ein bisschen Glück zu haben."

„Ich bin mir sicher, du wirst für Rubina eine gute Tante werden."

„Ich möchte eher eine große Schwester sein."

Kampf um ArlagonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt