Alles beim Alten

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Anna Lileinthal

„Und was machen Sie in den Ferien?"

Ich schreckte aus meinen Tagträumen auf. Es war die letzte Stunde für dieses Schuljahr und meine 7te Klasse vergnügte sich nach der Zeugnisausgabe ganz von alleine. Ich musste die Konversationen über die jeweiligen Pläne des anderen in den Sommerferien verpasst haben, denn ich musste mich erst mal sortieren, um auf die Frage von Melina zu antworten.

„Ach ich... Ich fahre nach Italien", erklärte ich den jungen Teenagern, die mich mittlerweile alle anguckten.

„Vielleicht sehen wir uns ja!", rief Lena aufgeregt.

„Mhm, vielleicht", antwortete ich und betete innerlich, dass dies nicht eintrat.

„Mit ihrem Freund?", kam es schelmisch aus irgendeiner Ecke des Klassenraums.

„Nein, nicht mit meinem Freund. So etwas existiert auch gar nicht", fügte ich schnell hinzu.

Wenn ich mir als Lehrerin eins vorgenommen hatte, dann niemals zu viel aus dem eigenen Privatleben preisgeben. Die Schüler und Schülerinnen mussten nicht mehr als nötig über mich wissen.
Ich war nicht die Art von Lehrerin, die immer aus ihrem Leben erzählte und mal mit Schülern oder Schülerinnen entspannt über das Wochenende plauderte. Dies musste nicht sein.
Naja, wenn man mal diesen einen Fall außer Acht lässt, hatte das auch immer ganz gut geklappt.

Glücklicherweise war das Klassengespräch auch schon wieder wo anders, sodass ich fein aus der Sache raus war. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass in zehn Minuten Schulschluss war.

„So meine Lieben! Packt schon mal langsam euer Zeug zusammen, da es gleich klingeln wird!"
Bewegung kam in die Klasse.
„Ich wünsche euch schöne Ferien! Wir sehen uns im neuen Schuljahr genau hier wieder!"

„Dürfen wir schon gehen?", fragte die Erste.

Einen Moment überlegte ich, dann entschied ich mich für ein „Los raus mit euch" und meine Schülerinnen und Schüler stürmten aus dem Raum die Treppen runter. Als auch der Letzte den Raum verlassen hatte, atmete ich einmal tief durch.
Es war doch immer ein schönes Gefühl, wenn Stille nach einem lauten Arbeitstag einkehrte. Seufzend schnappte ich mir die Gießkanne von der Fensterbank und machte mich daran, die Pflanzen ein letztes Mal zu wässern. Vor dem Fenster liefen einige Schülerinnen vorbei. Eine blickte zu mir auf und winkte. Ich grüßte zurück. Auf welcher Klasse kam sie noch mal?

„Anna!"

Ich drehte mich erschrocken zur Tür, in der meine Freundin und Kollegin Maria stand und mich freudig ansah.

„Wir haben frei!", trällerte sie, machte einige Tanzbewegungen und warf dann lachend den Kopf zurück.

„Oh man hör bloß auf, von draußen können Schüler reingucken!"

„Mir egal, dann können sie mittanzen! Ich bin so froh, die alle sechs Wochen nicht zu sehen, du kannst es dir nicht vorstellen!"

„Oh doch, das kann ich!", sagte ich lachend und stellte die Gießkanne zurück an ihren Platz.

„Stimmt, Sie sind ja auch Lehrerin, Frau Lilienthal!", entgegnete Maria schelmisch.

„Ja, eine Lehrerin, die ganz schnell aus diesem Gebäude möchte."

„Da muss ich dich leider enttäuschen, da wartete nämlich noch die Abschlusskonferenz auf uns."

Stöhnend packte ich meine Sachen zusammen und schulterte meinen Rucksack. Gemeinsam mit Maria verließ ich den Klassenraum und zog die Tür hinter mir zu.

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