Zurück zu Hause

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                            Juliette Streich

Die Träger von meinem viel zu schweren Rucksack schnitten mir mittlerweile in die Schultern. Auch mein Geigenkoffer hing unbeholfen über meine Schulter und baumelte bei jedem Schritt hin und her.

So schnell wie möglich schloss ich mein Rad ab und radelte los. Meine zwei Züge hatten beide Verspätung gehabt, sodass ich insgesamt zwei Stunden später dran war als eigentlich geplant.

Der Schweiß lief meinen Körper mittlerweile ungehalten runter. Zwar hatte der ICE eine Klimaanlage gehabt, aber nun hier draußen erschlug mich die Sommerhitze fast.

Mein graues T-Shirt musste überall dunkle Flecken haben. Ich wollte gar nicht wissen, wie mein Rücken unter meinem geschulterten Gepäck aussah.

Mein Handy hatte auch keinen Akku mehr und mein Ladekabel hatte ich in Berlin vergessen.

Völlig entnervt bahnte ich mir den Weg durch die ganzen Menschen im Park, die alle gekonnt den extra eingezeichneten Fahrradweg ignorierten. Die Sonne trieb wohl die ganze Stadt in den Park.

Ich musste noch einmal klingeln und dann erreichte ich auch schon das Ende vom Park. Auf meinem alten Fahrrad fuhr ich so schnell wie es ging die Straßen entlang, an meiner alten Schule vorbei und dann schließlich den Weg, den ich nur allzu gut kannte.

Nach weiteren fünf Minuten bog ich endlich keuchend in die Straße meines Ziels ein. Meine Mutter würde den totalen Nervenzusammenbruch bei meiner ganzen mitgebrachten Wäsche bekommen.

Als ich endlich vom Fahrrad abstieg, was sich als ziemliche Herausforderung mit Gepäck und wackligen Beinen herausstellte, lehnte ich es schnell an die Hauswand und kramte meinen Schlüssel heraus.

Im Hausflur war es um einiges kühler als draußen. Mit meiner letzten Kraft schleppte ich mich die unzähligen Treppen hoch, bis zur letzten Wohnung im Dachgeschoss. Der Gedanke an die unglaublich stickige Luft da oben ließ mich fast wieder umkehren. Doch irgendwie hatte ich es nach oben vor die Wohnungstür geschafft und steckte den Schlüssel ins Schloss. Noch bevor ich umdrehen konnte, wurde die Tür auch schon aufgerissen.

„Wo warst du so lange?"

„Kann ich vielleicht erst mal reinkommen?", fragte ich schwach und drängelte mich vorbei in die Wohnung.

Im Wohnzimmer angekommen ließ ich sofort den Rucksack sowie den Geigenkoffer von meinen Schultern gleiten. Ich hatte das Gefühl, ich würde nach oben schweben, so befreit fühlte ich mich.

„Also, wo warst du so lange? Ich habe dich nicht erreicht."

Ich drehte mich um, nur um eine fragende Anna vor mir stehen zu sehen. Sie trug eine luftige Bluse und eine zerrissene Jeansshorts.

„Ja, ich freue mich auch die zu sehen, Schatz. Ja, ich habe dich auch vermisst", antworte ich ironisch und zog mir mein durchschwitztes Shirt aus, „Die Züge hatten beide Verspätung."

„Warum hast du mir ni-"

„Und ich konnte dir nicht schreiben, weil mein Handy kein Akku mehr hatte und mein Ladekabel in Berlin vergessen habe", unterbrach ich Annas weiteren Anlaufversuch.

„Achso, dann will ich nichts gesagt haben", erklärte Anna, offensichtlich beschwichtigt und zufrieden mit meiner Antwort, „Ist es so heiß draußen?" Sie deutete grinsend auf mein T-Shirt, was nun auf dem Sofa lag.

„Aber so was von! Warst du heute noch nicht draußen?", fragte ich ungläubig und probierte mich im BH ein bisschen zu aklimatisieren.

„Heute Morgen, ich hatte nur erste und zweite Stunde Unterricht."

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