Der Anruf

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Juliette Streich

Es war nicht, wie ich gedacht hatte, dass ich aufwachen würde. Es dauerte einige Sekunden, bis ich das Geräusch, welches mich so unsanft weckte, ausmachen konnte. Es war der Klingelton meines Handys.

Verwirrt drehte ich mich nach rechts zu meinem Nachttisch und sah tatsächlich mein Handy leuchten. Noch halb im Schlaf richtete ich mich vorsichtig auf, um Anna nicht zu wecken und ging ans Telefon.

„Ja?", fragte ich mit müder Stimme.

„Frau Streich! Es tut mir sehr leid, dass ich sie zu einer solchen Zeit anrufe!"

Erschrocken hielt ich kurz das Handy von meinem Ohr weg, um zu sehen, wer mich da anrief. Es war der Direktor meiner zukünftigen Arbeitsstelle. Noch verwirrter hielt ich das Handy wieder an mein Ohr.

„Herr Remann! Was eine... Überraschung?", gab ich verwirrt von mir und sprang auf, um mir den Bademantel, der auf dem Stuhl lag, über zuziehen.

Was zum Teufel wollte mein zukünftiger Chef um acht Uhr morgens mitten in den Sommerferien von mir?

Anna wälzte sich, noch schlafend, auf die andere Seite und ich schlich aus dem Zimmer und zog die Tür des Schlafzimmers hinter mir zu, um Anna nicht zu wecken.

„Ja, das können Sie laut sagen!", lachte der Mann am anderen Ende der Leitung sichtlich nervös.

„Was gibt es denn?", fragte ich etwas ungeduldig, aber dennoch darauf bedacht, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich alles andere als erfreut war, in meinem Urlaub von meinem zukünftigen Chef konfrontiert zu werden. Erst recht nicht um diese Uhrzeit.

Mittlerweile stand ich in der Küche und schenkte mir ein Glas Wasser ein.

„Also... Ich habe Ihnen leider etwas mitzuteilen, was mir nicht so ganz leicht fällt... Unsere Schule kann Sie bedauerlicherweise doch nicht als Referendarin annehmen."

Ich verschluckte mich an meinem Wasser, musste unglaublich husten und mich an der Wand festhalten, damit ich nicht auch noch stolperte.

„W-was?", krächzte ich und probierte meinen Hals wieder zu beruhigen.

„Ja, genau wie Sie habe ich auch reagiert, Frau Streich!"

„Ach ehrlich?", fragte ich nun mit fester Stimme, „Und wieso das Ganze, wenn ich fragen dürfte?"

„Also es ist leider so... Nun ja", stammelte der Direktor, „Die finanzielle Lage unsere Schule ist sehr, sehr schlecht. Nun sind uns letzte Woche auch zwei wichtige Sponsoren abgesprungen und wir können uns leider so viel Personal nicht leisten. Es muss viel repariert werden und Anschaffungen getätigt werden und-"

„Und was mache ich jetzt?!", brachte ich aufgebracht hervor, „Ich brauche eine Stelle für mein Referendariat und ich habe mich auf Ihre Schule eingestellt! Ich bin extra hergezogen!"

„Ich bin ja so froh, dass Sie es ansprechen!", sagte der Direktor nun tatsächlich erfreut. „Wir haben eine perfekte Lösung für Sie!"

„Achja? Dann lassen Sie mal hören!"

„Gerne! Wie Sie vielleicht wissen, hat die Stadt zwei Gymnasien! Das Bischof-Gottfried-Gymnasium ist so freundlich gewesen, unsere wenigen Referendare und Referendarinnen zu übernehmen! Es ist das andere Gymnasium in der Stadt und sehr zentral-"

„Gelegen, ich weiß", murmelte ich, „Es war meine alte Schule."

„Ach genau, Sie sind ja auch hier in der Stadt zur Schule gegangen! Dann kenne Sie sich ja an Ihrem neuen Arbeitsplatz bestens aus!", lachte der Mann erneut nervös.

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