Anna LilienthalDer Cappuccino aus Marias Kaffeemaschine war himmlisch. Vorsichtig trug ich die dampfende Tasse ins Wohnzimmer und ließ mich auf dem Sessel nieder, in dem ich die meiste Zeit seit meiner Ankunft verbracht hatte. Ich nippte an dem brühend heißen Getränk, dann stellte ich die Tasse ab. Meine Arme taten noch etwas von dem gestrigen Training weh. Krafttraining. So etwas konnte ich nichts abgewinnen, aber das auspowern hatte meinem Körper und meiner Seele gut getan. Etwas schlecht fühlte ich mich gegenüber meiner Arbeitsstelle. Ich hatte mich für eine Woche krankgemeldet. Jedoch war es das erste Mal in drei Jahren, dass ich mich krankgemeldet hatte, also konnte ich meine Schuldgefühle doch irgendwie kompensieren.
Maria war unterwegs. Ein langersehntes Essen mit Thomas Kopmann. Sie hatte mich schon vorgewarnt, dass sie vielleicht über Nacht wegbleiben würde. Zwinkernd hatte ich ihr viel Spaß gewünscht und hoffte nun, dass dieser Mann ihr nicht wehtat. Sie verdiente Glück und alles andere.
Mir war nach Musik, doch Maria hatte keinen Plattenspieler oder qualitative Musikboxen. Lediglich eine kleine tragbare Musikbox stand auf ihrem Schreibtisch. Deren einziger Nutzen war das Wiedergeben von Hörverstehensaufgaben im Unterricht. Jetzt machte ich sie an und koppelte mein Handy mit ihr. Während ich durch meine Musik scrollte, wusste ich nicht, was ich hören wollte. Aggressive Gitarrenriffe, traurige Geigen oder ein ruhiges Klavier?
Die Lust auf Musik war mir vergangen. Seufzend ließ ich mich wieder in den Sessel fallen. Ein weiterer Schluck vom Cappuccino und ein weiterer kläglicher Versuch, Juliette aus meinen Gedanken zu verbannen. >>Ein Kaffe ist erst dann vollkommen, wenn auf dem Schaumberg eine Prise Zimt ist!<< hörte ich Juliette in meinem Kopf. Sie hatte mich damals so süß angeguckt und hatte vorsichtig etwas Zimt in meine Tasse gestreut. Ein weiter Schluck Cappuccino. Halb wütend, halb traurig sprang ich auf und suchte in Marias Schränken nach Zimt. Als ich auch im Gewürzschrank keinen Zimt fand, ging ich kraftlos zurück. Jetzt sah der Cappuccino trostlos aus und er schmeckte fade.Eine Prise Zimt auf dem Kaffee. Haferdrink statt Kuhmilch. Eine Plattensammlung und einen Plattenspieler. Eine Tagesdecke auf dem Bett. Viel Pflanzen in den Wohnräumen. Das war nur ein Bruchteil der Dinge, die sich in meinem Leben geändert hatten, seit Juliette Teil davon war. Wie wäre es wohl, wenn sie nie ein Teil meines Lebens geworden wäre?
Vermutlich würde ich jetzt in einem Haus sitzen und mit Torben irgendetwas im Fernsehen gucken. Würde ein Kind in einem Nebenzimmer schlafen? All diese Sachen konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, doch eins wusste ich ganz genau: Ich wollte es nicht.Für mich gab es keine Alternativzukunft. Ich wollte nur Juliette, doch nun war ich knapp Mitte dreißig und merkte, dass ich eine feste Zukunft planen wollte. Einfach Sicherheit und einen groben Plan für die kommenden Jahre. Bis jetzt hatte ich kein Problem mit allem gehabt. Während Juliettes Studium war ich geduldig gewesen, hatte die Spontanität unsere Beziehung sogar genossen und hatte mich frei gefühlt. Ich hatte gelernt, dass Abstand und Alter keine Barriere für irgendwas waren. Jetzt aber fragte ich mich, ob es doch am Alter lag. Ich wollte Juliette das Ja-Wort geben und ihr für immer schwören. Doch ihr schien das nicht so wichtig wie mir.
Vielleicht waren wirklich in zu verschiedenen Situationen im Leben oder hatten einfach unterschiedliche Vorstellungen.
Ich dachte an ihre letzten Worte: >>Du hast dich gehasst, weil du mich wolltest?<<Lügen konnte ich nicht. Es hatte eine Zeit gegeben, wo genau dies der Fall war. Alles an meinen Gefühlen für die damals 18-Jährige war falsch gewesen. Ich hatte meinen Mann nicht nur betrogen, sondern die Regeln einer Lehrerin nach aller Kunst gebrochen. Seufzend schloss ich die Augen. War es so schwer für Juliette, meine Sicht der Dinge zu verstehen? Ich dachte an ein verlängertes Wochenende in Wien zurück. Juliette und ich hatten spontan ein Hotelzimmer gemietet und waren unserem jeweiligen Alltagsstress für einige Tage entflohen. Es war der erste gemeinsame Trip als Pärchen. Die Sommerferien, nachdem Juliette ihren Abschluss gemacht hatte und ich sie gefragt hatte, ob sie meine Freundin werden wollte.
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Lieben lernen
RomanceTeil 2 "Und das Frau Streich, ist Anna Lilienthal. Sie unterrichtet ebenfalls Sport, also eine weitere Ansprechpartnerin für Sie, wenn Sie mal Hilfe benötigen", lachte der Direktor ölig, der nun direkt neben mir stand, „Wenn ich mich recht entsinne...