12. gruseliges Puzzle

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>> Es ist echt cool. Wir kennen uns keine ganze Woche und verstehen uns auf Anhieb. Es war keinen Moment komisch <<, berichtete ich am Abend meiner Mutter, als wir telefonierten.

Sie schien genauso erfreut, wie ich, dass wenigstens Phoenix und ich uns gut verstanden. >> Ich freue mich wirklich. Nur schade, dass du bisher nicht mit deinem Vater und Katharina warm werden konntest. <<

Will ich ja auch gar nicht, dachte ich und biss in die Birne, die ich mir vorhin geklaut hatte.

>> Ja richtig blöd <<, sagte ich abwesend und ließ die Füße baumeln.

Vielleicht hatte Phoenix recht mit der Tatsache, dass ich Stühle mied. Denn gerade saß ich auf meiner Kommode.

>> Aber wie gesagt läuft es hier bei meiner Arbeit richtig gut. <<

>> Das freut mich wirklich Mum. <<

Lächelnd fuhr ich mir mit den Fingern durch die Haare und stellte fest, dass ich noch immer dasselbe Outfit trug, wie gestern und auch sonst keine Körperpflege betrieben hatte.

Igitt.

Und das war dann auch das erste, dass ich machte, nachdem meine Mutter aufgelegt hatte. Ich schminkte mich ab, duschte, kämmte mir die Haare und schlüpfte in eine Jogginghose und ein großes Langarmshirt.

Defintitiv besser.

Ich ließ das Abendessen ausfallen und legte mich ins Bett. Zwar ging ich nicht direkt schlafen, doch ich ruhte meinen Körper aus, indem ich mein Lieblingsbuch noch einmal las.

--

Montag, Dienstag und Mittwoch rauschten beinahe an mir vorbei.

In der Schule schlief ich mit offenen Augen und die Nachmittage verbrachte ich mit Tosse.

Als ich am Donnerstag von der Schule kam, warf ich mich sofort ins Bett und zu meinem großen Wunder schlief ich ein, ohne mich dagegen wehren zu können. Aufwachen tat ich erst, als ich einen lauten Knall und dann ein Fluchen hörte.

Völlig neben der Spur, wie immer, wenn ich gerade erst aufwachte, saß ich kerzengerade im Bett.

Muss ich zur Schule, dachte ich panisch und durchwühlte mein Bett, bis ich mein Handy fand. Doch es war erst zwanzig Uhr abends. Ich hatte beinahe sechs Stunden geschlafen.

Langsam kam ich in der Realität an und stand auf, um nachzuschauen, was das laute Geräusch gemacht hatte. Ich stieg die Treppe runter und verließ mein Zimmer. Im Flur blieb ich stehen und lauschte. Die Geräusche kamen defintitiv von unten, also ging ich ins Erdgeschoss.

>> Hallo? << rief ich und lauschte wieder gespannt.

>> Ja? <<, kam prompt Phoenix Antwort aus dem Abstellzimmer.

Mit gerunzelter Stirn öffnete ich die Tür und sah ihn genervt am Boden sitzen. Vor ihm lag ein umgekippter Eimer und darum verteilt hunderte Puzzlestücke.

>> Ach du grüne Neune <<, sagte ich und setzte mich ihm gegenüber. >> Puzzledrang verspürt? <<

Mit den Händen kehrte er alle Stücke zusammen, sodass sie als großer Haufen zwischen uns lagen. >> Definitiv nicht. Ich wollte die Rollen an meinem Skateboard strammziehen und habe hier nach dem Schraubenschlüssel dazu gesucht. Und dabei ist dieser Scheiß runtergefallen. <<

>> Ich habe Puzzeln immer gehasst. Hey schau mal, die passen zusammen, verrückt. << Ich steckte die zwei Stücke zusammen und grinste.

>> Von wegen. Du hast gerade ein Ohr an dem Kinn befestigt. << Ich schaute mir das Bild an. Er hatte Recht.

>> Aber das passt, guck. << Er nahm mir die beiden Puzzleteile aus der Hand und steckte ein Stück, auf dem Haare zu sehen waren, an das mit dem Ohr.

Ich durchwühlte die Teile, die vor uns lagen und suchte weiter. Irgendwann hatten wir das Gesicht so weit fertig, dass nur noch der Mund fehlte.

>> Heute ist ein scheiß Tag. Ich muss Mum gleich sagen, dass ich Physik verhauen habe, weil es die dritte fünf in den letzten Monaten ist und mein Lehrer meinte, dass er am Wochenende meine Mutter deshalb anruft. <<

Ich sah auf und meine Hände stoppten kurz in der Bewegung. >> Das nervt echt. Wieso sind Lehrer so? Ansonsten ist dein Zeugnis doch super oder nicht? <<

Als ich ein Stück den Mundes gefunden hatte hielt ich es Phoenix hin und er befestigte das Teil.

>> Ja, aber meine Mum ist einfach nervig, was die Schule betrifft. Wenn sie das rausfindet verbietet sie mir das Skaten oder lässt mich nicht mehr aus dem Haus für ein paar Wochen. <<

>> Scheiße, dass unsere Zimmer so weit oben sind, sonst hättest du dich da nachts rausschleichen können. <<

Er grinste und fand endlich das letzte fehlende Puzzleteil das unter den Schrank gefallen war.

Wir starrten auf das fertige Bild, auf dem einfach nur das Gesicht eines alten Mannes zu sehen war.

>> Das Puzzle ist irgendwie... <<, fing ich an.

>> Gruselig? Angst einflößend. Erschreckend? <<, schlug er vor und ich nickte.

>> Ja verdammt, das Puzzle macht mir Angst. Wieso guckt er so? <<

Schnell zerstörte der Junge vor mir das Puzzle wieder und begann damit es einzuräumen. >> Jetzt weiß ich wieder wieso ich puzzeln hasse. Im Ernst, welche Mutter kauft seinem Kind so ein Puzzle. <<

Er stand auf und verfrachtete den Eimer mit dem Puzzle weit hinten in einem der vollbepackten Regale.

Mein Magen knurrte gerade dann, als ich den Mund aufmachen wollte, um ihn zu fragen, ob Katharina, mein Vater und er schon gegessen hatten.

>> Du hast das Essen verpasst vorhin. Mum hat dich gerufen, aber du hast nicht geantwortet. <<

Ich seufzte und stellte mich jetzt ebenfalls auf. >> Scheiße. Ich sterbe vor Hunger. <<

Er musterte mich kurz. >> Wenn du willst können wir zu dem Drive-In von dem einen Laden in der Nähe fahren. Ich habe auch schon wieder Hunger. <<

>> Boah ja, bitte. <<

Ich folgte ihm, als er die Abstellkammer verließ und sich Schuhe und Jacke anzog, die ich ihm am nächsten Morgen, nachdem er sie mir geliehen hatte, doch wiedergegeben hatte.

Ich tat es ihm gleich, während er sich den Schlüssel vom Schlüsselbrett holte und die Haustür öffnete.

Alexis und Phoenix ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt