10. Erinnerungen

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Wolf sank. 

Er sank immer tiefer und tiefer. Luft wurde aus seiner Lunge gepresst. Er strampelte, kickte und boxte um wieder nach oben zu gelangen, doch er tat es vergeblich. Er sank nur noch tiefer. Es wurde immer schlimmer. 

Seine Lunge schrie nach Luft. Er strampelte noch mehr, doch irgendwann wurde er immer schwächer und schwächer, bis er fast aufgab. Er sank immer noch. 

Wie tief war dieser verdammte Sumpf!? Einen letzten Versuch machte er noch. Adrenalin schoss durch seinen Körper, und er kämpfte, kickte, boxte, strampelte und vieles mehr. Er hörte auf zu sinken, doch in Richtung Oberfläche tat sich gar nichts. 

Wolf hörte auf sich zu wehren und sank wieder. Er brauchte Luft, sein ganzer Körper schmerzte. Er würde ertrinken, wenn er jetzt nicht sofort Luft bekam.

Er dachte an Hylda und verzieh ihr, dass er so agressiv geworden war. 

Wahrscheinlich war es wirklich ausversehen gewesen. Er dachte an Lulu, an den Abend gestern. An ihre Hand in seiner. Es war so schön gewesen. Er hatte gewünscht dass dieser Moment nie zu ende ging. Er dachte an Rot, ihre wilde Art, an Gang, wie er immer still war und er es immer schaffte unsichtbar zu werden wenn er nicht wollte, dass man ihn sieht. Lori, die immer so gut orgenisiert war, aber trotzdem nicht zu organisiert. Elisabeth die er kaum kannte, aber trotzdem symphatisch war, Fallais wie er seine Schwester Rot ärgerte, Remí wie er immer klugscheißerisch war und Hylda damit immer ärgerte und an den dunklen Jungen, dessen Namen er nicht kannte. Er würde ihn auch nie erfahren. Auch dachte er an seine Mutter Geraldine, an ihre weiche Umarmung, an ihr Lächeln. An seinen Vater Viego, der immer lachte und so glücklich aussah wenn er Wolf anblickte. Sein toller Vater, der ihm jede Dummheit verzieh. Sie alle würde er nie wiedersehen. Er dachte an seine Kindheit. An die vielen Spielchen mit Hylda. Die waren eher wild gewesen. An die gemeinsamen Abende mit Gang. An eine Erinnerung konnte er sich am meisten erinnern. Er war damals sechs Jahre alt gewesen.

Sein Vater war wieder wie jedes Jahr in Sumpfloch als Lehrer. Wolf vermisste seinen Vater. In den Zeiten, in denen er weg war, spielte er am meisten mit Hylda. Deshalb hatte Hanns, Hyldas Vater,sie, seine Mutter und ihn, nach Fortinbrack eingeladen.

Dort hatten sie ein kleines, gemütliches Haus, in dem sie lebten, wenn sie in Fortinbrack zu Besuch waren. Eines Tages nach dem Mittagessen rief er seiner Mutter zu: „Mama, ich geh mit Hylda draußen im Schnee spielen!" Denn es schneite draußen und draußen lag deshalb gaaaanz viel Schnee. „ Mach das Wolf, aber zieh dich an und spielt nicht zu wild, okay?", antwortete seine Mutter aus der Küche. „Mach ich, Mama!", rief Wolf über seine Schulter und rannte nach draußen. Dort schneite es wie wild. Auf dem Boden lag Meterhoher Schnee. Wolf fand das fantastisch, denn in Amuylett schneite es nie so viel. Er rannte über den Hof, doch blib er immer wieder stehen, um Schneeflocken mit seiner Zunge aufzufangen. Er war schon fast über den ganzen Hof gerannt, als er sah, wie Hylda, Remi und Lori, die zufällig ihren dreijährigen Bruder Ponto auch in Fortinbrack war war, nach draußen rannten. „Hallo Wolf!", rief Remi. „Hi!", antwortete Wolf. „ Wollen wir eine Schneballschlacht machen?" , fragte Lori. „Jaaaa!", riefen alle im Chor. Sofort begann Hylda, einen Ball zu formen und ihn auf ihren Bruder zu werfen. Der Ball sauste durch die Luft und traf Remi mitten ins Gesicht. „ Volltreffer!", rief Hylda und lachte. Alle stimmten in ihr Gelächter mit ein und sogar Remi musste kichern. Doch auch Remi hatte schon einen Schneball geformt und warf ihn nun zurück. Hylda duckte sich, doch zu spät. Der Ball traf sie an der Stirn. Wolf und Remi klatschten sich ab und lachten. Plötzlich wurden sie mit einer Salve von Schneebällen bombadiert. Die Schneballschlacht hatte begonnen. Sie wrfen sich ab, bis sie aussahen wie Schneemänner. Den ganzen nachmittag spielten sie zusammen. Als es langsam dunkel wurde, waren sie alle ganz weiß.
Wolf wünschte sich, dass der Nachmittag nie zu Ende gehen würde. Sie gingen in die Schlossburg von Hylda und Remis Eltern. Kichernd zogen sie ihre eingeschneten Wintersachen aus und hängten sie auf die Garderobe. Im Flur war es warm, denn überall brannten Kerzen. Wolf fand es hier immer soooo gemütlich. Sie gingen die Treppen hinauf. Im Wohnzimmer saßen Scarlett, Hanns, Berry, Geicko und Geraldine. „Hallo Mama!", sagte Lori. Ponto saß auf Berry's Schoß und sie war schwanger. „Alo Ori" antwortete Ponto. „Hallo Ponto!", erwiderte Lori und umarmte ihren kleinen Bruder. „Hallo ihr Kleinen! Wollt ihr ein warmes Getränk? Vielleicht einen Winterblutpunsch?", fragte Hanns.
„Jaaa", riefen alle im Chor, einschließlich Ponto. Hanns leitete dies an ein Dienstmädchen weiter und wenige Minuten später kam sie mit 5 vollen Tassen Winterblutpunsch zurück. Der Winterblutpunsch war warm und auch Wolf wurde warm. Hier war es kuschelig und angenehm. Er saß zwischen Hylda und seiner Mutter Geraldine auf dem Sofa. Er lehnte seinen Kopf an seine Mutter und wünschte sich, dass dieser Moment nicht aufhörte...

Gang war erstarrt. Er war gelähmt vor Schreck. Die anderen Schüler waren auch erstarrt, einschließlich Hylda. Schon eine Minute war Wolf jetzt schon mm Sumpf. Gang musste handeln. Er zog sich aus und sprang in den Sumpf.

Wolf brauchte Luft...Luft... LUFT...LUUUUFT!!!! Plötzlich hörte er auf zu sinken. Von weit her hörte er eine Stimme. „Nimpf.." Er verstand es nicht richtig. „Nempff...Nempff..Nepf??" Die Stimme klang alt und gebrechlich...ein bisschen wie ein Röcheln... „Nets...Netsssss...." Netz? „Netzz... Netz... Getas..." Was? „Gefüs" Was? Es wurde langsam leiser. Schnell! Er musste es entziffern! Netz Gefühl vielleicht? Ein ganz leises Röcheln hört er noch „Netz Gefüüüühl" Dann wurde es still. Wolf spürte wieder seinen Luftmangel. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Was konnte Netz Gefühl bedeuten? Ein Gefühlnetz? Vielleicht verzwickte Gefühle? Ein Netz aus Gefühlen? Wolf verstand gar nichts mehr. Plötzlich sah er über sich ein Leuchten es kam immer näher. Er sah schon seine Rettung. Doch als das Leuchten bei ihm ankam, war es nur Sumpfgras. Wolf war enttäuscht. Doch plötzlich wurde er gepackt und nach oben gezogen. Er sah sich nach seinem Retter um, doch konnte nichts erkennen. Schnell! Er musste schneller nach oben kommen. Seine Luft reichte nur noch wenige Sekunden. Gleich ertrank er. In der allerletzten Sekunde schoss er aus dem Sumpf. Er schnappte nach Luft und spürte wie seine Lunge sich wieder mit Luft füllte. Seine Glieder schmerzten und ihm wurde schwarz vor Augen.

Gang machte sich riesige Sorgen. Wolf war gerade eben ohnmächtig geworden. Hylda saß über ihn gebeugt und prüfte seinen Herzschlag:„Sein Herz schlägt noch. Lissi und Haul sind im eingebrochenen Turm. Sollen wir sie informieren?"

„Ne, das gibt nur Ärger", antwortete Lori.

„Atmet er noch?", fragte Rot. Sie schien sichtlich besorgt.

„Ja, er atmet noch.", antwortete Hylda. Gang fiel ein Stein vom Herzen. Den anderen ging es wohl genauso, denn sie atmeten alle auf. Plötzlich rief jemand hinter ihnen: „Hallo, ist irgendetwas passiert?" Gang kannte die Stimme irgendwo her, doch er konnte sie niemandem zuordenen. Also drehte er sich um. Vor ihm stand ein Junge mit einem Schafskopf. Er war ihm schon früher aufgefallen, da er ihn an irgendwen erinnerte. Gang dachte fieberhaft nach, doch ihm fiel niemand ein. "Hey Tail! Ja, du hast recht, hier ist etwas passiert, aber komm, ich bring dich hin", meinte Lulu, die gerade zu Gang getreten war. Das würde Wolf aber gar nicht gefallen, wenn Lulu in seiner Abwesenheit mit einem anderen flirtete. Tail wurde knallrot. "Jaa...äh, gerne! Was ist denn passiert?" Lulu nahm ihn an die Hand und zeigte ihm Wolf. "Wir müssen ihn irgendwo hinbringen, aber irgendwo, wo die Lehrer ihn nicht finden werden. Und er muss schnell wieder aufwachen, bevor Viego irgendetwas bemerkt",stellte Lori fest.

"Wo sind eigentlich die anderen? Fallais, der dunkle Junge...?", fragte Remi."Dort, wo auch Lissi und Haul sind. Aber hat jemand eine Idee, wo wir Wolf hinbringen können?", antwortete Rot.

Sie dachten nach. Plötzlich rief Hylda:"Ich hab's!wisst ihr noch, das Versteck, an dem wir vorbeigekommen sind?Am ersten Abend? Oder Nachmittag. Lori, du und Lulu, ihr musst das doch wissen!"

Da keiner etwas einwendete trugen sie Wolf do still wie möglich durch die Flure zum Versteck. Tail sollte vorgehen und darauf achten, dass keine anderen Schüler oder Lehrer im Weg waren. Das Versteck war total ungemütlich und klein. Auf dem Boden lagen modrige, alte Matratzen und überall hingen Spinnenweben. "Gruselig", fand Gang."Na dann los, wenn alle mithelfen geht es schnell!", brach Rot die Stille.Alle setzten sich in Bewegung. Gang sah aus den Augenwinkeln, wie Tail aus dem Raum schlich. Hoffentlich verpetzte er sich nicht! Er ließ den blick schweifen und blieb an Elisabeth hängen. Sie sah so süß aus, so voll konzentriert auf die Arbeit. Als er bemerkte, dass er sie schon wieder anstarrte, senkte er schnell den Blick. Das war ihm in letzter Zeit schon öfter passiert! Egal! Sie mussten sich jetzt schnellstmöglich um Wolf kümmern. "Es wäre toll, wenn der Raum noch etwas größer wäre", sagte Gang also. "Warte, ich habe eine Idee!" , erwiderte Hylda. Sie konzentrierte sich, das sah man ihr an, und bohrte in ihren Kräften einen Gang in die Wand. "Tadaa!", rief sie und blickte vergnügt auf ihr Werk. "Rein mit ihm!" Wieder nahmen sie Wolf auf und trugen ihn hinein in den Gang.

Es war dunkel, doch Remi sorgte für Licht. Am Ende des Ganges lag eine kleine Kammer. Diese legten sie mit den Matratzen aus. Sie legten Wolf darauf und deckten ihn zu. Zufrieden setzten sie sich in einen Kreis um ihn und warteten, dass er aufwachte. Diese Zeit nutzte Gang, um über Elisabeth nachzudenken. sie war so...anders! Plötzlich schlug Wolf die Augen auf. Gang sah es zuerst und rief:"Wolf!" Nun waren auch die anderen hellwach und alle redeten durcheinander. Doch Wlof schrie:"Ruhe! Ich hab euch was wichtiges zu erzählen!" Augenblicklich wurde es mucksmäuschenstill. " Am Grund des Sees habe ich so eine Stimme gehört, sie sagte so etwas wie Netzt und Gefühl..."

Die Magie der Niemandsländer- Dämmerlicht und SumpfgeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt