Alles neu

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                            Anna Lilienthal

Dieses Mal war ich diejenige, die genervt sich auf die andere Seite des Bettes rollte, als ich das Piepen des Weckers wahrnahm und Juliette war diejenige, die aus dem Bett aufstand. Ich hörte sie den Kleiderschrank öffnen und einige Zeit später wieder schließen, dann zog sie ab.

Heute hatte sie das erste persönliche Gespräch mit dem Direktor Gaff, damit sie sich persönlich kennenlernten, bevor Juliette dann in zwei Tagen ihren ersten Arbeitstag in der Schule antrat. Am Abend zuvor hatten wir noch mal ausgiebig über die Situation gesprochen, während wir auf der Couch gekuschelt hatten und der Fernseher im Hintergrund für Flimmern sorgte.

Ich strich mir meine Haare aus dem Gesicht und probierte angestrengt einzuschlafen, aber je angestrengter ich es probierte, desto mehr entfernte ich mich von noch zwei guten Stunden Schlaf.

Die Dusche rauschte und die Sonne stand mittlerweile so, dass sie mich blendete. Genervt gab ich den verzweifelten Versuch auf, wieder einzuschlafen. Dennoch wollte ich noch nicht aufstehen. So lag ich wach im Bett, hörte Juliette aus der Dusche kommen, hörte sie Kaffee kochen und leise Musik in der Küche anmachen.
Nach einiger Zeit kam sie wieder ins Schlafzimmer geschlichen.

„Hey", begrüßte ich sie.

Sie sah mich überrascht an.

„Ich dachte, dass du noch schläfst", sagte sie.

„Wie kann ich bei diesem nervigen Wecker noch schlafen?"

„Es ist dein Wecker, du hast ihn ausgesucht?", fragte Juliette belustigt und öffnete noch mal den Kleiderschrank.

„Ja, weil ich von ihm auch wach werde", stöhnte ich, „Suchst du was?"

„Nur einen weißen BH, ich hatte mir vorhin versehentlich einen schwarzen genommen und schwarz unter einem weißen T-Shirt ist nicht so angebracht heute", erklärte meine Freundin, „Ah, da ist einer!"

Ich sah ihr dabei zu, wie sie ihre BHs austauschte und dann wieder aus dem Schlafzimmer gehen wollte.

„Ey, bekomme ich keinen Abschiedskuss?", rief ich schmollend.

Juliette drehte sofort um und lief lächelnd wieder zurück.

„Natürlich Schatz", sagte sie und beugte sich dann runter zu mir.

Sie gab mir einen Kuss und richtete sich dann wieder auf.

„Wie lange bist du weg?", fragte ich.

„Je nachdem wie lange es dauert... Ich denke mal nicht länger als zwei Stunden."

„Soll ich mit dem Frühstück auf dich warten?"

„Musst du nicht", kam es von meiner Freundin und dann war sie aus meinem Sichtfeld verschwunden.

„Ich liebe dich!", rief ich ihr nach.

„Ich dich auch!"

———— 

Nervös starrte ich auf die Uhr in der Küche. Hätte Juliette nicht schon vor einer halben Stunde hier sein müssen? Zum zehnten Mal in den letzten Minuten ging ich zum Fenster und guckte, ob ich die Braunhaarige draußen sehen konnte, doch die Straße war leer. Ich zupfte an dem Blumenstrauß, den ich auf dem Weg vom Bäcker nach Hause noch geholt hatte.
Trotz aller Umstände würde Juliette in zwei Tagen ihr Referendariat beginnen und das erfüllte mich natürlich mit Stolz. Den Fakt, dass ich sie bald wieder auf den Schulfluren sehen würde, verdrängte ich erfolgreich. Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich den Schlüssel im Schloss und die Wohnungstür nicht hörte und meine Freundin erst bemerkte, als sie die Küche betrat.

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