Der erste Tag von allen Tagen

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                            Anna Lilienthal

Es war Punkt 16 Uhr, als ich die Wohnungstür aufschloss und mich erschöpft in den Flur schleppte. Ich schwitzte aus jeder Pore meines Körpers und das Grummeln in meinem Magen erinnerte mich an mein Vorhaben, welches ich doch tatsächlich vergessen hatte.

Ich hatte noch einkaufen wollen, um mir und Juliette Essen zu kochen. Seufzend stellte ich meinen Rucksack ab, bereit wieder aus der Tür zu marschieren und um die Ecke zum Laden zu flitzen. Doch ein Geruch aus der Küche und die Stimme meiner Freundin hielt mich ab.

„Schatz? Bist du zurück?"

„Ja", rief ich und machte mich auf in die Küche.

Dort stand Juliette in einem weißen Shirt und einer sehr kurzen Hose. Sie hatte die Pfeffermühle in der Hand und ein Geschirrlappen hing ihr über die Schulter. Es roch verführerisch lecker aus der Pfanne auf dem Herd.

„Hey! Wie war dein Tag? Hast du Hunger?", fragte mich Juliette liebevoll und gab mir einen flüchtigen Kuss.

Völlig perplex von der Situation blieb ich einfach stumm stehen und betrachtete meine Freundin beim Würzen des Gerichtes.

„Ich..."

„Alles gut?", Juliette drehte sich zu mir um und berührte mich sanft am Arm.

„Ja, es ist nur so... Ich freue mich so dich zu sehen und das ich von der Arbeit zurückkomme, du hier bist und was kochst... Was auch noch gut riecht", erklärte ich meine Gefühlslage und trat einen Schritt näher, „Das macht mich unglaublich glücklich!"

Auf dem Gesicht von Juliette erschien ein breites Lächeln. Sie zwinkerte kurz und das reichte, dass ich sie an mich zog und sie küsste.

In der einen Hand immer noch die Pfeffermühle und die andere Hand um meinen Hals geschlungen, erwiderte sie den Kuss. Ich drängte sie nach hinten, sodass Juliette rückwärts an die Arbeitsfläche der Küche stieß.

Erst das Schrillen der Eieruhr ließ uns beide auseinanderfahren.

„Ann, das Essen ist fertig", stieß Juliette schwer atmend aus.

Widerwillig ging ich ein paar Schritte zurück und sah dabei zu, wie Juliette den Herd ausstellte.

„Los, setzt dich hin!", forderte mich die Jüngere auf.

Ich drehte mich um, nur um den Tisch bereits gedeckt zu sehen. In der Mitte stand sogar ein Blumenstrauß.

„Habe ich etwas vergessen? Ist heute mein Geburtstag oder so?", fragte ich ehrlich verwundert.

„Nö", Juliette stellte die Pfanne samt Untersetzer auf den Tisch, „Aber es ist der Erste von hoffentlich allen Tagen, die folgen werden, die wir zusammen wohnen und ich neben dir aufwache sowie einschlafe. Außerdem war ich nur einkaufen und die Blumen haben mich an dich erinnert."

Sprachlos blickte ich Juliette an und dann die Blumen. Weiße und orangen Rosen wechselten sich ab und zwischendrin steckte irgendwelche Gräser. Ich wusste das Juliette eine romantische Ader hatte. Und wie ich das wusste! Ich hatte die letzten fünf Jahre mit dieser Frau verbracht und hatte immer wieder Blumensträuße, handgeschriebene Briefe, Playlists, Schallplatten und Bücher bekommen.

Egal ob es ein Geburtstag war oder ein stinknormaler Tag. Doch jedes Mal bekam ich dennoch immer noch dieses Kribbeln im Bauch und dieses unendliche Glücksgefühl.

„Du bist verrückt", flüsterte ich.

„Ich weiß", antwortet Juliette simpel und tat mir Essen auf, „Ist vegetarisches Hühnerfrikassee. Hier, noch Reis."

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